Lex Specialis gegen SPD und Madsack?

Streit um neues Mediengesetz in Niedersachsen – Verfassungsklage vorbereitet

Medienpolitik ist in Deutschland Ländersache, und so verfügt jedes Bundesland auch über ein eigenes Mediengesetz. Um die Neufassung des Niedersächsischen Mediengesetzes ist jetzt ein Streit entbrannt, der demnächst die Justiz beschäftigen wird. Denn die im Dezember mit der Regierungsmehrheit von CDU und FDP verabschiedeten Änderungen treffen alleine die SPD und den einzigen großen Medienkonzern des Landes, die Verlagsgesellschaft Madsack.

Das neue Mediengesetz begrenzt die Beteiligung von politischen Parteien an privaten Rundfunksendern auf höchstens zehn Prozent und zielt damit auf die indirekte Beteiligung der SPD an den beiden großen niedersächsischen Privatradios. Über ihre Medien-Holding Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft ist die SPD mit 20,4 Prozent an der Verlagsgesellschaft Madsack beteiligt. Diese wiederum hält jeweils 21,6 bzw. 13,7 Prozent der Anteile an Hit-Radio Antenne und radio ffn.

Die Niedersächsische Justizministerin Elisabeth Heister-Neumann, CDU, betonte während der Medien-Debatte im Landtag, es gehe der Landesregierung um die „Unabhängigkeit des privaten Rundfunks“ in Niedersachsen, der durch den Einfluss der SPD gefährdet sei. Die frühere SPD-Justizministerin Heidi Merk macht dagegen verfassungsrechtliche Bedenken geltend. So werde der Eigentumsschutz nach Artikel 16 des Grundgesetzes in Frage gestellt. Außerdem sei ein solches „Lex Specialis“, da es nur ein einziges Unternehmen treffe, rechtlich nicht zulässig.

Einflussnahme bestritten

Die SPD bestreitet außerdem jegliche Einflussnahme auf die Berichterstattung der Radiosender. Dabei wird sie von Madsack unterstützt. In einer schriftlichen Stellungnahme verneint der Medienkonzern jeden publizistischen Einfluss der Partei auf die beiden Radiosender. Vielmehr werde der Verlagsgesellschaft durch das neue Mediengesetz ein „ausreichendes Wachstum in seinem Stammland verwehrt“. Das sei „das Gegenteil einer sinnvollen Medienpolitik“, heißt es bei Madsack. Der Gesetzgeber solle doch jeden Eindruck vermeiden, als gehe es ihm „um die Finanzquellen von Parteien“.

Die Novellierung ist Teil einer bundesweiten CDU-Strategie: Ähnliche Bestimmungen gibt es schon in Bayern und Baden-Württemberg, in Hessen läuft eine Normenkontrollklage gegen das dortige Mediengesetz. Auf ihrer Internetseite schreibt die Bundes-CDU, die Medienmacht der SPD bringe den fairen Wettbewerb in Gefahr, und die Hannoveraner Verlagsgesellschaft Madsack spiele eine „zentrale Rolle im Medienimperium der SPD“. Indiz für eine Verlagsführung im Sinne der SPD sei die frühere leitende Position des Madsack-Geschäftsführers Friedhelm Haak bei der SPD-eigenen Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft. Tatsächlich ist die von Madsack heraus gegebene „Neue Presse“ traditionell sozialdemokratisch orientiert, während die weitaus größere „Hannoversche Allgemeine“ als rechtsliberal bezeichnet werden kann. Hitradio Antenne und radio ffn lassen im Allgemeinen keine parteipolitische Präferenz erkennen und können durchaus als „wirtschaftsfreundlich“ bezeichnet werden. Auch die Niedersächsische Landesmedienanstalt hat bisher „keinen maßgeblichen Einfluss“ der SPD auf die Privatradios festgestellt.

Zurzeit bereitet die SPD eine Klage gegen das neue Mediengesetz vor dem Staatsgerichtshof in Bückeburg vor. Für die juristische Auseinandersetzung bleibt noch genügend Zeit, denn die neuen Beteiligungsregeln werden erst ab 2006 wirksam, dann muss die Lizenz von radio ffn verlängert werden. Eine weitere Klage prüft der Fernsehsender Sat.1 gemeinsam mit RTL. Sat.1 will seine Regionalprogramme in Zukunft in Berlin erstellen, das neue Mediengesetz schreibt aber vor, dass die Regionalfenster in Niedersachsen produziert werden müssen. Jürgen Doetz von der ProSiebenSat.1-Gruppe sieht darin einen „Eingriff in die Gewerbefreiheit“. Allein bei Sat.1 gehe es um Kosteneinsparungen in Höhe von 1,5 Millionen Euro.

Kein Sitz für ver.di-Vertreter

Proteste gegen das neue Mediengesetz gibt es noch in einem dritten Zusammenhang: So haben CDU und FDP beschlossen, die Versammlung der „Niedersächsischen Landesmedienanstalt“ zu verkleinern. Das Argument der Landesregierung, auch damit solle der Einfluss der Parteien zurück gedrängt werden, entlarvt sich jedoch als Vorwand, denn faktisch steigt der Anteil der Parteienvertreter in der Versammlung von 15 auf 20 Prozent. Statt dessen verlieren eher dem linken Spektrum zuzuordnende Organisationen, wie die Verbraucherzentrale, Naturschutzverbände oder der Flüchtlingsrat ihre Sitze in dem Gremium. Auch die bisherigen drei ver.di-Vertreter finden in Zukunft keinen Platz mehr in der Versammlung, obwohl doch die Dienstleistungsgewerkschaft die meisten Beschäftigten der Medienbranche repräsentiert. Ver.di-Medienexpertin Amadore Kobus kommentiert das mit den Worten, die Versammlung solle „offenbar zu einem regierungsfreundlichen, willfährigen Gremium degradiert werden“.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Wie ähnlich ist presseähnlich?

Der Intendant des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), Ralf Ludwig, erwartet, dass es für die öffentlich-rechtlichen Sender künftig schwerer werde, insbesondere jüngere Zielgruppen online zu erreichen. Grund dafür sei die „Schärfung des sogenannten Verbots der Presseähnlichkeit“, sagte Ludwig Ende Mai im Medienausschuss des sächsischen Landtags.
mehr »

ARD-Nachrichtentag: Mehr Transparenz

Nachrichten sind das Herz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Sie sollen gut recherchiert und aufbereitet sein, sollen verständlich Ereignisse vermitteln und einordnen. Beim ARD-Nachrichtentag am 5. Juni gab es einen offenen Einblick, wie das eigentlich geschieht. Teilnehmende bekommen Einblicke in den journalistischen Alltag und erfahren den Wert unabhängiger Nachrichten in Hörfunk, Fernsehen und Social Media.
mehr »

Was tun gegen defekte Debatten

Das Land steckt in der Krise und mit ihm die Diskussionskultur. Themen wie Krieg und Pandemie, Migration und Rechtsextremismus polarisieren die politische Öffentlichkeit. In ihrem Buch „Defekte Debatten: Warum wir als Gesellschaft besser streiten müssen“ suchen Julia Reuschenbach, Politikwissenschaftlerin an der FU Berlin und Korbinian Frenzel, Journalist und Redaktionsleiter Prime Time bei Deutschlandfunk Kultur, nach Auswegen aus der diskursiven Sackgasse.
mehr »

Breiter Protest gegen Radiokürzungen

Als die Bundesländer im vergangenen September Reformvorschläge für ARD, ZDF und Deutschlandfunk vorgelegt haben, war klar: Diese beinhalten starke Kürzungen. Die ARD-Häuser müssen im Auftrag der Politik über die Verringerung von Radiowellen entscheiden. Die Anzahl der regionalen Hörfunkprogramme in der ARD soll demnach von rund 70 Wellen auf 53 sinken. Dagegen regt sich breiter Protest.
mehr »