Medienpolitik hinter verschlossenen Türen

Flickwerk beim 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag

Die Chefs der Staatskanzleien der Bundesländer arbeiten seit Monaten intensiv an einer Reform des Rundfunkrechts und der Medienregulierung. Bereits bei der Ministerpräsidentenkonferenz im Oktober könnten weit reichende Entscheidungen fallen – wie immer hinter verschlossenen Türen.

Konkret geht es um den 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, der dann 2008 in Kraft treten soll, wenn alle 16 Landesparlamente zustimmen. Oder besser: Die von den Landesfürsten ausgekungelte Gesetzesnovelle abnicken. Denn auf nichts anderes läuft das derzeitige Verfahren hinaus. So ist zwar ein Entwurf auf den Seiten der federführenden Rheinland-Pfälzer veröffentlicht, doch zur Anhörung in Berlin am 26. Juni waren nicht einmal Medienpolitiker aus den Landtagen zugelassen. Geschweige denn Gewerkschaften und Verbände wie ver.di, die außer den Interessen der Medienschaffenden auch zunehmend die der Gebührenzahler und Medienkonsumenten vertreten. Den „geplanten Umbau der Medienregulierung als Veranstaltung hinter verschlossenen Türen“ kritisiert denn auch der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. Er forderte eine „demokratische und öffentliche Beratungskultur“ sowie „mehr Transparenz und demokratische Teilhabe in der Medienregulierung“.

Medienaufsicht unorganisiert

Zumal wenn es um „weitgreifende Änderungen in der Medienkonzentrationskontrolle“ geht, wie sie der derzeitige Staatsvertragsentwurf vorsieht. Den wollen die Staatskanzleichefs noch im September verabschieden, so dass er den Ministerpräsidenten bei ihrer Konferenz Mitte Oktober unterschriftsreif vorliegt. Dabei beinhaltet er noch eine Reihe von Halbheiten und Unklarheiten. So soll beispielsweise in den Paragraphen 35 und folgende die Medienaufsicht dergestalt umorganisiert werden, dass die 14 Landesmedienanstalten eine Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) bilden. Außerdem gibt es eine Gremienvorsitzendenkonferenz (GVK), die aber nur bei Auswahlentscheidungen zwischen mehreren Bewerbern für bundesweite Übertragungskapazitäten entscheidet. Die bisher nur aus unabhängigen Sachverständigen bestehende Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) wird um sechs Direktoren von Landesmedienanstalten erweitert, wobei der Vorsitz aber von einem Experten ausgeübt wird. Unscharf ist auch das Verhältnis von ZAK und KEK. Unlogisch ist, dass zwar eine Doppelmitgliedschaft von KEK und der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) ausgeschlossen ist, aber nicht von ZAK, GVK und KEK. Anstatt das KEK-Expertengremium aufzuwerten, etwa mit dem Wegfall bzw. der Absenkung von Eingreifschwellen (25 Prozent Zuschauermarktanteil), der Ausweitung des Prüfanlasses auch jenseits von bundesweitem Fernsehen und handfesten Ermittlungsbefugnissen, wird es mit Standort-Direktoren geschwächt.
Zweites Beispiel für zu kurz greifende Veränderungen sind die neuen Bestimmungen in § 20a (2) für die Zulassung von Aktiengesellschaften als Programmveranstalter. Der Witz ist nur wie sich im Fall von ProSiebenSat.1 zeigt: Die jeweiligen Sender unter dem AG-Dach sind GmbHs und beantragen die Lizenzen, nicht die AG! Auch fehlen konkrete Bestimmungen gegen „feindliche“ Übernahmen von Rundfunkveranstalter und Telemedienbetreibern etwa durch branchenfremde Investoren mit Werbemacht oder – wie die SPD fordert – aus Nicht-EU-Staaten. Zu den Halbheiten im Entwurf zählen die neuen Definitionsversuche und Bestimmungen für Plattformbetreiber und Programmbouquets bzw. ihre Abgrenzung in den Paragraphen 2 (Nr. 9, 10, 11) und in § 52 ff. Bei ersteren wird zum Beispiel nicht unterschieden zwischen denen, die eigene Programme veranstalten und solchen, die nur andere Programme bündeln.
Generell fehlt die Definition, was ein Sendenetzbetreiber ist, welche Rechte und Pflichten er hat, etwa wenn er selbst Programmbouquets bzw. Plattformen anbietet. Dringend angeraten erscheint auch ein Trennungsgebot von Programmveranstaltung und Sendenetzbetrieb. Erfolgt das nicht, besteht durch die Digitalisierung die Gefahr, dass neben Gebühren und Werbung / Sponsoring eine dritte Einnahmequelle (Transportgelder) entsteht oder der programmveranstaltende Sendenetzbetreiber andere Angebote blockiert bzw. diskriminiert!
Aktuell wird das Problem der Sendenetzbetreiber dann, wenn die Telekom T-Systems oder Teile davon – wie angekündigt – verkauft! Geradezu skandalös ist der „Anhang“ zum Entwurf des 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrages, besonders die geplante Änderung im Rundfunkgebührenstaatsvertrag. Dort soll im § 8 Abs. 4 den Landesrundfunkanstalten und der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) das Recht eingeräumt werden, „personenbezogene Daten bei nichtöffentlichen Stellen ohne Kenntnis des Betroffenen“ zu erheben – zusätzlich zum bisherigen automatischen Meldedatenabgleich. Im Klartext: Das Vorgehen der GEZ, Daten am „grauen Markt“ (z. B. von ahnungslosen Gewinnspielteilnehmern) aufzukaufen und mit den eigenen Datenbeständen abzugleichen, soll legalisiert werden!

Fehlende Architektur des Ganzen

Unverständlich ist, warum der Kompromiss im Gebühren-Beihilfe-Verfahren mit der EU nicht schon im 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag umgesetzt wird und auch die neuen Regeln der neuen EU-Richtlinie audiovisuelle Medien erst mit dem 11. Rundfunkänderungsstaatsvertrag bis Frühjahr 2009 greifen sollen. Kein Wunder, dass Martin Dieckmann, medienpolitischer Referent bei ver.di, eine „fehlende Architektur des Ganzen“ bemängelt.

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