Medienpolitischer Meilenstein

Ab 2013 ein Haushalt, ein Rundfunkbeitrag – keine Gebührenerhöhung

Grünes Licht für die Reform der öffentlich-rechtlichen Rundfunkfinanzierung: Nachdem alle Länderparlamente zugestimmt haben, kann die neue Gebührenregelung ab 2013 in Kraft treten. Die von der Finanzkommission KEF empfohlene Nullrunde wirft jedoch Fragen auf.

Die Nordlichter votierten zuletzt. Im Dezember billigte auch der Kieler Landtag den nach jahrelanger Debatte paraphierten neuen 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Damit kommt es ab 2013 hierzulande zu einer wichtigen rundfunkpolitischen Zäsur. Künftig gilt für alle Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik die Regel: ein Haushalt, ein Rundfunkbeitrag. Diese so genannte Haushaltsabgabe löst das bisherige System der gerätebezogenen Gebühr ab.
ver.di hatte sich von Anfang an für diese Neuordnung der Rundfunkfinanzierung stark gemacht. Denn „durch die stetig fortschreitende Konvergenz ist die bisherige geräteabhängig erhobene Rundfunkgebühr längst an ihre Umsetzungsgrenzen gelangt“, heißt es in einer Stellungnahme der Gewerkschaft, in der exemplarisch an die teilweise absurden Streitigkeiten um die Gebührenpflicht für neuartige Rundfunkgeräte („PC-Gebühr“, Smartphones, etc.) erinnert wird. Solchem Unsinn werde mit der neuen Haushaltsabgabe ein Riegel vorgeschoben. Die neue Form der Rundfunkfinanzierung, so ver.di, dürfe allerdings „nicht zu Lasten der öffentlich-rechtlichen Anstalten gehen“. Das künftige Beitragsaufkommen müsse „daran gemessen werden, dass es aufkommensneutral ist und die Anstalten weiterhin in die Lage versetzt, ihrem Auftrag nachzukommen“.
Ob diese Bedingungen erfüllt werden, erscheint nach der Publikation des jüngsten Berichts der „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten“ (KEF) zumindest zweifelhaft. In ihrem 18. Bericht empfiehlt die KEF erstmals eine Gebühren-Nullrunde, das heißt, eine vorläufige Beibehaltung des Monatsbeitrags von 17,98 Euro. Sie begründet dies mit der „großen Unsicherheit infolge der Umstellung des Finanzierungssystems“, die „eine verlässliche Prognose der Erträge“ nicht zulasse. Wahr daran ist zumindest, dass eine seriöse Schätzung der Einnahmen aus der neuen Haushaltsabgabe allgemein als schwierig erachtet wird. Die Ankündigung der KEF, die Auswirkungen der Gebührenumstellung in ihrem nächsten Bericht zu berücksichtigen, dürfte allerdings für ARD, ZDF und Deutschlandradio nur ein schwacher Trost sein. Zwar hatten die Sender von sich aus zunächst keine Erhöhung der Gebühr gefordert. Sie gehen intern von einigen Hunderttausend zusätzlichen Zahlern bis Ende 2016 aus, was die laufenden Kostensteigerungen in der neuen Gebührenperiode kompensieren könnte.
Wie auch in früheren Perioden üblich, hatten die Sender ihren finanziellen Mehrbedarf für den Zeitraum 2013–2016 bei der KEF angemeldet. Wie üblich, hatte die Kommission von diesem Mehrbedarf nur einen Teil anerkannt: in diesem Fall von 1,4 Milliarden Euro nur den bescheidenen Anteil von 304 Millionen Euro. Diese Mehrkosten müssten eigentlich laut KEF die neue Haushaltsabgabe um 18,35 Cent monatlich steigen lassen. Die von der KEF empfohlene Nullrunde bedeutet aber, dass sich ARD, ZDF und Deutschlandradio vorerst mit einem ungedeckten Finanzbedarf von mehr als 1 Milliarde Euro abfinden müssen. Für ver.di ist diese Vorgehensweise nur dann „gerechtfertigt, solange zeitnah nach dem vollzogenen Gebührenumstieg der Finanzbedarf der Anstalten wieder berücksichtigt wird“. Zugleich fordert die Gewerkschaft, dass die Anstalten „künftig in stärkerer Eigenverantwortung entscheiden können müssen, wie und an welchen Stellen sie die von der KEF auferlegten Sparvorgaben umsetzen“. Hintergrund dieser Forderung sind recht forsche Streichungen der Kommission bei den Personalmitteln der Anstalten, um 42 Millionen bei der ARD, gar um 75 Millionen beim ZDF. Für ver.di steht dies im Widerspruch zur Programmautonomie der Anstalten, denn Personaleinsparungen können sich auch auf das Programm auswirken.

Wichtigste Neuerungen

Zur Erinnerung die wichtigsten Neuerungen einer Regelung, die Kurt Beck, der Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, als „medienpolitischen Meilenstein“ bezeichnete.

  • Anders als bisher wird fortan der neue Rundfunkbeitrag nicht mehr von jeder Person und für jedes Empfangsgerät erhoben. An ihre Stelle tritt eine Abgabe, die von jedem Haushalt und jedem Betrieb entrichtet wird. Sie soll vorerst die Höhe der bisherigen Gebühr von 17,98 Euro pro Monat nicht überschreiten.
  • Die Differenzierung zwischen Grund- und Fernsehgebühr und damit zwischen TV, Radio, Handy und PC wird aufgehoben.
  • Die Haushaltsabgabe ist unabhängig davon, wie viele Personen wie viele Empfangsgeräte nutzen. Anders als bisher müssen Kinder mit eigenem Einkommen, die noch bei ihren Eltern leben, keine zusätzliche Gebühr zahlen.
  • Andererseits werden auch Haushaltsvorstände, die bislang – wie glaubhaft auch immer – völlige TV-Abstinenz geltend machten, künftig mit dem vollen Beitrag zur Kasse gebeten.
  • Für Zweit- oder Ferienwohnungen soll ein Drittel der Haushaltspauschale erhoben werden.
  • Im nicht-privaten Bereich gilt künftig eine Betriebsstättenabgabe, deren Höhe nach der Mitarbeiterzahl gestaffelt ist.
  • Auch für jedes nicht privat genutzte Auto wird ein Drittel der Abgabe fällig.
  • Für privat genutzte Arbeitszimmer – etwa von freien Journalisten – muss kein extra Rundfunkbeitrag bezahlt werden.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Gemeinsam gegen Hassrede im Netz

Das Bundeskriminalamt (BKA) und die Landesmedienanstalten intensivieren ihre Zusammenarbeit im Kampf gegen Hassrede und strafbare Inhalte im Netz. Ab sofort können alle Medienanstalten in Deutschland Verdachtsfälle von strafrechtlich relevanter Hassrede an die Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet beim Bundeskriminalamt (ZMI BKA) melden. Bereits seit Mai 2022 arbeitet die Landesanstalt für Medien NRW eng mit dem BKA zusammen. Bis heute hat die Medienanstalt NRW knapp 700 Meldungen zugeliefert.
mehr »

Presserat berät über Döpfner-Leaks

Die Springer-Berichterstattung der vergangenen Wochen beschäftigt den Deutschen Presserat. Gleich zwei Fälle, die im Zusammenhang mit dem Springer-Verlag und der Bild-Zeitung stehen, muss der Presserat auf seiner nächsten Sitzung am 15. Juni 2023 behandeln. Grundlage für die Verfahren sind Beschwerden über die "Berliner Zeitung" und die "Zeit", die beim Presserat eingegangen sind. Beide Publikationen sollen den Pressekodex verletzt haben: Die "Zeit" den Persönlichkeitsschutz und die "Berliner Zeitung" den Informantenschutz.
mehr »

Gesetz zum Schutz von Whistleblowern verabschiedet

Nach dem Bundesstag hat heute auch der Bundesrat das neue Regelwerk zum Whistleblower-Schutz verabschiedet. Damit wurde endlich – nach anderthalbjähriger Verspätung – die Whistleblowing-Richtlinie der EU umgesetzt. Da dieser Schritt überfällig war, wird das sogenannte Hinweisgeberschutzgesetz zwar begrüßt, steht jedoch nach wie vor in der Kritik, da es keinen umfassenden Schutz für Whistleblower beinhaltet. Das Gesetz soll noch im Juni in Kraft treten.
mehr »

Rote Karte gegen Kahlschlag bei der DW

Beschäftigte der Deutschen Welle (DW) protestierten am Tag der Feierlichkeiten zum 70-jährigen Bestehen der Deutschen Welle in Berlin gegen den geplanten Personalabbau und die Umstrukturierung in zentralen Bereichen des öffentlich-rechtlichen Auslandsenders mit Standorten in Bonn und Berlin. 250 folgten dem Aufruf von ver.di im Bündnis mit den Personalräten des Medienkonzerns zu einem Fahrradkorso vom Sender zum Kundgebungsort am Pariser Platz.
mehr »