Noch kein Alter

60. Geburtstag der dju in ver.di – Zeit für Selbstreflexion

„Journalismus ist immer noch ein herrlicher, bedeutsamer Beruf.“ „Vergessen Sie nie: Sie tragen eine große Verantwortung für den Fortbestand unserer freiheitlich-rechtsstaatlichen Demokratie.“ Viel Ermutigung war in den Festansprachen für die Jubilarin dju zu hören, die sich lebendig und kämpferisch gibt. Obwohl „60 Jahre noch kein Alter sind“, wie Volker Lilienthal, Professor für Qualitätsjournalismus an der Uni Hamburg, in seiner Rede tröstete, war dennoch Selbstreflexion angesagt.


Festakte werden gern zum Anlass genommen, große Gedanken auf ihre Alltagstauglichkeit abzuklopfen. So erklang das politische Vermächtnis des griechischen Komponisten Mikis Theodorakis „Nichts ist wichtiger und kostbarer für den Menschen als die Freiheit“ nicht nur in den Liedern der Chemnitzer Gruppe Quijote, sondern zog sich wie der Gedanke von Gemeinschaft und Verantwortung durch die gesamte Abendveranstaltung.
Im Rückblick auf die Anfänge rief ver.di-Vorsitzender Frank Bsirske ins Gedächtnis, dass die Gründung der Fachgruppe Journalisten am 1. April 1951 in der IG Druck und Papier nicht als berufsständischer Verband, sondern innerhalb einer damals „natürlichen Gemeinschaft mit Schriftsetzern und Druckern“ erfolgte. Es brauchte dann 15 Jahre, bis die dju als Verhandlungspartnerin von den Arbeitgebern akzeptiert wurde – erkämpft erst durch eine Streikandrohung der Drucker in NRW. Dass die dju wichtiger Bestandteil in einer großen, von vielen getragenen Gewerkschaft ist, zeigten Aktionen wie der Kampf um den ersten Manteltarifvertrag 1966 oder den ersten Tarifvertrag für Freie elf Jahre später. Die ver.di-Gründung vor zehn Jahren ließ die dju nicht verschwinden, sondern sorgte für die Wiederbelebung der Marke dju. So durch intensive öffentliche Debatten über die Aufgaben von Journalisten in einer demokratischen Gesellschaft und die Qualität journalistischer Arbeit.

Mehr Haltung bitte!

Professorin Jutta Limbach, einstige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts und vormalige Berliner Justizsenatorin, betrachtete die Rolle der Journalisten in einer demokratischen Gesellschaft aus verfassungsrechtlicher Sicht. Durch Aufklärung und Gedankenaustausch Bürgerinnen und Bürger geistig am politischen Geschehen zu interessieren und zu mobilisieren sei eine Leistung des Journalismus. Die dafür nötige Meinungs- und Pressefreiheit erachte das Bundesverfassungsgericht als konstituierendes Element einer freiheitlichen Demokratie.
Beim Exkurs in die Wirklichkeit betonte Limbach u.a., dass Pressefreiheit immer auch ein individuelles Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe bedeute. Politischer Druck nötige in Krisenzeiten nicht selten zur Selbstzensur. „Auch in einer freiheitlichen Demokratie setzen die Wissbegier, die unbeirrte Wahrheitssuche und kritische Berichterstattung unerschrockene Journalistinnen und Journalisten voraus“, sagte Limbach und wünschte: „Bleiben Sie unerschrocken und leidenschaftlich zugleich.“
„Kritik und Verantwortung in der Berufsausübung“ – Prof. Dr. Volker Lilienthal ging mit diesem Thema das „Wagnis ein, zwei Elemente zusammenzuspannen, die man auch für Antipoden halten könnte“. Im Rahmen der Pressefreiheit habe jeder Journalist ein Recht zur Parteinahme, er dürfe politisch, er dürfe engagiert sein. Zu kritisieren seien Kampagnenjournalismus und ideologische Verhärtungen, zu beobachten eine weitgehende Entpolitisierung, eine Zeitstimmung, in der Standpunkte nicht mehr erkennbar seien. Berufskollegen hätten darauf mit dem Ruf nach „Mehr Haltung bitte!“ reagiert. „Worum es geht, ist erkennbare Haltung – erkennbar in journalistischen Produkten. Daran selbstkritisch zu arbeiten, gibt es Anlass genug“, mahnte Lilienthal die „Rückbesinnung auf das Kerngeschäft“ an. „Haltung meint unabhängiges Recherchieren, Berichten und Kommentieren im Geiste radikaler Freiheit, aber auch in der Verantwortung gegenüber schützenswerten Gütern wie der Demokratie.“
dju-Vorsitzender Ulrich Janßen zielte auf die „dju in ver.di“, mit der Journalisten bewusst in derselben Gewerkschaft wie Drucker, Kaufleute, Sekretärinnen oder IT-Spezialisten sind, weil „wir alle es in den Medienhäusern und Druckereien mit demselben Gegenspieler zu tun haben.“ Zurzeit testeten Arbeitgeber, wie weit sie es treiben könnten mit dem Rückbau der Tarife. „Das gilt gleichermaßen für die Redakteure, die Verlagsangestellten und die Druckindustriebeschäftigen. In den aktuellen Tarifrunden gibt es wenig Trennendes und sehr viel Gemeinsames.“ Mobilisierung habe „mehr als in der Vergangenheit zu tun mit Bewusstsein wecken, aufklären und aktivieren“. Die Aktion Tarif.Aktiv sei ein Beispiel. In den Verlagen werde damit die Diskussion lebhafter, entwickele sich Kampfkraft. „Und das fühlt sich gut an“, verbreitete der dju-Vorsitzende Zuversicht. „Kämpfen kann auch Freude machen und gewinnen sowieso.“
Aidan White, Generalsekretär der Internationalen Journalisten-Föderation (IJF) hob hervor, dass die zwei deutschen Mitgliedsorganisationen dju und DJV stets starke und solidarische Partner im Ringen um Meinungs- und Medienfreiheit seien, deren Engagement von der IJF hoch geschätzt werde. White gratulierte der dju in ver.di zu ihrem 60. Jubiläum und versicherte die Unterstützung der internationalen Journalistengemeinschaft für die bevorstehenden harten Auseinandersetzungen.

 

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