Medien, Netz und Öffentlichkeit

Dass Medien, Netz und Öffentlichkeit in einer engen Wechselbeziehung stehen, ist ein Gemeinplatz. Wie aber das Beziehungsgeflecht zwischen diesen drei Begriffsfeldern im Einzelnen beschaffen ist, bedarf einer näheren, fundierten Analyse.

Der vorliegende Sammelband liefert diese Analyse in fünf Themenblöcken: „Kommunikationsraum Internet“, „Kulturraum Internet“, „Freiraum Internet“, „Medienpolitik in Zeiten des Internets“ sowie „Europäische und globale Regulierungsansätze“. Anders als die Zusammensetzung des Herausgeberkreises auf den ersten Blick vermuten lässt – es handelt sich um je zwei MedienpolitikerInnen der SPD und der Grünen – rekrutieren sich die rund 60 AutorInnen aus einem breiten Spektrum. Zu Wort kommen Vertreter und Ex-Vertreterinnen aus der (medien)politischen Praxis wie die Medienwächter Norbert Schneider und Hans Hege, Datenschützer wie Peter Schaar, Politiker wie Hamburgs SPD-Bürgermeister Olaf Scholz und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Daneben Privatfunkfunktionäre wie VPRT-Vorstand Tobias Schmidt, Medienunternehmer wie Tim Renner, Wissenschaftler wie Otfried Jarren und Bernd Holznagel, Medienjournalisten wie Klaudia Wick und Steffen Grimberg, nicht zu vergessen prominente Vertreter der „Blogosphäre“ wie Mario Sixtus und Nico Lumma.

Gelungen erscheint der Ansatz, zu jeder der Fragestellungen paarweise Positionen einzuholen. Ein Ansatz, der umso erfrischender rüberkommt, wenn abgewogene Thesen erfahrener Funktionsträger auf zugespitzt pamphletartige Betrachtungen von „jungen Wilden“ treffen. Ein Beispiel: Während der oberste Datenschützer der Republik, Peter Schaar, den medienrechtlichen Hintergrund einer Datenschutzregulierung des Internets skizziert, denunziert Mario Sixtus den heutigen Datenschutz als „antiaufklärerisch, als „Brei aus Alarmismus, Hysterie und Ideologie“, der vor allem „Brennstoff für die Boulevardpresse“ liefere.
Das Kapitel „Kulturraum Internet“ versammelt Analysen zum Zustand der Branchen Musik, Film und Fernsehen, diskutiert die Rolle von Verwertungsketten und Erlösmodellen und fragt nach den Werten, die die Netzkommunikation prägen. Im Kapitel „Medienpolitik in Zeiten des Internets“ geht es unter anderem um die Zukunft der Printmedien, Legitimationsprobleme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Regulierungsfragen an Beispielen wie Vielfaltsicherung und Jugendmedienschutz und die Grenzen der Medienregulierung im föderalen System. Der „Blick zu den Nachbarn“ erweitert die nationale Perspektive mit drei Aufsätzen zur Situation in Österreich, der Schweiz und Großbritannien.
„Das Internet ist für uns alle Neuland“ – mit dieser missverständlichen Parole hatte Angela Merkel vor einigen Monaten große Heiterkeit im Web erzielt. Der alten und vermutlich auch neuen Kanzlerin kann geholfen werden – zum Beispiel mit diesem Sammelband. Bleibt zu hoffen, dass einige der darin ausgebreiteten Erkenntnisse zur Netzpolitik in die Arbeit der künftigen Bundesregierung einfließen. Denn „alternativlos“, das belegt dieser Band, ist die bisherige Medien- und Netzpolitik wahrlich nicht.

Medien, Netz und Öffentlichkeit. Impulse für die digitale Gesellschaft.

Hrsg.:
Marc Jan Eumann,
Frauke Gerlach,
Tabea Rößner,
Martin Stadelmaier,

Klartext Verlag,
Essen 2013,
474 Seiten,
22,95 Euro.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Für ein digitales Ökosystem

Markus Beckedahl, Journalist und Gründer des Online-Portals www.netzpolitik.org, erkennt  im System des öffentlich-rechtlichen Rundfunk den Ort, wo alternative digitale Infrastrukturen gut entwickelt werden können.
mehr »

Rechte Influencerinnen im Netz

Rechtextremismus und rechte Parolen verbinden viele Menschen automatisch mit testosterongesteuerten weißen Männern. Diese Zielgruppe füttert AfD-Politiker Maximilian Krah mit simplen Parolen wie: „Echte Männer sind rechts.“ Das kommt an bei Menschen, die im Laufe der Zeit irgendwann beim „Gestern“ stecken geblieben sind. Inzwischen verfangen solche rechten Klischees auch bei Frauen. Vor allem im Internet.
mehr »

KI macht Druck auf Suchmaschinen

Die Künstliche Intelligenz frisst den Traffic: Das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) meldet massive Einbrüche bei der Suchmaschinen-Nutzung aufgrund von Chatbots bei Google oder ChatGBT. Weil viele Nutzer*innen sich mit den Zusammenfassungen von KI zufrieden geben, klicken sie nicht mehr weiter zu den Websites, von denen die Informationen bezogen werden.
mehr »

ARD schützt ihre Inhalte vor KI

Die ARD hat ihren Umgang mit Anbietern von KI geändert. Seit Ende Mai dürfen Unternehmen wie etwa Open AI, Perplexity oder Google (Gemini) Inhalte aus den Online-Angeboten der ARD nicht mehr nutzen, um damit ihre KI-Systeme zu trainieren. Das bestätigte der Senderverbund auf Nachfrage. Die ARD hat nun in ihre Webseiten einen sogenannten maschinenlesbaren Nutzungsvorbehalt technisch eingebaut. Damit wird KI-Crawlern signalisiert, dass sie die Inhalte dieser Angebote nicht verwenden dürfen.
mehr »