Print, nein Danke?

Veränderte Mediennutzung eröffnet neue Perspektiven für Qualitätsjournalismus

Unter Medienwissenschaftlern ist es unumstritten, dass sich die Medien bereits jetzt in einer gewaltigen Umbruchphase befinden. „Print, nein Danke“ betitelte der Trierer Medienwissenschaftler Steffen Büffel provokant seinen Impulsvortrag für ein kürzlich stattgefundenes Seminar für Lokaljournalisten und beendete jedes vorgetragene Argument wider die Druckbranche mit dem Slogan „Print ist tot!“.

Unstrittig ist: Die Tageszeitung verliert in der Mediennutzung gegenüber allen anderen Medien deutlich. Der amerikanische Medienprofessor Philip Meyer prophezeit angesichts des anhaltenden Niedergangs der Druckauflagen, dass die letzte Zeitung im ersten Quartal des Jahres 2043 gedruckt wird. Die Medienwissenschaftler Castulus Kolo und Robin Meyer-Lucht stellten bei einer Untersuchung der Allensbacher Werbeträger-Analyse (AWA) und der Computer- und Technik-Analyse (ACTA) aus den Jahren 2001 bis 2006 fest, dass sich die Intensivleser immer stärker von den Abotageszeitungen ab- und den Nachrichtensites zuwenden.

Mehr relevante Inhalteanbieter

Auch die Interviewserie der Süddeutschen Zeitung zur „Zukunft der Medien“ zeigte, dass sich Printmedien in den nächsten Jahren deutlich wandeln müssen, wollen sie in der sich rasant wandelnden Medienlandschaft überleben. Die entsprechenden langfristigen Trends sind heute bereits zu erkennen: Die neuen Medien gefährden die Gatekeeper-Funktion der traditionellen Medien – und untergraben damit ihre ökonomische Bedeutung. Früher konnten sich Zeitungen auf eine Distributionshoheit in ihrem angestammten Verbreitungsgebiet verlassen. Heute sind im Internet alle Angebote gleich schnell verfügbar und über Dienste wie Google News sogar miteinander vergleichbar. Gatekeeper sind unter diesen Bedingungen nur diejenigen Anbieter, die exklusive Inhalte liefern können.
Gleichzeitig sinken nicht nur die Auflagen, den Verlagen bröckeln auch kontinuierlich die Anzeigen weg, weil Unternehmen und Privatpersonen zunehmend auch für Anzeigen ins Netz gehen. Weil Anzeigen Artikel finanzieren und der Verkauf die Distribution, werden Honorare eingefroren oder gekürzt und Redakteure entlassen. Das Internet selbst bietet aber noch keine ausreichende Werbefinanzierung an, obgleich immer mehr Leser ins Netz abwandern. Alternative Finanzierungsmodelle wie Abonnements oder kostenpflichtige Archive haben sich nicht bewährt.
Klassische Medien sind schon lange nicht mehr die einzigen relevanten Inhalteanbieter. Eine gewisse Medienkompetenz vorausgesetzt, kann jeder eigene Inhalte veröffentlichen – in einem Blog, einem Wiki, in Foto- und Videoplattformen oder innerhalb sozialer Netzwerke wie Xing und SchülerVZ. Damit erweitert sich die Reichweite des einzelnen enorm. Gleichzeitig erschließen sich so immer kleinere Teilöffentlichkeiten, die den Informationsaustausch zwischen beliebig kleinen Interessensgruppen ermöglichen. Syndizierungsdienste und -werkzeuge wie RSS befähigen internetaffine Leser, sich eigene maßgeschneiderte Angebote aus verschiedensten Medien zusammenzustellen. Dies führt aufgrund der durch die Werkzeuge hergestellten hohen Vergleichbarkeit insbesondere bei Anbietern von Themen von allgemeinem Interesse zu einem hohen Wettbewerb. Konsolidierung und Spezialisierung sind als Folge absehbar.

 Angebote zur Orientierung

Angebote wie Perlentaucher und Brijit, die Zusammenfassungen und Übersichten zu gedruckten Erzeugnissen bieten, kommen dem Leserbedürfnis nach einer schnellen Orientierung in den Informationsfluten entgegen. In diesem Zusammenhang fielen die Verlage der Qualitätszeitungen SZ und FAZ mit dem vor dem Oberlandesgericht gescheiterten Versuch auf, die Zusammenfassung ihrer Buchrezensionen durch den Perlentaucher gerichtlich zu untersagen. Gleichwohl werden Einordnungs- und Bewertungsleistungen zunehmend auch von automatisierten Aggregationsdiensten wie Wikio, Rivva oder Facts 2.0 übernommen.
Angesichts dieser Entwicklungen geht es darum, wie es der Medienwissenschaftler Robin Meyer-Lucht elegant formuliert, „Optionen anzubieten, die die Haltung des Qualitätsjournalismus entfalten – in der Zeitung und im Internet“. Dabei hilft ein genauer Blick auf die Blogosphäre neue Perspektiven zu entwickeln.

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