Sachsen-Anhalt mit Demokratieproblem

Portrait von Günter Herkel

Günter Herkel lebt in Berlin und arbeitet als freier Medienjournalist für Branchenmagazine in Print und Rundfunk.
Foto: Jan-Timo Schaube

Meinung

Es ist nicht allzu schwer zu erraten, wer hinter dem Denkzettel steckt, den immerhin acht von 56 Abgeordneten der „Deutschland“-Koalition im ersten Wahlgang (noch drei im zweiten Wahlgang) dem CDU-Mann Reiner Haseloff bei der Wiederwahl zum Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt verpassten. Offenbar sollten hier alte Rechnungen beglichen werden. Rechnungen, die auch etwas mit der Medienpolitik im Lande zu tun haben.

Die AfD trommelt seit Jahr und Tag für eine Zerschlagung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Dass ein starker rechter Flügel in der CDU Sachsen-Anhalts nicht nur diese Position teilt, sondern ganz ungeniert die Nähe zu den Rechtsextremen sucht, ist ein offenes Geheimnis. Erinnert sei an die „Denkschrift“ der früheren stellvertretenden Fraktionschefs Ulrich Thomas und Lars-Jörn Zimmer, in der angeregt wurde, „das Soziale mit dem Nationalen zu versöhnen“. Beide gehören auch der neuen CDU-Fraktion an, ebenso wie der einstige „Kronprinz“ und Innenminister Holger Stahlknecht, den Haseloff im Dezember 2020 in den Wochen des Rundfunkstreits feuerte. Er hatte unautorisiert eine mögliche AfD-tolerierte CDU-Minderheitsregierung ins Spiel gebracht.

Gegen die teilweise mit abenteuerlichen Begründungen erfolgte rundfunkpolitische Blockade der Rechten im Landtag hatte erst Ende Juli das Bundesverfassungsgericht ein Machtwort gesprochen. Die Festsetzung des Rundfunkbeitrags müsse „frei von medienpolitischen Zwecksetzungen“ erfolgen. Mit diesem Kernsatz hatten die Hüter der Verfassung die vom Landtag durch Nichtbefassung verweigerte Erhöhung des Beitrags als verfassungswidrig zurückgewiesen.

Die trotzige Reaktion von CDU-Mann Haseloff auf das Urteil zeigte, dass da ein Unbelehrbarer das Land regiert, getrieben von den Rechtsauslegern seiner Partei und der AfD. Er diagnostizierte mit Blick auf das Abstimmungsverfahren zum Rundfunkstaatsvertrag ein „Demokratieproblem“. Es müsse möglich sein, dass ein frei gewähltes Parlament autonom entscheiden könne, unabhängig von der Empfehlung der KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten).

Der medienpolitische Teil des Koalitionsvertrags zwischen CDU, SPD und FDP legt nahe, dass die an der Landesregierung beteiligten Parlamentarier sich auch in der Zukunft das Recht reservieren, verfassungswidrig zu handeln. Wie anders soll man interpretieren, wenn da manifestiert wird, man werde künftig eine Entscheidung zur Veränderung des Rundfunkbeitrags „gegebenenfalls auch im Hinblick auf eine Abweichung von der Empfehlung der KEF“ treffen. Flankiert wird diese Position von konkreten Forderungen in Richtung Mitteldeutscher Rundfunk (MDR), den „Medienstandort Mitteldeutschland“ zu stärken. Gleichzeitig wird ein von der Medienpolitik diskutiertes alternatives Rundfunk-Finanzierungsmodell – die Koppelung des Beitrags an den Lebenshaltungsindex – explizit abgelehnt. Ein Indiz dafür, dass die Koalition auch künftig nicht auf die Möglichkeit eines Vetos in Sachen Rundfunkbeitrag verzichten will.

Ja, es gibt ein Demokratieproblem in Sachsen-Anhalt. Es wird verkörpert durch Politiker, die die Verfassung nicht respektieren.

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