„Medienrecht“ nach Matthias Prinz

Persönlichkeitsrechte versus Pressefreiheit

Eine Fernsehansagerin als „ausgemolkene Ziege“ zu kritisieren oder Heinrich Böll als „steindummen, kenntnislosen und talentfreien“ Autor, der „zum Teil pathologischer, zum Teil ganz harmloser Knallkopf“ gewesen sei, ist vielleicht lustig. Auf jeden Fall haben Gerichte es verboten. Entnehmen läßt sich dies dem Handbuch „Medienrecht“ von Prominentenanwalt Matthias Prinz und Co-Autor Butz Peters.

Auf fast 800 Seiten haben die beiden Juristen Gerichtsentscheidungen zu den zivilrechtlichen Ansprüche der Menschen zusammengetragen und systematisiert, die sich durch die Medienberichterstattung geschädigt sehen. Einen nicht unerheblichen Teil dieser Entscheidungen – darunter die höchste Geldentschädigung der bundesdeutschen Mediengeschichte wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten für Caroline von Monaco sowie den Abdruck von Gegendarstellungen auf dem Titel – haben sie selbst durchgekämpft. Das Handbuch liest sich denn auch als Plädoyer für die weitere Stärkung des Persönlichkeitsrechtsschutzes.

So kommen widersprechende Rechtsauffassungen unter anderem zu der BGH-Entscheidung nicht zu Wort, die die beträchtlichen Summen legitimiert, die Gerichte so manchem unfreiwillig in die Schlagzeilen Geratenen inzwischen zubilligten. Die Karlsruher Richter koppelten bei extremen Persönlichkeitsrechtsverletzungen die Höhe einer Geldentschädigung auch an deren abschreckende Wirkung. Das Gericht hätte damit Motive des Strafrechts in zivilrechtliche Auseinandersetzungen eingeschmuggelt, so die Kritik. Die Strafbarkeit von vorsätzlichen Persönlichkeitsrechtsverletzungen einzuführen sei Sache der Legislative.

Prinz und Peters umschiffen diesen Streitpunkt und gehen bei ihrer Kommentierung noch über die gerichtlich gesteckten Grenzen hinaus: Während das OLG Hamburg bei der Bemessung von Geldentschädigungen ausdrücklich eine Orientierung an betriebswirtschaftlichen Vorteilen des Verlegers ablehnte, halten Prinz und Peters es für unerläßlich, daß ein Richter auf Werbeeinnahmen und Umsatz des Medienunternehmens schaut, „da er nur, wenn er diese Größe kennt, beurteilen kann, bei welchem Betrag mit einem echten Hemmungseffekt bei den Verantwortlichen zu rechnen ist.“

Auch jenseits des Boulevards und der Yellowpress werden solche Ausführungen nicht gerne gesehen. „Weil das Begehrlichkeiten weckt,“ so die einhellige Einschätzung aus den Verlagen. „Wenn die Leute von den hohen Summen lesen, die Prinz für Caroline von Monaco oder Ernst August von Hannover erstritten hat, glauben sie, sie bekommen auch Geld.“ Doch selbst wenn die Justitiare die juristischen Einschätzungen von Prinz und Peters nicht teilen, konsultieren müssen die das Fachbuch doch. Denn nützen werden es ihre Gegner, die Anwälte der Medien-„Opfer“. In dem Handbuch finden sie schnell die Urteile und Argumentationen, die es ihnen erleichtern, Gegendarstellungen, Unterlassungen, Richtigstellungen, Schadensersatz und Geldentschädigungen durchzusetzen.

Ob auch Redakteure und Journalisten aus dem Handbuch großen Nutzen ziehen, wie es der Verlag C.H. Beck versprach, bleibt zweifelhaft. Die Gerichtsentscheidungen, im Spannungsfeld zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrechtsschutz gefällt, beruhen, wie Prinz und Peters immer wieder betonen, allesamt auf Einzelfallabwägungen und fallen in den verschiedenen Instanzen mitunter höchst unterschiedlich aus. Wann eine Äußerung zum Beispiel eine herabsetzende, aber dennoch grundgesetzlich geschützte Meinungsäußerung und wann unzulässige Schmähkritik ist, hängt an der Einschätzung, ob die Auseinandersetzung in der Sache oder die Diffamierung der Person im Vordergrund gestanden hat. In mindestens einer Hinsicht wurde die Prinzsche Auffassung vom Medienrecht inzwischen auch schon von der Rechtswirklichkeit überholt: Der BGH hat Ende Juni entschieden, daß die Pressefreiheit nicht nur für „wertvolle“ Informationen, sondern grundsätzlich auch zugunsten der Unterhaltungs- und Sensationspresse und damit auch für Mitteilungen besteht, die lediglich das Bedürfnis einer mehr oder minder breiten Leserschicht nach oberflächlicher Unterhaltung befriedigt.


  • Matthias Prinz/Butz Peters:
    Medienrecht. Die zivilrechtlichen Ansprüche
    C.H. Beck, München 1999 DM 168

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Die Zukunft der Filmförderung

In der morgigen Plenarsitzung des Bundestages wird über die Zukunft der deutschen Filmwirtschaft entschieden, der vom Bundestagsausschuss für Kultur und Medien beschlossene Gesetzentwurf zum Filmfördergesetz (FFG) steht zur Abstimmung auf der Tagesordnung. ver.di begrüßt eine Reform der Filmförderung, denn in Zukunft müssen Filmproduktionen Tarif- und Urheber-Vergütungen verbindlich einhalten.
mehr »

Rundfunkreform mit vielen Fragezeichen

Bis zuletzt hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf ein Ende der Blockade einer Beitragserhöhung durch die Ministerpräsidenten der Länder gehofft. Die Verweigerungshaltung der Politik ließ ihnen am Ende keine Wahl: Am 19. November kündigten ARD und ZDF eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an, um ihren Anspruch auf die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) errechnete Empfehlung einer Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich durchzusetzen.
mehr »

Schon entdeckt: Das Wetter

5000 verkaufte Exemplare alle Vierteljahr, Titelseiten, die ausschließlich auf Ästhetik setzen, noch dazu mit inzwischen auf 12 angewachsenen unterschiedlichen Coverstories - zumindest bei der letzten, der immerhin schon 35. Ausgabe. „Das Wetter“-Magazin weiß sich zu präsentieren. Seit über zehn Jahren zähle es, so heißt es, zu „den schillerndsten Printmagazinen des Landes“.
mehr »

Komplett-Verweigerung der Rundfunkpolitik

Nachdem die Ministerpräsident*innen am heutigen Donnerstag zur Rundfunkpolitik beraten haben, zeichnet sich ein düsteres Bild für die öffentlich-rechtlichen Medien, ihre Angebote und die dort Beschäftigten ab. Beschlossen haben die Ministerpräsident*innen eine Auftrags- und Strukturreform und einen ab 2027 geltenden neuer Mechanismus zur Festsetzung des Rundfunkbeitrags. Nicht verabschiedet wurde jedoch der fällige Rundfunkbeitragsstaatsvertrag.
mehr »