Novellierung NRW-Mediengesetz: Weiterbildung und Recherchestipendien fördern
Die von der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen geplante Journalismus-Stiftung entzweit die (medien)politischen Lager. Die Positionen reichen von totaler Ablehnung (Opposition, Verleger) über verfassungsrechtliche Bedenken (WDR) bis hin zu kritischer Zustimmung (ver.di).
Die Austrocknung der Medienvielfalt in vielen Regionen Deutschlands scheint unaufhaltsam. Um dieser demokratiegefährdenden Tendenz ein wenig entgegen zu steuern, schlägt die rot-grüne NRW-Landesregierung eine Stiftung „Vielfalt und Partizipation“ vor. Ausgestattet mit 1,6 Millionen Euro, soll sie sich um Weiterbildung für Journalisten und Recherchestipendien kümmern. Das Geld will SPD-Medienstaatssekretär Marc Jan Eumann der NRW-Landesanstalt für Medien abzwacken, die sich wiederum aus der Rundfunkabgabe finanziert. Ein entsprechender Arbeitsentwurf zur Novellierung des NRW-Landesmediengesetzes wurde im März zur öffentlichen Debatte ins Netz gestellt.
Im Kern gehe es der Landesregierung darum, „die lokale und regionale Vielfalt zu erhalten“, hatte Staatssekretär Eumann bereits im Februar beim Medienpolitischen Dialog der SPD-Bundestagsfraktion in Berlin erläutert. Gerade im Flächenland NRW würden immer mehr Lokalredaktionen zusammengelegt, gelegentlich sogar ganze Redaktionen – trauriges Beispiel: die Westfälische Rundschau – entsorgt. Wenn Verlage nicht mehr willens oder in der Lage seien, eine qualifizierte Aus- und Weiterbildung von Lokaljournalisten zu leisten, könne etwa eine Stiftungsprofessur für Lokaljournalismus helfen, auch auf kommunaler Ebene neueste wissenschaftliche Erkenntnisse „systematisch in die alltägliche Praxis zu überführen“.
Bedingungen
In einer ersten Stellungnahme begrüßte ver.di die „Einrichtung und Finanzierung einer solchen Stiftung als grundsätzlich richtig“. Mit ihr könnten „Defizite in der lokalen und regionalen Berichterstattung“ eingedämmt werden. Allerdings dürften die Verlage nicht von ihrer Verantwortung entbunden werden, „selbst für die Fort- und Weiterbildung ihrer Medienschaffenden Sorge zu tragen“. Die Weiterbildung solle schwerpunktmäßig freien Medienschaffenden zugutekommen, die bislang weitgehend von solchen Maßnahmen ausgeschlossen seien.
Die von ver.di ausdrücklich unterstützte Vergabe von Recherchestipendien könne helfen, „Themen tiefgründig und unabhängig zu recherchieren“. Bei der Finanzierung der Stiftung müsse aber eine „staatsferne Verwendung der Beiträge im Sinne einer vielfältigen und unabhängigen Journalismusförderung unbedingt gewährleistet werden“.
Falls die Stiftung auch aus privaten Mitteln finanziert werde, sei sicherzustellen, „dass diese Geldgeber keinen unbilligen Einfluss auf die Vergabe der Fördermittel nehmen, beispielsweise um eine negative Berichterstattung über das eigene Unternehmen zu verhindern“. Der vorgesehene Stiftungsetat von 1,6 Millionen könne „nur die Grundlage für eine weitergehende sinnvolle Förderung bilden“, heißt es abschließend in der ver.di-Stellungnahme.
Ablehnung
Bei den Verlegern stoßen Eumanns Pläne dagegen nicht auf Gegenliebe. „Wir sind der Meinung, dass wir das nicht brauchen“, beschied barsch Christian Nienhaus, Vorsitzender des NRW-Zeitungsverlegerverbands und Geschäftsführer der Funke-(früher: WAZ)Mediengruppe. Ausgerechnet Nienhaus, dessen Gruppe für Massenentlassungen und immer neue Sparrunden im Lokalen verantwortlich zeichnet. Die Verlage, so Nienhaus, bildeten ihre Redakteure selbst aus, und bei Stipendien bestehe die Gefahr, dass sie vorzugsweise für Themen gewährt würden, die politisch erwünscht seien.
Auch die CDU erteilte eine Absage. Man halte die Stiftung für falsch, sagt Thomas Sternberg, medienpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion. Es gebe keinen Bedarf an staatlicher Medienfortbildung für Journalisten. Recherchestipendien durch eine staatliche Einrichtung zu vergeben, sei eine „problematische Konstruktion“.
Wenig verwunderlich auch, dass die NRW-Landesanstalt für Medien (LfM) auf Gegenkurs geht. Es sei „nicht vom Rundfunkstaatsvertrag gedeckt“, über die Rundfunkabgabe Online- und Printjournalismus zu finanzieren, zitiert die Süddeutsche den LfM-Vorsitzenden Jürgen Brautmeier. Der LfM-Mann steht demnach der Stiftungsidee nicht grundsätzlich abgeneigt gegenüber. Allerdings wehrt er sich dagegen, Gelder aus seinem überwiegend aus der Rundfunkgebühr gespeisten Haushalt (2013: 21,6 Mio. Euro) dafür locker zu machen.
Bedenken
Ernst zu nehmen sind indes die verfassungsrechtlichen Einwände einiger Rundfunkpolitiker. Der an die Landesmedienanstalten abgeführte zweiprozentige Anteil an den Rundfunkgebühren sei zweckgebunden und müsse „in einem funktionalen Zusammenhang mit der Gesamtveranstaltung Rundfunk stehen“, schreibt WDR-Justiziarin Eva-Maria Michel in einer Stellungnahme. Die Stiftung solle jedoch vorwiegend dem lokalen und regionalen Print- und Onlinejournalismus zugutekommen. „Unabhängig von der Frage der Zulassung einer staatlichen Presseförderung“, so Michel, entferne sich der Gesetzentwurf inhaltlich „von den Aufgaben, die verfassungsrechtlich eine Beitragsfinanzierung ermöglichen“.
SPD-Politiker Eumann teilt diese Bedenken nicht. Die Stiftung bewege sich im Rahmen des rechtlich Erlaubten. Die auf den Arbeitsentwurf eingegangenen Anregungen sollen mit allen Akteuren aus Verlegern, Gewerkschaften und Bildungseinrichtungen diskutiert werden. Als „realistischen“ Termin für das Inkrafttreten der geplanten Professur für Lokaljournalismus nannte er das Jahr 2015.