Kongreß „Zukunft des Rundfunks in Norddeutschland – so viel Freiheit muß sein“
Die norddeutschen Gewerkschaften wollen künftig in der Rundfunkpolitik enger zusammenarbeiten und dabei auch versuchen, den Medienstandort Norddeutschland zu stärken. Aber: Wie das in der Praxis geschehen könnte, ist noch weitgehend offen.
So läßt sich das Ergebnis eines Kongresses zusammenfassen, der eine Premiere war: Zum ersten Mal hatten die norddeutschen Landesverbände des DGB, der IG Medien, der DAG und des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) zu einer gemeinsamen Tagung nach Hamburg geladen. Gekommen waren rund 100 Teilnehmer – überwiegend Betriebs- und Personalräte aus der Rundfunkbranche und Mitglieder aus Selbstverwaltungsgremien der Rundfunk- und Landesmedienanstalten. „Wir wollen mit dieser Veranstaltung dazu beitragen, daß Gewerkschaftsvertreter in den Rundfunkgremien und -betrieben mehr Kontakt untereinander finden und sich über ihre Positionen austauschen“, so beschrieb Heinz-H. Witte für den DGB-Landesbezirk Niedersachsen-Bremen das wichtigste Ziel.
Der Meinungsaustausch, nicht die Formulierung von Beschlüssen stand deshalb im Mittelpunkt des Kongresses, der den Titel „Zukunft des Rundfunks in Norddeutschland – So viel Freiheit muß sein“ trug. Unumstritten war nur eine Forderung, die Teilnehmer am Rande in einer Resolution formulierten: Der Kongreß wendet sich gegen jede Strukturreform in der ARD, die die Existenz der kleineren öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und insbesondere die Existenz von Radio Bremen gefährden könnte. Die ARD und der Finanzausgleich innerhalb der ARD müßten in ihrer jetzigen Form erhalten bleiben.
Die Grundlage für diese Position hatte der Politologe Professor Hans J. Kleinsteuber schon in seiner Eröffnungsrede gelegt. Der öffentlich-rechtliche Teil des dualen Rundfunksystems habe entscheidend dazu beigetragen, daß „das Fernsehen in Deutschland regionale Berichterstattung in einer Qualität und Vielfalt leistet, wie kein anderes Land sie kennt“. Die föderale Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks müsse deshalb gestärkt, nicht gefährdet werde. Der frühere Intendant des Saarländischen Rundfunks Manfred Buchwald formulierte es später so: „Beim ARD-Finanzausgleich geht es um 187 Millionen Mark. Bei insgesamt elf Milliarden Mark Gebührenaufkommen pro Jahr muß dieses Geld einfach übrig sein.“
In drei Plenumssitzungen und fünf Arbeitsgruppen („Foren“) des Kongresses blieben andere Positionen umstritten. Kleinsteuber erneuerte beispielsweise die Forderung, die Regulierung des Rundfunks nicht mehr allein den Ländern zu überlassen, sondern Bund-Länder-Einrichtungen zu schaffen, die Fragen des digitalen Fernsehens und der neuen Online-Medien bundeseinheitlich regeln könnten (Stichwort „Kommunikationsrat“). Andere Teilnehmer mochten dem nicht folgen; sie befürchten auch hier eine Aufweichung des föderalen Systems.
Mit ähnlichen Argumenten lehnte das Forum E des Kongresses die von Schleswig-Holstein geforderte Zusammenlegung der norddeutschen Landesmedienanstalten zu einer gemeinsamen Anstalt ab. Daß ein solcher formaler Schritt die Qualität und Wirtschaftlichkeit des privaten Rundfunks in Norddeutschland verbessern könne, sei derzeit nicht ersichtlich.
Skeptisch beurteilte der Kongreß die Perspektiven des Fernsehstandorts Hamburg. Die Konkurrenz anderer Medienstädte wie Köln, München und Berlin habe zu einem „Subventionswettlauf“ geführt, in dem der Stadtstaat Hamburg nicht mithalten könne, lautete ein Ergebnis im Forum B; deshalb sei „eher nicht damit zu rechnen“, daß die Zahl der Arbeitsplätze in der TV-Wirtschaft in Hamburg weiter wachsen werde. Hamburg tue gut daran, statt dessen die Multimediabranche als künftige Wachstumsindustrie zu fördern.
Vollends offen blieb die Frage, ob und wie der Konzentrationsprozeß beim Privatfernsehen gebremst werden könnte. Daß das kommer-zielle Fernsehen „praktisch nur noch von zwei Konzernen (Bertelsmann und Kirch) beherrscht wird“, kritisierten zwar viele Kongreßteilnehmer; Ideen, wie die (erzwungene oder selbstverordnete?) Ohnmacht der Kartellbehörden zu überwinden sei, blieben aber aus. Die Gewerkschaften, so schien es, setzen fast ausschließlich darauf, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Gegengewicht zu den Privaten zu erhalten und zu stärken.