Gegen die geplante Fusion von Radio Kultur und Radio
Im Sender Freies Berlin wächst der Widerstand gegen die geplante Schrumpfkur beim Kulturradio. Ende April demonstrierten 70 Beschäftigte der beiden Kulturwellen Radio 3 und Radio Kultur gegen die von der Intendanz beabsichtigte Reduzierung von Sendezeit und Etatmitteln vor dem Sendergebäude in der Masurenallee.
Die umstrittenen Pläne laufen auf eine Fusion der beiden erst vor zwei Jahren neukonzipierten Kulturprogramme hinaus. Radio 3 ist eine Gemeinschaftswelle von SFB, ORB und NDR. Der NDR liefert ein Klassik-Mantelprogramm, zu dem SFB und ORB ein mehrstündiges regionales Fenster beisteuern. Die jährlichen Programmkosten betragen 1,6 Millionen Mark. Radio Kultur läuft unter Regie des SFB und sendet eine Mischung aus Kultur und Politik mit einem vielfältigen Musikangebot. Ungenügende Trennschärfe und und willkürliche Frequenzwechsel trugen dazu bei, daß die Hörerresonanz bislang eher unbefriedigend ausfiel (M 3/99).
Bei der Rückwärtsreform stehen nach Auskunft des Redakteurausschusses zwei Konzepte zur Debatte. Das Modell des SFB/ORB-Hörfunkkoordinators bei Radio 3, Wilhelm Matejka, sieht ein klassikzentriertes 12-Stunden-Programm aus dem Großraum Berlin-Brandenburg vor, eingehüllt in den bisherigen NDR-Mantel. Vom bisherigen Radio Kultur, dem die ersatzlose Einstellung droht, könnten nach diesem Plan nur wenige Wortanteile übernommen werden. Da dieses Modell den Low-Budget-Ansatz von 1,6 Millionen Mark kaum überschreiten soll, genießt es das besondere Wohlwollen der SFB-Geschäftsleitung.
Ein Alternativvorschlag der Radio-Kultur-Chefin Ina Götz setzt mehr auf den Erhalt regional-journalistischer Vielfalt in Sachen Kultur und Politik. Götz lehnt eine allzu strenge Klassik-Formatierung ebenso ab wie einen NDR-Mantel. Im Gegensatz zum Matejka-Konzept ist dieses Modell dem SFB-Rundfunkrat bislang offiziell noch nicht präsentiert worden.
Für Empörung bei den Betroffenen sorgt vor allem der Umstand, daß nach dem von der Intendanz favorisierten Plan ein Drittel des Kulturprogramms künftig vom NDR übernommen werden soll. „Statt das eigene Angebot zu beleben und attraktiver zu machen“, so wettert der Redakteursausschuß, will die SFB-Geschäftsleitung Rahmenbedingungen setzen, die das verhindern“. Die derzeit 27 Stunden Kulturprogramm, die täglich aus der Masurenallee gesendet würden, würden nach der Rückwärtsreform auf nur noch 12 Stunden eingedampft. Zudem solle ausgerechnet der „einschaltträchtige Vormittag“ an den NDR abgegeben werden. Um auf einen Schlag 3,7 Millionen Mark einzusparen, wolle die Geschäftsleitung eine „Mogelpackung“ auf den Markt bringen: „Kultur steht drauf, Musik ist drin.“
Unter dem Motto „Kultur gehört nach Spreeathen – und nicht an die Leine“ appelliert er an die Verantwortlichen, die SFB-ORB-Hörfunkkultur „aus eigener Kraft“ zu gestalten. Der SFB-Personalrat unterstützt den Protest der Betroffenen. Er wendet sich gegen eine Beteiligung des NDR, die nur dazu führe, daß der Musikanteil stark erhöht und „der Kultur das Wort abgeschnitten“ werde.
Auch aus dem Berliner Kulturleben nehmen die Warnungen vor einem Kulturradioabbau zu. Der „Rat für die Künste in Berlin“ sprach sich in einem Schreiben an SFB-Intendant Horst Schättle gegen die Schließung von „Radio Kultur“ aus. Es sehe so aus, als unterschätze der SFB Berlin als Metropole der Wissenschaften und internationalen Künste“, zitiert der „Tagesspiegel“ den Intendanten des Berliner Philharmonischen Orchesters, Elmar Weingarten.
Auf einer öffentlichen Podiumsdiskussion in der Akademie der Künste zum Thema „Wie viel Kulturadio braucht die Hauptstadtregion?“ verteidigte SFB-Intendant Horst Schättle die anvisierten Kürzungen. Er verwies auf den Zusammenhang zwischen den Marktanteilen eines Programms und der Gebührenlegitimation. Lege man einen modernen Kulturbegriff zugrunde, „machen wir in der Region vielleicht sogar da und dort ‘n Schlag zuviel“. Unmut erregte der Intendant bei den Teilnehmern, als er versuchte, die Programme SFB-Multikulti und InfoRadio gegen die Kulturwellen auszuspielen. Der Schriftsteller Jens Sparschuh warnte vor den Folgen der geplanten Schrumpfkur. Es könne nach der Abschaffung von Radio Kultur doch nicht nur „die Alternative zwischen reiner Radio-3-Klassik und dem reinen Blödsinn des privaten Rundfunks“ geben. Für Hanna-Renate Laurien, Ex-Präsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses, sind die kulturellen Ansprüche der Radiohörer in der Region nicht mit der Formel „besser und weniger“ zu erfüllen. „Das geht nur, wenn ich eine Soße einkoche.“