Schattendasein

Urheber Drehbuchautor – Chancen und Risiken bei der Markteroberung

„Ein Film von….“ – meist folgt in Filmankündigungen dann der Name des Regisseurs, selten der des Autoren. In der Öffentlichkeit werden Drehbuchautoren wenig wahrgenommen. Das macht es ihnen schwer, entdeckt zu werden.

„Machen Sie doch mal was zum Thema ‚Geschwisterneid‘ „. Solche Vorschläge von Produzenten sind für Drehbuchautorin Sophia Krapoth öfter Zündfunke für einen neuen Stoff. Mittlerweile ist sie gut im Geschäft. Dennoch bemerkt sie eine Kluft zwischen der Wahrnehmung von Autoren und ihrer Arbeit. „Die Zuschauer sprechen oft über die Geschichte eines Filmes“, sagt sie, „selten über die Autoren“. Jürgen Kasten, Geschäftsführer des Verbands Deutscher Drehbuchautoren (VDD) stellt fest: „Einerseits werden gute Autoren gesucht, andererseits führen sie ein Schattendasein, vor allem in der öffentlichen Wahrnehmung. Dabei haben sie rechtlich als Urheber zu gelten, einen Status, den etwa Schauspieler gar nicht haben.“

Mehr kürzere Formate

Dieses Schattendasein macht es Autoren schwerer, bekannt zu werden. Die Medienkrise verschärft die Situation. „Der Markt kann vielleicht 750 Autoren ernähren“, schätzt Kasten. Die anhaltende Medienkrise habe zu einem spürbaren Produktionsrückgang besonders im Fiction-Bereich geführt. Die Vielzahl neuer Sendeformate täuscht nicht darüber hinweg. „Es hat im Fiction-Bereich nur eine Umverteilung von 90-Minuten-Formaten zu kürzeren gegeben“, sagt Kasten. Auch im Bereich Kinderfilm ist es nicht leicht, neue Filme unterzubringen. „Der NDR kauft im Jahr etwa einen bis höchstens drei Kinderfilme. Dazu kommen, auch in Koproduktion mit anderen Sendern, Beteiligungen an Kinofilmen“, erklärt Angelika Paetow vom Programmbereich Kultur, Kinder & Familie. Gefragt seien Comedy und zeitgemäße Stoffe für Drei- bis 13-jährige mit Tendenz zu den Älteren.

Serientrend ungebrochen

Von Autoren wird erwartet, dass sie Sendeplätze und -formate genau kennen. In der Praxis hakt es daran öfter. „Die Marktbeobachtung wird von Anfängern häufig unterschätzt“, sagt Kasten. „Ich habe oft den Eindruck, dass Autoren die Zielgruppe, ihre Interessen und Verhaltensweisen nicht genug kennen“, bedauert auch Paetow. „Ein Autor sollte schon das Programm von ARD / ZDF, dem gemeinsamen Kinderkanal und zumindest noch Super RTL kennen, wenn er für Kinder schreiben will“. Produzent Nico Hofmann, Geschäftsführer der Firma „teamWorx Television Film“, vertritt den Standpunkt, dass Marktbeobachtung vor allem Sache der Produzenten sei. „Aber auch hier kennen einige den Markt zu wenig“, räumt er ein.

Chancen bestehen nach Hofmanns Erfahrung vor allem im Serienbereich. Eindeutig gehe der Trend vom klassischen TV-Movie zu kürzeren und weniger kostenintensiven Formaten. „Der Markt marschiert in Richtung Serie, zum Beispiel Weeklies und Dailies“, erklärt der Produzent. Im Kommen seien „Telenovelas“, die ihren Ursprung in Brasilien haben. Wer in der Lage sei, für bereits bestehende Serien mitzudenken und mitzuschreiben, steige laut Magnus Dorn leichter ein. „Seltener sind die Chancen für eigene Serienideen“, betont der Vorsitzende des Vereins „Toptalente“, der Autoren und Producer im Film- und Fernsehbereich fördert. Anderer Meinung ist Hofmann. Ihm zufolge suchen Sender händeringend nach neuen Serienkonzepten: „Die Privatsender beschäftigen sich gerade intensiv mit der Entwicklung neuer Konzepte. Da bestehen gute Chancen, eine neue Serie zu setzen.“

Um neue Kreative zu entdecken, schreibt „Top-Talente“ zum Beispiel Ideenwettbewerbe aus. Bei Seminaren und Informationspodien können sich Autoren mit anderen Filmschaffenden austauschen und Kontakte knüpfen. „Wir haben in München mit regionalen Medientreffs begonnen und wollen das auch in anderen Medienzentren etablieren“, sagt Dorn. „Auf keinen Fall“, rät Krapoth, „sollten sich Anfänger mit Anfängern ‚verbandeln‘, sondern sich erfahrene Produzenten suchen.“ Außerdem legt sie Autoren ans Herz, das zu schreiben, was sie selbst gerne sehen würden. So habe sie „früher leidenschaftlich gerne Filme von Ernst Lubitsch und Billy Wilder gesehen.“

Talent ist keine Garantie

Der deutsche Fernsehmarkt, in Größe und Qualität führend in Europa, verlange vor allem Professionalität, ist Kasten überzeugt. „Zu allererst sollten Autoren ihr Handwerk beherrschen, also Geschichten strukturieren und Charaktere entwickeln können“ betont auch Elke Brand, eine der beiden Inhaberinnen der Medienagentur „Scipts for sale“. Aber ohne Begabung geht gar nichts. „Ein Ohr für Dialoge“ ist für Krapoth eindeutig Talentsache.

Talent und Können sind jedoch keine Garanten für Erfolg. Ein gutes Finanzpolster hilft, Durststrecken zu überstehen. „Man sollte für ein bis zwei Jahre finanziell abgesichert sein, wenn man einsteigt“, betont Brand. Krapoth erinnert sich an ihre Anfangszeiten, in denen sie nebenher gekellnert hat. „Das erste Projekt hinzukriegen ist das Schwerste.“ Mit etwas Glück gibt es Geld von Bund oder Ländern. Das neue Filmfördergesetz FFG sieht unter anderem eine effektivere Drehbuchförderung für Kinofilme durch den Bund vor. Für die Erstentwicklung von Drehbüchern ist laut Birthe Klinge von der Filmförderungsanstalt FFA nach wie vor ein Zuschuss von 25.000 Euro vorgesehen, in Sonderfällen 50.000 Euro. Mehr Geld gibt es bei der Drehbuchweiterentwicklung. „Autoren können hier Zuschüsse bis zu 30.000 Euro beantragen, vorher waren es 15.000 Euro“. Die Fördermodalitäten sind in den Ländern verschieden. Der Filmfernsehfonds Bayern (FFF) stellt für die Entwicklung bis zur ersten Fassung pro Autor einen Grundbetrag von 20.000 Euro zur Verfügung, für Teams 30.000 Euro, in Sonderfällen noch einmal bis zu 10.000 Euro. Die Nachfrage ist groß. „Im Durchschnitt treffen jährlich 100 bis 150 Bewerbungen bei uns ein“, erklärt Steffi Stadelmann vom FFF. Durchschnittlich würden 15 bis 30 Kinostoffe pro Jahr gefördert.

Buy-Out bei Privaten

Wer im Geschäft ist, hat keine finanziellen Sorgen mehr. „Bei regelmäßigen Aufträgen ist die Arbeit gut bezahlt“, sagt Autorin Krapoth, die überwiegend für Studio Hamburg arbeitet. Die Honorare richten sich nach Vertragsart. Bei öffentlich-rechtlichen Sendern sind es zurzeit etwa 23.000 bis 25.000 Euro für ein Drehbuch eines 90-minütigen TV-Spielfilms, jedoch mit Folgevergütung bei Wiederholung. Bei den Privaten sind Buy-out-Verträge üblich, bei denen sämtliche Rechte am Drehbuch dem Sender abgetreten werden. Dafür erhalten Autoren ein einmaliges Honorar von etwa 40.000 bis 50.000 Euro. „Aufgrund des neuen Urhebervertragsrechts arbeiten wir gerade mit Produzentenverbänden an einem Basisvergütungssystem, das dann nicht mehr unterschritten werden darf“, so Kasten. Der VDD trete in den Verhandlungen mit den Produzentenverbänden dafür ein, dass stets Wiederholungshonorare vereinbart werden sollten.

Arbeit in Etappen

Ist der Vertrag in der Tasche, beginnt die eigentliche Arbeit für Autoren. Geduld und Kompromissfähigkeit braucht es auch hier. „Einerseits sollte man seine Geschichte in der Hand haben, andererseits die Anregungen von Producern und Regisseuren aufnehmen können. Das kann sehr anstrengend sein.“ Gearbeitet werde in Etappen. „Nachdem man ein Exposé eingereicht hat, kann der Stoff schon mal ein Jahr bei einem Sender liegen, bis es weitergeht“, so Autorin Krapoth. Je näher der Abgabetermin rückt, desto höher der Zeitdruck. Schnell umschreiben zu können, ist A und O. Wer die Fristen nicht einhält, ist schnell weg vom Fenster. „Einen Fernsehfilm zu produzieren, kostet etwa 1,3 Millionen Euro. Da können sich Produzenten keine Risiken leisten“, betont Agenturinhaberin Brand.

Auch wenn die Arbeit für Autoren beendet ist, bleibt für sie ein gewisses Restrisiko. „Man muss es aushalten können, wenn die Umsetzung manchmal etwas anders ist als ursprünglich vom Autor vorgesehen“, sagt Kasten.

 

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