Nur mit Fußfessel

Die Länderchefs und -chefinnen haben sich lange geziert, aber nun ist es amtlich: ARD und ZDF dürfen ein Programm veranstalten, das sich an junge Zuschauer zwischen 14 und 29 Jahren richtet. Dabei war der Systemfehler schon bei der Konzeption des Kinderkanals offenkundig: Seither gibt es zwar ein Angebot für die Zielgruppe 3 bis 13, doch die Jugendlichen hat man den Privatsendern überlassen.

Jetzt soll der Jugendkanal die Lücke zwischen Kika und „Musikantenstadl” schließen, aber bloß im Internet, und das ist nur die zweitbeste Lösung. Die Politik hat zwei Schritte vor und gleich wieder einer zurück gemacht; „Chance vertan” ist der Tenor der Reaktionen. Das Netz ist für die digitalen Eingeborenen zwar in der Tat eine beliebte Nutzungsquelle, auch für TV-Angebote; das heißt jedoch keineswegs, dass sie das klassische Fernsehprogramm überhaupt nicht mehr auf der Rechnung haben. Auch die publizistische Aufmerksamkeit ist im digitalen Zeitalter nach wie vor auf das Massenmedium Fernsehen ausgerichtet; selbst reine Internet-Organe schreiben viel lieber über die gute alte „Glotze” als über Videos, die es nur im Netz gibt.

Es waren vor allem die Vertreter der unionsgeführten Bundesländer, die sich gegen eine trimediale Ausrichtung ausgesprochen haben. Begründet wurde dies mit Schwächen des Konzepts, doch bei den traditionell wirtschaftsfreundlichen CDU-Politikern dürfte noch ein weiterer Aspekt eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben: Jedes jugendaffine TV-Angebot bedeutet automatisch Konkurrenz für die Privatsender; gleiches gilt natürlich fürs Kommerzradio. Dabei heißt es im Konzept für den Jugendkanal ausdrücklich, das Programm werde dem „ökonomischen Kalkül der Privatsender Qualität und eine Orientierung am gesellschaftlichen Informationsbedürfnis” entgegensetzen.

Schon diese Selbstvorgabe wird zwangsläufig zum Spagat führen; der Jugendkanal soll und darf ja keine reine Spaßveranstaltung werden. Trotzdem muss der Sender Unterhaltung bieten, aber als reines Internet-Angebot wird er Probleme beim Rechteerwerb etwa von Musikveranstaltungen bekommen. Kein Wunder, dass SWR-Chef Peter Boudgoust als Initiator des Projekts enttäuscht feststellt, der Jugendkanal müsse mit einer „Fußfessel” leben; entsprechend schwer werde es, ihn „zum Fliegen zu bringen.”

Weitere aktuelle Beiträge

Weimer, ein konservativer Kulturkämpfer

Der neue Staatsminister und Bundesbeauftragter für Kultur und Medien Wolfram Weimer gilt politisch als Vertreter des liberal-konservativen Spektrums. Als ausgewiesener Kenner der Kulturpolitik war er bis zu seiner überraschenden Berufung im Mai nicht aufgefallen. Dagegen kann er aufgrund seiner vielfältigen Erfahrungen als Chefredakteur diverser Blätter (Welt, Cicero, Focus) sowie als Verleger des Magazins The European im Medienbereich eine beachtliche Expertise vorweisen.
mehr »

Der Schutz muss für alle gelten

Das israelische Militär hat ein Pressezelt im Gazastreifen angegriffen und dabei mehrere Journalisten des Senders Al-Dschasira getötet. Darunter Anas Al-Sharif, den die israelische Regierung als Terroristen bezeichnet. Für die Pressefreiheit ist das eine Katastrophe.
mehr »

Rechte Gratiszeitungen machen Meinung

In Ostdeutschland verbreiten kostenlose Anzeigenblätter zunehmend rechte Narrative – etwa der Hauke-Verlag in Brandenburg. Unter dem Deckmantel von Lokaljournalismus mischen sich Werbung, Verschwörungserzählungen und AfD-Propaganda. Möglich wird das auch wegen der Krise des Lokaljournalismus: Wo es kaum noch Medienvielfalt gibt, füllen rechte Angebote die Lücken.
mehr »

dju: Kritik an Anti-SLAPP-Entwurf

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di fordert Nachbesserungen am Referentenentwurf für ein Anti-SLAPP-Gesetz. Mit dem Gesetz soll das Problem der strategischen Einschüchterungsklagen gegen kritische Berichte von Journalist*innen, Aktivist*innen und Wissenschaftler*innen eingedämmt werden. Die dju kritisiert die im Entwurf bestehenden juristischen Schlupflöcher.
mehr »