Quo vadis, Deutsche Welle?

Mittelkürzung und Radikalreform beim deutschen Auslandsfunk

Die Weichen für den geplanten radikalen Umbau der Deutschen Welle sind gestellt. Im April gab der Bundestag mit großer Mehrheit grünes Licht für die strukturelle Neuausrichtung des deutschen Auslandsrundfunks. Kritiker befürchten massiven Stellenabbau und eine drastische Reduzierung der journalistischen Angebote.


„Alle bauen auf – wir bauen ab!“ – mit dieser Protestlosung demonstrierten Beschäftigte der Deutschen Welle am 18. März am Standort im Berliner Wedding. Es ging darum, dem DW-Rundfunkrat vor seiner Sitzung das nötige „Problembewusstsein“ für die drohenden Personalkürzungen mitzugeben.
Ausgangspunkt der anvisierten Radikalreform war die „Aufgabenplanung 2010– 2013“, die der Sender im vergangenen Frühjahr dem Parlament vorgelegt hatte. Noch im schwarz-gelben Koalitionsvertrag hatte die Bundesregierung versprochen, die Deutsche Welle zu stärken. Im Vertrauen auf dieses Versprechen hatte die Intendanz in ihrer Planung für den Zeitraum bis 2014 einen finanziellen Zusatzbedarf in Höhe von über 20 Millionen Euro angemeldet. Derzeit verfügt die Welle über einen jährlichen Bundeszuschuss von 273 Millionen Euro. Unter dem Eindruck der aktuellen Finanzkrise hatte die Bundesregierung jedoch angekündigt, die Mittel für den Auslandsrundfunk ab 2012 zu verringern.
Das zwingt den Sender, den bereits eingeleiteten, inzwischen von Rundfunkrat, Bundesregierung und Parlament abgesegneten Umsteuerungsprozess noch zu verschärfen. Allerdings, so beteuert DW-Intendant Erik Bettermann, sei dieser Prozess nicht durch den Sparzwang ausgelöst worden. Er sei vielmehr in erster Linie eine Reaktion auf die wachsende internationale Konkurrenz und auf ein verändertes Nutzerverhalten. Technische Entwicklungen wie das Internet, der mobile Medienempfang sowie die zunehmende Medienkonvergenz hätten Kommunikationsmöglichkeiten und Mediengewohnheiten weltweit massiv verändert. Darauf müsse auch der Auslandsrundfunk reagieren.
Kernpunkte des Konzeptes sind eine Überprüfung der Übertragungswege, ein Ausbau der Internet-Präsenz, eine engere Zusammenarbeit mit ARD und ZDF sowie die Bildung von Multimediaredaktionen. Künftig will der deutsche Auslandsrundfunk vor allem auf Satelliten und Online-Übertragungen setzen. Zwar soll die DW weiterhin weltweit auf Sendung sein. „Mit Blick auf die Etatsituation müssen wir uns allerdings künftig auf Kernaufgaben und Kernregionen konzentrieren“, sagte Bettermann unlängst dem Branchenmagazin „Infosat“. Als Kernregionen gelten Afghanistan, Afrika, Nahost, Iran, China, Russland, Lateinamerika sowie ausgewählte Regionen Asiens. Zu den vorrangig adressierten Zielgruppen zählen Multiplikatoren und Informationssuchende.
Das TV-Programm wird derzeit in vier Sprachen ausgestrahlt: auf Deutsch, Englisch, Spanisch und Arabisch. Dabei handelt es sich bei den fremdsprachigen Angeboten nicht um eigenständige journalistische Beiträge, sondern um Übersetzungen aus dem Deutschen. Zusätzlich liebäugelt Bettermann (Foto) mit Programmen auf Russisch und Chinesisch. Dabei geht es nicht ohne Widersprüche ab. Dem Branchendienst „promedia“ vertraute Intendant Bettermann im Februar an, er könne sich „vorstellen, dass wir in Lateinamerika von zwei Stunden Spanisch auf ein TV-Programm mit etwa 16 Stunden täglich in spanischer Sprache umrüsten“. Neuerdings ist sogar von einer Ausweitung auf 20 Stunden die Rede. Eine solche Expansion würde mit Mehrkosten in Höhe von rund vier Millionen Euro zu Buche schlagen. Der Beisatz, dies könne kostenneutral „durch Umrüstung im Haus“ geschehen, bedeutet daher nichts Gutes für die Belegschaft. Denn was hier mehr ausgegeben wird, muss andernorts eingespart werden.
Aus der allgemeinen Empfehlung der Bundesregierung, die Kooperation mit ARD, ZDF und Deutschlandradio zu verstärken, leitet die Stellungnahme des Bundestags konkrete Vorschläge ab. So soll überprüft werden, wie die Nutzungsrechte für das Programmvermögen so gestaltet werden können, dass eine weltweit und zeitlich unbeschränkte Verbreitung durch die Deutsche Welle möglich wird. Wörtlich heißt es da: „Ziel sollte die Übernahme vielfältiger Programmangebote zur lizenzkostenfreien Nutzung sein.“ Das Ganze mit der Perspektive, „bis Ende 2011 ein rein deutsches Programm zu bilden, das überwiegend aus Programmvermögen von ARD und ZDF besteht“. Das erinnert ein wenig an den missglückten Versuch mit „German TV“, einem aus öffentlich-rechtlichen Highlights komponierten Best-of-Programm. Das ab 2002 auf Pay-TV-Plattformen vermarktete Vollprogramm fand nie genügend Zuschauer und musste bereits 2006 den Betrieb einstellen. Danach mutierte es in Nordamerika zu DW-TV.
Heute scheint ein gewisser Schmalhans als DW-Programmchef zu agieren. Für „denkbar und wünschenswert“ hält der Bundestag, dass die Welle häufiger „unbürokratisch auf das Korrespondentennetz von ARD und ZDF zurückgreift, ganz abgesehen von weiteren „redaktionellen Diensten“ im Ausland. Bereits seit 2007 übernimmt die Welle auf der Basis einer Verwaltungsvereinbarung ganze Sendungen für das deutsche Programm sowie an die 1.200 Magazinbeiträge zur Adaption für fremdsprachliche Fassungen.
Offenbar soll aber nicht nur die Kooperation mit den öffentlich-rechtlichen Anstalten erweitert werden. In der Stellungnahme der Bundesregierung zur DW-Aufgabenplanung ist etwas nebulös auch von „anderen Partnern“ die Rede. Um die Kosten zu senken, wird mittlerweile auch über eine Zusammenarbeit mit Privatanbietern wie etwa „Spiegel-TV“ nachgedacht.
Die dramatischsten Veränderungen betreffen den Hörfunk. „Radio und Deutsche Welle waren und sind seit Gründung des Auslandssenders Synonyme, jetzt bricht eine neue Ära an – mit Internet und TV als Leitmedien“, seufzte unlängst der Bonner Generalanzeiger. So sollen die „linearen“ Radioausstrahlungen über Kurzwelle auf wenige Regionen Afrikas eingeschränkt werden. Künftig werde nur noch eine Stunde tägliches Radioprogramm produziert, als Endlosschleife und abrufbar über Internet. Kein Wunder, dass am radiolastigen Standort Bonn die Angst wächst, als Hauptverlierer aus dem geplanten Umbau hervorzugehen.
Aber auch in Berlin macht sich immer mehr Unruhe breit. Dort wurden unlängst die Honorarverträge für zunächst 24 freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Tontechnik und Regie nicht verlängert. Hier handle es sich um Kollegen, die teilweise seit 20 Jahren und länger bei der Welle beschäftigt waren. Es dürfe nicht zu einer Benachteiligung von Freien kommen, moniert Inez Kühn, Bereichsleiterin Medien in der ver.di-Bundesverwaltung und Mitglied im DW-Rundfunkrat. Wo personelle Schnitte unvermeidbar seien, müssten diese sozialverträglich ausfallen. Zugleich müssten die Auswahlkriterien transparent gemacht werden.
An betriebsbedingte Kündigungen wird derzeit offenbar nicht gedacht. Bei Neueinstellungen wird ohnehin seit langem nur noch mit Zeitverträgen gearbeitet. Auch an den bestehenden Rationalisierungsschutzvertrag kann die Geschäftsleitung nicht ran, informiert Ulrich Riedel vom Gesamtpersonalrat. Nach anfänglichem Widerstand werde jetzt immerhin erwogen, einigen Kameraleuten des Jahrgangs 1954 (und älter) eine Vorruhestandsregelung anzubieten.
Unklar ist auch, wie die geplante „Trimedialität“ im Detail aussehen soll. Hörfunk- und Internetredaktionen wurden in den vergangenen Jahren bereits weitgehend zusammengelegt. Jetzt geht es bei den Fachredaktionen ans Eingemachte. Eigene Wirtschafts-, Sport- oder Kulturredaktionen für Fernsehen, Hörfunk und Internet soll es nicht mehr geben. „Künftig soll für alle Ausspielwege in einer Redaktion geplant und recherchiert werden, die Ausgestaltung erfolgt dann medienspezifisch“, sagt Bettermann. Nur so könne eine „einheitliche Handschrift des Senders“ erreicht werden. Eher beiläufig gesteht DW-Intendant Bettermann ein, dass es im Gefolge der Umstrukturierung zu einer substantiellen Verringerung des journalistischen Angebots der Welle kommen dürfte. „Nicht in jeder unserer 30 Sprachen“ erwarteten die Hörer „drei bis vier Mal täglich aktualisierte Deutschland-Nachrichten“. Ein bis zwei wöchentliche Zusammenfassungen würden auch ausreichen.
Im Rahmen des Umbaus steht auch die bisherige Arbeitsteilung zwischen den Standorten an Rhein (Radio/Internet) und Spree (Fernsehen) zur Disposition. Ob es aber der Weisheit letzter Schluss ist, wie eine Zeitlang ventiliert wurde, künftig zwischen „Global/Aktuell“ (Berlin) und „Regional/Hintergrund“ zu unterscheiden? Hier scheinen die Würfel noch nicht gefallen. Teile der zusätzlichen TV-Angebote auf Russisch und Chinesisch könnten auch in Bonn produziert werden. Ebenso ist daran gedacht, die Sendung „Deutschland heute“ nach Bonn zu verlagern, als Ausgleich für Kürzungen bei anderen Aufgaben. Die Personalräte beider Standorte, bekräftigt Ulrich Riedel, haben jedenfalls „kein Interesse daran, sich gegeneinander ausspielen zu lassen“.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Österreich: Gefahr für die Pressefreiheit

In Österreich ist die extrem rechte FPÖ bei den Nationalratswahlen stärkste Kraft geworden. Noch ist keine zukünftige Koalition etabliert. Luis Paulitsch erklärt im Interview, welche Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu erwarten sind, sollten die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl an der Regierung beteiligt werden. Paulitsch ist Jurist, Zeithistoriker und Medienethiker. Von 2019 bis 2024 war er Referent des Österreichischen Presserats, dem Selbstkontrollorgan der österreichischen Printmedien;  seit 2024 bei der Datum Stiftung für Journalismus und Demokratie.
mehr »

KI beinflusst Vielfalt in den Medien

Künstliche Intelligenz kann journalistische Texte in verschiedene Sprachen übersetzen und damit viel mehr Nutzer*innen ansprechen. Gleichzeitig kann sie aber auch Stereotype, die in diesen Texten enthalten sind, verfestigen. Gefahren und Chancen von KI-Anwendungen im Journalismus standen im Fokus der diesjährigen NxMedienkonferenz der Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM), die sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen.
mehr »

ARD & ZDF legen Verfassungsbeschwerde ein

Nachdem die Ministerpräsident*innen auf ihrer Jahreskonferenz Ende Oktober keinen Beschluss zur Anpassung des Rundfunkbeitrags ab 2025 fassten, haben heute ARD und ZDF Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßt die Initiative.
mehr »

AfD als Social Media Partei überschätzt

Eng vernetzt mit dem extrem- und neurechten Vorfeld und gezielt provozierend mit rassistischem Content: Die Landtagswahlkämpfe der AfD in Sachsen, Thüringen und Brandenburg waren von einer hohen Mobilisierung geprägt, auch über die sozialen Medien. Eine aktuelle Studie der Otto Brenner Stiftung (OBS) in Frankfurt am Main zeigt nun aber: die Auftritte der AfD auf Social Media sind weit weniger professionell als zuletzt häufig kolportiert und es gibt deutliche regionale Unterschiede.
mehr »