Im Blick der Staatsanwaltschaft: der Chefredakteur von „Meine Zeitung“
Eine Kinderzeitung erregt in diesem Frühjahr eine eher ungewöhnliche Aufmerksamkeit. Nicht nur Kinder und Medienjournalisten interessieren sich für die 2005 gestartete „Meine Zeitung“, sondern auch Wirtschaftsjournalisten, wütend bloggende Ex-Mitarbeiter, auf ihren Rechnungen sitzengebliebene Druckereibesitzer, Staatsanwälte und Arbeitsvermittler.
Als Herausgeber und Chefredakteur Turgay Yagan seine Kinderzeitung für Jungen und Mädchen von acht bis 13 Jahren in seiner Düsseldorfer Fame Company im März 2005 mit einer täglichen Auflage von 30.000 Exemplaren zunächst in Nordrhein-Westfalen auf den Markt brachte, wurde seine Idee vom Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) freundlich begrüßt und durchaus Interesse der Werbewirtschaft vermutet. Der BDZV konstatierte zwar, dass solche Projekte bis dato immer an den Kosten gescheitert seien, doch wünschte der Verband dem Verleger das Glück „auf der Pisawelle mitzuschwimmen“.
„Spiegel online“ kommentierte Anfang April 2005 die Investition des Verlegers als „risikoreich“, die von vier Redakteuren gemachte „Meine Zeitung“ als journalistisch artig“. Der Deutschlandfunk beurteilte die Pläne Yagans in seinem Magazin „Markt und Medien“ Mitte Mai 2005 als „ehrgeizig“. Die Auflage war bis dahin auf 60.000 Exemplare gestiegen. Etwa zwei der zwölf Seiten sollten künftig für Werbung zur Verfügung stehen, um eine Auflage von 100.000 möglich zu machen, finanziert von Abonnements, Kioskverkauf und eben Anzeigen.
Schon im Januar 2006 berichtete der Deutschlandfunk über ein nur noch unregelmäßiges Erscheinen und den Beginn einer Städte-Odyssee des Verlegers von Düsseldorf über Berlin nach Hamburg, mit immer neuen Verlagsnamen. In Düsseldorf hatten Druckereien Anzeige wegen offener Rechnungen im Wert von rund 350.000 Euro gestellt. Mehrere Arbeitsgerichtsprozesse waren anhängig.
Inzwischen sitzt Turgay Yagan nach weiteren Stationen und weiteren offenen Druckereirechungen, darunter auch bei der Frankfurter Allgemeinen, mit seinem jetzt Tura Verlag genannten Unternehmen im brandenburgischen Bernau, wie das rbb-Magazin „WAS“ berichtete, nachzulesen auf rbb-Online unter dem Datum des 1. Februar 2010. Das Wirtschaftsmagazin informierte über Mitarbeiter, die in Bernau um ihren Lohn geprellt wurden, und über die Arbeitsagentur Eberswalde, die bei einer Arbeitsaufnahme im Tura Verlag zur Vorsicht rät. Am 30. März postete ein Blogger auf turgayyagan.wordpress.com die drei Jahre alte Warnung der Kölner Bezirksregierung an die öffentlichen Bibliotheken, keine Abonnements mit „Meine Zeitung“ einzugehen, da in Nürnberg der Staatsanwalt von erbosten Eltern in dieser Hinsicht auf die Fährte leerer Versprechungen geschickt worden war. Am 12. April 2010 schickte dann das ZDF-Wirtschaftsmagazin „WISO“ seinen Fernsehdetektiv auf die Spuren Yagans, bei dem sich in Bernau seine Abneigung Gehälter zu zahlen mit seiner Zuneigung zu staatlichen Eingliederungshilfen für Arbeitslose gepaart habe. Yagan griff der Ausstrahlung per Twitter um wenige Tage voraus: „Ich bin ein Betrüger!!!“ ist seitdem auf seiner Internetseite casimir-preis.de unter „Neuigkeiten“ zu finden. Der Düsseldorfer Staatsanwalt erzählte dem „WISO-Fahnder“ von einer Verurteilung Yagans wegen Betrugs und Insolvenzverschleppung in erster und zweiter Instanz zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung, allerdings auch von der Aufhebung des Urteils in der Revision. Der Staatsanwalt bereitet sich auf eine neue Runde gegen den Kinderzeitungsverleger vor. „Es gibt kein Urteil!“, erklärte Yagan auf Nachfrage von M und sieht sich einer „Hexenjagd“ ausgesetzt.
Laut Internetseite des Tura Verlags sollte am 20. März 2010 im Berliner Umweltforum die Verleihung des Casimir-Preises der Kinderzeitung stattfinden. 400 Gäste würden erwartet. Die Veranstaltung sagte Yagan wegen Krankheit kurzfristig ab. Seine Sicht der Dinge wolle er im Oktober als Buch veröffentlichen, Titel „Die Karawane“.
Yagan erklärte WISO auf Anfrage schriftlich, es sei sein gutes Recht in Insolvenz zu gehen – wie andere Unternehmen schließlich auch. „Ich habe in diesem Land viel bewegt. Werde noch viel bewegen.“