Radio Bremen denkt zunehmend unternehmerisch
Bei den Redakteuren von Radio Bremen (RB) sollen künftig zwei Herzen in einer Brust schlagen: Nicht mehr nur ans eigene Programm sollen sie denken, sondern nebenbei auch an eine kommerzielle Weiterverwertung ihrer Arbeit. Darauf läuft ein Reformkonzept von RB-Intendant Heinz Glässgen hinaus.
Weil die Ministerpräsidenten der Bundesländer beschlossen haben, bis Ende 2005 den ARD-internen Finanzausgleich zu halbieren, muss RB seinen Jahresetat von derzeit 190 Millionen schrittweise um über 50 Millionen Mark beschneiden. Intendant Glässgen will dafür nicht nur Stellen abbauen, Arbeitsabläufe rationalisieren und das Programmangebot ausdünnen, sondern auch neue Einnahmequellen erschließen. Die Hörfunkredaktionen, die bisher überwiegend nur für eine Welle arbeiteten, sollen zu „Fachredaktionen“ umgebaut werden, die alle Wellen beliefern. Langfristig sollen sie sogar bi- bis trimedial arbeiten, also auch fürs Fernsehen und für den Internet-Auftritt des Senders. Viele Redakteure sind da allerdings skeptisch: Nicht jeder ist ein multimediales Allround-Talent.
Nach Glässgens Vorstellungen sollen sich die Fachredaktionen wie „Profit Center“ laufend fragen: Auf welcher Welle können wir unsere Inhalte unterbringen? Und: Gibt es externe Abnehmer, denen wir Produktionen verkaufen können? Hörspiele oder Konzertmitschnitte könnten dann als CD erscheinen, und die Nachrichtenredaktion könnte Meldungen für die Internet-Seiten von Banken zusammenstellen.
Neue Tochterfirma „asap“ – „as soon as possible“
Abgewickelt würden solche Produktionen über die neue Tochterfirma „asap“ („as soon as possible“), die auch Kamerateams an andere Sender vermieten könnte – sogar an private. „asap“ würde dann jeweils im Mutterhaus nachfragen, ob RB freiwilliges Personal für solche Aufträge überlassen kann, wofür der Sender dann eine marktgerechte Vergütung erhielte. Rundfunkgebühren würden dabei nicht tangiert, verspricht Glässgen.
„Ich betätige mich lieber unternehmerisch, als Stellen abzubauen“, begründet der Intendant sein Konzept. Daneben will er aber auch das Programmangebot zusammenstreichen, zunächst im Hörfunk. Von den bisher vier Wellen sollen nur noch zwei eigenständige Massenprogramme für die Jüngeren und die Älteren übrig bleiben. Auf der dritten Frequenz wird künftig ganztägig das multikulturelle WDR-Programm „Funkhaus Europa“ ausgestrahlt, zu dem der Bremer Sender schon bisher selber Beiträge liefert. Und die hoch angesehene, aber kostspielige Kulturwelle RB 2 soll in einem neuen Gemeinschaftsprogramm mit dem NDR aufgehen, dem „Nordwestradio“. Dieses regionale Informations- und Kulturprogramm mit Hauptsitz in Bremen soll mit der Hälfte des bisherigen RB-2-Etats auskommen, was wohl nur auf Kosten von Qualität und Vielfalt zu schaffen ist. Und zu Lasten der freien Mitarbeiter.
Besondere Sorge machen sich aber auch die Beschäftigten im Fernsehunterhaltungsbereich. Wo werden noch Beleuchter oder Bühnenhandwerker gebraucht, wenn RB künftig auch bei seinen Zulieferungen fürs ARD-Gemeinschaftsprogramm spart?
50 vorzeitig im Ruhestand
Etwas Erleichterung hat aber Glässgens Zusage ausgelöst, bis Ende 2001 auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Möglich wurde dies unter anderem durch eine gut angenommene Vorruhestandsregelung: 50 Kolleginnen und Kollegen gehen vorzeitig in Rente – was allerdings in einigen Abteilungen ziemliche Löcher gerissen hat.
Als positiv bewertet Personalratschef Bernd Graul (IG Medien), dass bei „asap“-Produktionen mit RB-Beschäftigten die Tarifverträge des Mutterhauses gelten. Für etwaige Neueinstellungen der Tochterfirma soll ein eigener Tarifvertrag ausgehandelt werden. Parallel dazu strebt der Personalrat einen Sozialplan oder ein Rationalisierungs-Schutzabkommen an: Niemand soll gegen seinen Willen auf eine womöglich schlechter bezahlte Stelle versetzt werden dürfen, und zwecks weiteren Personalabbaus sollen Abfindungen angeboten werden.