Mit Google im Geschäft

US-Zahlungen auch für deutsche Autoren

„Google Settlement“ – sogar der Begriff ist mittlerweile geläufig und bringt in der weltbekannten Suchmaschine 9,5 Millionen Ergebnisse, davon 87.500 auf Deutsch. Selten, um nicht zu schreiben: nie, hat ein Urheberrechtsthema in Deutschland eine derartige Welle an Medienberichten und kontroversen Debatten ausgelöst. Vieles nicht nur bar jeder Sachlichkeit, sondern auch Sachkenntnis.

Um beides hat sich die VG Wort bemüht, seitdem am 28. Oktober 2008 der außergerichtliche Vergleich über die „Google Book Search“ zwischen dem Internet-Konzern und der US-Autorengewerkschaft Authors Guild sowie dem Verlegerverband Association of American Publishers bekanntgegeben wurde. Zwar ist die Entrüstung darüber, dass Google unter Missachtung des Urheberrechts rund sieben Millionen Bücher in US-Bibliotheken eingescannt hat, um sie im Internet verfügbar zu machen, nur allzu berechtigt, doch wird diesen Fakt kein Appell rückgängig machen. Wenn das Settlement Ende 2009 durch das zuständige New Yorker Gericht endgültig bestätigt werden sollte, gilt der Vergleich als „class action“ nach US-Recht auch für Autoren und Verlage von zehntausenden deutschen Büchern und anderen Schriften, die digitalisiert wurden.
Das Google-Settlement sieht Zahlungen für die Vergangenheit (60 Dollar pro Buch), den Aufbau eines Internet-Buch-Registers, die Möglichkeit, Texte aus diesem herauszunehmen (Opt-out), sowie eine individuelle Beteiligung von Autoren und Verlagen in Höhe von 63 Prozent an künftigen Erlösen durch dort verfügbare Texte vor.
Dass die VG Wort die Rechte aus dem Google-Settlement für Autoren und Verlage gemeinsam wahrnehmen soll, darüber waren sich die VG Wort, ver.di und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels einig. Vorbereitet von einer gemeinsamen Arbeitsgruppe wurden die hierfür erforderlichen Ergänzungen des Wahrnehmungsvertrags und Inkassoauftrags für das Ausland einmütig von der Mitgliederversammlung der VG Wort am 23. Mai 2009 beschlossen (bei nur einer Gegenstimme).
Der Beschluss sieht vor, dass die VG Wort die Vergütungsansprüche für die bis zum 5. Mai 2009 von Google digitalisierten Werke einzieht. Gleichzeitig wird die VG Wort ermächtigt, die in Deutschland erschienenen Werke aus der Google Book Rights Registry zurückzuziehen. Verbunden ist dies mit dem Recht, in Zukunft digitale Nutzungen von vergriffenen Werken zu lizenzieren, wenn die jeweiligen Rechteinhaber dies gegenüber der VG Wort erklären. Dies gilt nur für vergriffene, nicht aber lieferbare Werke. Solche Lizenz-Vereinbarungen können nicht nur mit Google, sondern auch für andere Digitalisierungsprojekte abgeschlossen werden. Außerdem wurde der VG Wort das Recht eingeräumt, digitale Vervielfältigungen zum ausschließlichen Zweck der Anzeige von bibliografischen Daten im Internet zu genehmigen.
Durch den VG-Wort-Beschluss ist gewährleistet, dass die Verwertungsgesellschaft die entsprechenden Rechte fristgerecht geltend machen kann, wenn der Vergleich in den USA endgültig bestätigt wird. So kann der „Schadensersatz“ in Höhe von 60 Dollar für die vorgenommenen Digitalisierungen eingezogen werden. „Gleichzeitig wird sichergestellt, dass Autoren und Verlage in Zukunft über die digitale Nutzung der urheberrechtlich geschützten Werke selbst entscheiden“, sagte VG-Wort-Geschäftsführer Robert Staats. „Das Urheberrecht wird also wieder vom Kopf auf die Füße gestellt.“
Ver.di hat den Beschluss ausdrücklich begrüßt: „Dieser Schritt zur Wahrnehmung der Urheber-Interessen und der gleichfalls in der VG Wort vertretenen Verlage ist die richtige und notwendige Reaktion auf die Entwicklung im Internet“, sagte der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke.

Was Autoren jetzt machen sollten

Zunächst wird die VG Wort ihre mehr als 390.000 Wahrnehmungs- und Bezugsberechtigten über die Beschlüsse und das weitere Verfahren informieren. Den Änderungen des Wahrnehmungsvertrages und des Ausland-Inkassoauftrags muss nur widersprechen, wer seine Rechte aus dem Google-Vergleich individuell wahrnehmen will.
Die künftige Lizenzierung für Google und andere Digitalisierungsprojekte muss von den jeweiligen Rechteinhabern ausdrücklich schriftlich erklärt werden. Dazu wird die VG Wort ein Online-Portal einrichten. Autoren von vergriffenen Werken sollten rechtzeitig prüfen, ob sie die Rechte vom Verlag zurückgerufen haben. 

Weitere aktuelle Beiträge

Für ein digitales Ökosystem

Markus Beckedahl, Journalist und Gründer des Online-Portals www.netzpolitik.org, erkennt  im System des öffentlich-rechtlichen Rundfunk den Ort, wo alternative digitale Infrastrukturen gut entwickelt werden können. Ungarn und Polen haben es vor Jahren gezeigt, die USA erleben es gerade aktuell und die Welt scheint dabei zuzuschauen: Die Aushebelung demokratischer Strukturen durch gewählte Regierungen.
mehr »

Rechte Influencerinnen im Netz

Rechtextremismus und rechte Parolen verbinden viele Menschen automatisch mit testosterongesteuerten weißen Männern. Diese Zielgruppe füttert AfD-Politiker Maximilian Krah mit simplen Parolen wie: „Echte Männer sind rechts.“ Das kommt an bei Menschen, die im Laufe der Zeit irgendwann beim „Gestern“ stecken geblieben sind. Inzwischen verfangen solche rechten Klischees auch bei Frauen. Vor allem im Internet.
mehr »

KI macht Druck auf Suchmaschinen

Die Künstliche Intelligenz frisst den Traffic: Das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) meldet massive Einbrüche bei der Suchmaschinen-Nutzung aufgrund von Chatbots bei Google oder ChatGBT. Weil viele Nutzer*innen sich mit den Zusammenfassungen von KI zufrieden geben, klicken sie nicht mehr weiter zu den Websites, von denen die Informationen bezogen werden.
mehr »

Sicher ist sicher: Eigene Adressen sperren

Journalist*innen sind in den vergangenen Jahren vermehrt zum Ziel rechter Angriffe geworden. Die Zahl tätlicher Übergriffe erreichte 2024 einen Rekordwert, so eine aktuelle Studie des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig. Die Autoren benennen die extreme Rechte als strukturell größte Bedrohung für die Pressefreiheit. Einschüchterungen oder sogar körperliche Übergriffe geschehen mitunter direkt an der eigenen Haustür. Den damit verbundenen Eingriff in das Privatleben empfinden Betroffene als besonders belastend.
mehr »