Stolpersteine im Rundfunkrecht

12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vor Verabschiedung

Der 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag soll laut Martin Stadelmaier, Chef der federführenden rheinland-pfälzischen Staatskanzlei, fertig ausgearbeitet sein. Somit können ihn die Ministerpräsidenten am 22./23. Oktober 2008 bei ihrer Konferenz beraten und unterzeichnen, damit dann die 16 Landesparlamente darüber debattieren und abstimmen.

Die Ratifizierung durch alle Bundesländer muss bis April 2009 erfolgen, um das neue Rundfunk- und Telemedienrecht in Deutschland zu dem von der EU gesetzten Termin in Kraft treten zu lassen. In diesem Staatsvertrag werden in erster Linie die von der Bundesrepublik gegenüber der EU-Kommission eingegangenen Verpflichtungen, u.a. zur Begrenzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei der Digitalisierung, im so genannten Beihilfe-Verfahren umgesetzt. Darüber hinaus haben die Länder es für erforderlich gehalten, Regelungen für Angebote im Internet (Telemedien) zu erlassen, um Regeln für den dort stattfindenden Wettbewerb zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk sowie den Verlegern und neuen Unternehmen aufzustellen. Dies ist auf heftige Kritik nicht nur von ARD, ZDF und Deutschlandradio, sondern auch von Gewerkschaften und Verbraucherschutzorganisationen gestoßen. Nach einigen Nachbesserungen sind folgende problematische Regeln beibehalten worden.

7-Tage bzw. 24-Stunden Regelung

Rundfunksendungen sowie sie begleitende Telemedien-Angebote (Online-Portale, Mediatheken etc.) sollen vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk nur sieben Tage lang im Netz zum kostenlosen Abruf bereitgestellt werden. Danach dürfen sie den Nutzerinnen und Nutzern lediglich kommerziell gegen Entgelt angeboten werden. Sportliche Großereignisse wie die Olympiaden, wichtige nationale und internationale Fußballspiele sowie die 1. und 2. Bundesliga müssen nach nur 24 Stunden verschwinden, andere Sportsendungen nach sieben Tagen. Ihre kommerzielle Verwertung ist den öffentlich-rechtlichen Anstalten ebenso untersagt wie die Online-Verbreitung von eingekauften Filmen und Serien. Dagegen können Eigen- und Auftragsproduktionen verwertet werden, allerdings nur zu „fairen Bedingungen“ für die Produzenten, Drehbuchautoren und Regisseure.
Problematisch an dieser Zeit-Regelung sind zwei Aspekte: Zum einen haben Nutzerinnen und Nutzer in Deutschland mit ihren Gebühren bereits die Inhalte bezahlt, können sie aber nicht unbegrenzt bzw. nur durch erneute Bezahlung nutzen. Zum anderen wird durch den Zwang zu entgeltlichen Angeboten der Selbstkommerzialisierung des eigentlich gemeinnützigen Rundfunks Vorschub geleistet. Dazu kommt noch, dass im Falle des Erwerbs von Rechtepaketen im Sportbereich darin oft auch die Internetrechte enthalten sind, für die dann ARD und ZDF mit Gebührengeld zahlen, sie aber nicht nutzen können.

Verbot presseähnlicher Angebote

Bei den nicht-sendungsbezogenen Telemedien darf es keine so genannten presseähnlichen Angebote geben. Diese sind dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk generell verboten. In der Endfassung des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrags wollen die Länder zwar den Begriff „presseähnliche Angebote“ näher definieren, doch auch das wird keine inhaltliche Klarheit und damit Rechtssicherheit schaffen. In diesem Bereich erwarten Experten etliche Streitigkeiten vor den Gerichten. Das Problem bei der Abgrenzung von Telemedien-Angeboten des öffentlich-rechtlichen und des privaten Rundfunks sowie von Zeitungen, Zeitschriften und speziellen Web-Firmen besteht im Charakter des Internets: Es ist multimedial! Wer Inhalte online anbietet, muss Text, Bild, Video und Audio kombinieren, um erfolgreich zu sein. Durch die vorgesehene Begrenzung haben ARD, ZDF und Deutschlandradio einen klaren Nachteil im Wettstreit um Aufmerksamkeit der Nutzer und damit im publizistischen Wettbewerb mit Presse und Privatfunk.

Drei-Stufen-Test

Sämtliche öffentlich-rechtliche Webangebote – egal ob als sendungs- oder nicht-sendungsbezogene Telemedien – müssen einen Drei-Stufen-Test durchlaufen. Er soll neuerdings auch die bisherigen Online-Angebote von ARD, ZDF und Deutschlandradio umfassen. Für die Genehmigung gibt es eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2010. Dabei sollen im Drei-Stufen-Test die jeweiligen Rundfunkgremien prüfen, ob die beabsichtigten Angebote dem Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entsprechen, einen publizistischen Mehrwert bieten und welche marktrelevanten Auswirkungen sie haben. Die Länder schreiben den relativ autonom agierenden Rundfunkgremien vor, dass sie Meinungen Dritter, darunter von Wettbewerbern, berücksichtigen und unabhängige Gutachter zur Beratung hinzuziehen – im Fall der Marktprüfung ist dies sogar Pflicht. Die Entscheidungen sind nach den jüngsten Änderungen nunmehr mit der Hälfte der gesetzlichen bzw. mit zwei Dritteln der anwesenden Gremienmitgliedern zu treffen.
Der Drei-Stufen-Test ist die entscheidende Neuerung des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrags, der es den Rundfunkanstalten erlaubt, ihr Profil im Internet in der Zukunft zu bestimmen. Es ist aber abzulehnen, dass der Test auch auf den Altbestand der Telemedien rückwirkend ausgedehnt wird, anstatt die vorhandenen Online-Angebote als zulässig anzuerkennen wie etwa bei den Digitalprogrammen. Die zahlreichen Drei-Stufen-Tests verlangen hohen Sachverstand und eine zeitlich intensive Beschäftigung. Dazu müssen die ehrenamtlichen Gremien professionalisiert werden und in der Lage sein, sachkundige und justiziable Entscheidungen zu treffen, sonst wird es auch auf diesem Gebiet zu zahllosen Rechtsstreitigkeiten kommen. Bisher fehlen aber klare Regelungen zur personellen und finanziellen Ausstattung der Gremien, damit sie für die neuen Aufgaben gerüstet sind.
Offen gelassen sind im 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag auch noch andere Problembereiche wie Handy-TV und Digitalradio, so dass schon jetzt die Länder für den 13. und 14. Rundfunkänderungsstaatsvertrag intern planen, die quasi im Jahresabstand folgen sollen.


Dorit Bosch ist
Medienpolitische Referentin bei verdi/connexx.av

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