Kostenlose Zeitung darf bleiben

Deutsche Verlagshäuser stellen sich auf einen neuen Angriff von Schibsted ein

Kostenlose Tageszeitungen dürfen weiterhin erscheinen. Sie bedeuten keinesfalls den Tod der freien Presse, stellte das Oberlandesgericht Köln am 16. März fest. Auch kann das Gericht keine Verzerrung der Wettbewerbsbedingungen erkennen, wie dies vom klagenden Kölner Verlag DuMont Schauberg vorgebracht wurde.

Die seit gut einem Jahr in Köln verteilten Gratiszeitungen würden zwar „einen Teil des Marktkuchens abbekommen“, wie Richter Emil Schwippert zur Begründung der Entscheidung sagte. Das passiere jedoch bei jedem neu eingeführten Zeitungstitel ebenfalls.

Die Klage richtete sich gegen den norwegischen Medienkonzern Schibsted, dessen Tochter „20 Minuten“ mit Sitz in Zürich den Titel „20 Minuten Köln“ einführte und noch in diesem Frühjahr auf die Städte Berlin, Düsseldorf, Frankfurt/Main, Hamburg und München ausdehnen möchte („M“ berichtete). Dazu bedarf es aber Druckereien, die Kapazitäten frei haben. Aus Branchenkreisen ist zu hören, diese fehlten zurzeit, da im Bereich Zeitungsdruck eine große Auslastung herrsche. Die Ankündigung von Schibsted hat in anderen Verlagen hektische Betriebsamkeit ausgelöst. Sollten die „Pläne von Schibsted zutreffen, sind wir in der Lage, aus dem Stand zu reagieren“, sagte Edda Fels, Sprecherin des Axel Springer Verlags (ASV) in Hamburg. Diese Reaktion wäre dann eine reine „Abwehrmaßnahme“; keineswegs denke man daran, solche Titel „ohne Not“ einzuführen. Ähnlich äußerten sich auch Verlage in den betroffenen Städten.

Springer war am Freitag nach dem Urteil mit einer völlig neu gestalteten Ausgabe von „Extra“ gratis auf dem Kölner Markt.

Nach Schibsteds Start mit „20 Minuten Köln“ brachte der den Kölner Zeitungsmarkt dominierende DuMont-Verlag („Kölner Stadtanzeiger“, „Rundschau“ und „Express“) den „Kölner Morgen“ auf den Markt, der ASV zog mit „KölnExtra“ nach. Seither beschäftigen sich auch die Gerichte mit dem Thema. Bisher gingen alle Entscheidungen zu Gunsten von Schibsted aus. Stellvertretend für die deutschen Verlage will DuMont jetzt zum Bundesgerichtshof gehen. Der Bundesverband der deutschen Zeitungsverleger (BDZV) bezeichnet die Gerichtsentscheidung als „unverständlich und nicht nachvollziehbar“.

Seit es in Köln Gratiszeitungen gibt, „beobachte ich, dass morgens in den öffentlichen Verkehrsmitteln wieder mehr gelesen wird“, sagt Franz Kersjes, Vorsitzender der IG Medien in Nordrhein-Westfalen, und verweist auf eine Studie der Universität Köln, wonach die kostenlose Blätter hauptsächlich als Zweitzeitungen genutzt werden. Die etablierten Kaufzeitungen „Bild“ und „Express“ hätten auf Grund der Gratiszeitungen lediglich vier Prozent an Auflage verloren, fanden Studierende vom Zentralarchiv für Empirische Sozialforschung heraus.

Unterdessen wurde bekannt, dass sich die britische Risikokapitalgesellschaft APAX mit 27,8 Prozent (100 Millionen Mark) an der Schibsted-Tochter „20 Minuten“ beteiligt. Erst im November des vergangenen Jahres kaufte APAX die Bundesdruckerei. Im abgelaufenen Geschäftsjahr erwirtschaftete Schibsted etwa 200 Millionen Mark Gewinn. Der Konzern ist unter anderem skandinavischer Lizenznehmer der Container-Show Big Brother und verlegt die Tageszeitung „Aftonbladet“ des schwedischen Gewerkschaftsbundes.

 

Weitere aktuelle Beiträge

Wie ähnlich ist presseähnlich?

Der Intendant des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), Ralf Ludwig, erwartet, dass es für die öffentlich-rechtlichen Sender künftig schwerer werde, insbesondere jüngere Zielgruppen online zu erreichen. Grund dafür sei die „Schärfung des sogenannten Verbots der Presseähnlichkeit“, sagte Ludwig Ende Mai im Medienausschuss des sächsischen Landtags.
mehr »

ARD-Nachrichtentag: Mehr Transparenz

Nachrichten sind das Herz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Sie sollen gut recherchiert und aufbereitet sein, sollen verständlich Ereignisse vermitteln und einordnen. Beim ARD-Nachrichtentag am 5. Juni gab es einen offenen Einblick, wie das eigentlich geschieht. Teilnehmende bekommen Einblicke in den journalistischen Alltag und erfahren den Wert unabhängiger Nachrichten in Hörfunk, Fernsehen und Social Media.
mehr »

Was tun gegen defekte Debatten

Das Land steckt in der Krise und mit ihm die Diskussionskultur. Themen wie Krieg und Pandemie, Migration und Rechtsextremismus polarisieren die politische Öffentlichkeit. In ihrem Buch „Defekte Debatten: Warum wir als Gesellschaft besser streiten müssen“ suchen Julia Reuschenbach, Politikwissenschaftlerin an der FU Berlin und Korbinian Frenzel, Journalist und Redaktionsleiter Prime Time bei Deutschlandfunk Kultur, nach Auswegen aus der diskursiven Sackgasse.
mehr »

Breiter Protest gegen Radiokürzungen

Als die Bundesländer im vergangenen September Reformvorschläge für ARD, ZDF und Deutschlandfunk vorgelegt haben, war klar: Diese beinhalten starke Kürzungen. Die ARD-Häuser müssen im Auftrag der Politik über die Verringerung von Radiowellen entscheiden. Die Anzahl der regionalen Hörfunkprogramme in der ARD soll demnach von rund 70 Wellen auf 53 sinken. Dagegen regt sich breiter Protest.
mehr »