Debatte über Arbeitszeiten am Set zum Filmfest in München
Die gut besuchte Black Box am Münchner Gasteig war Ende Juni anlässlich des Filmfestes Schauplatz einer spannenden Podiumsdiskussion zum Thema „Arbeitsbedingungen am Set – kann die Branche so weitermachen wie bisher?“
Etwa 100 interessierte Besucher, darunter viele Filmschaffende, waren live dabei, als hochkarätige Podiumsgäste den „Tatort Drehort“ untersuchten: Bettina Reitz, Programmbereichsleiterin Spiel-Film-Serie des Bayerischen Rundfunks (BR); Uschi Reich, Produzentin; Jana Karen, Szenenbildnerin; Manu S. Scheidt, Herstellungsleiterin; Jobst Oetzmann, Regisseur; Stefan Hornung, Regieassistent; und Matthias von Fintel, ver.di-Tarifsekretär. Sie erörterten unter der Gesprächsleitung von Journalistin Corinna Spies die drängenden Fragen: Warum wird so lange gearbeitet? Wieso werden die Budgets für TV-Produktionen mit jedem Jahr kleiner (obwohl die Rundfunkgebühren steigen)? Warum werden die Drehzeiten immer kürzer (obwohl die Stoffe nicht unaufwändiger werden)?
Feste Tarif- und Arbeitszeitstandards forderte Stefan Hornung und machte überzeugend klar, dass überlange Arbeits- und Drehzeiten eher die Regel als die Ausnahme darstellen. Jana Karen kritisierte, dass die eigentliche Konzeptarbeit für das Projekt mittlerweile nachts stattfände, damit tagsüber der Dreh absolviert werden könne: ein Ergebnis der immer kürzeren Vorbereitungszeit bei gleichzeitig immer später abgeschlossenen Drehfassungen der Bücher. Die Regularien der Budgetvergabe müssten dringend überarbeitet werden, betont Bettina Reitz. Die einstige Produzentin vertrat ihre Position als Sendervertreterin und Auftraggeberin, wie man es so offen und problembewusst vielleicht nicht erwartet hatte. Der BR sei bisher einer der wenigen Sender, der die Budgets noch etwas variieren konnte. Leider wird es jetzt wohl auch dort eine Deckelung geben. Überlange Arbeitszeiten kommentiert sie mit: „Filmzeit ist Lebenszeit!“
Manu S. Scheidt verwies auf die Schwierigkeit der zementierten Senderbudgets und wünschte sich mehr Flexibiltät bei der Vergabe. Manchmal ließe sich ein 90-minütiges TV-Movie auch mit 200.000 Euro weniger realisieren, die gleichzeitig bei einem „Tatort“-Budget fehlten. Auch sie forderte tariflich festgelegte Arbeitszeiten, die sich dann allerdings auch in der Drehplanung niederschlagen müssten.
Uschi Reich sah das Problem länger werdender Arbeitszeiten nicht so zugespitzt und führte dies auf das von ihr betreute Genre zurück, den überwiegend für das Kino produzierten Kinder- und Familienfilm, bei dem zwangsläufig gesetzlich definierte Arbeitszeiten und -pausen für Kinder und Jugendliche den Takt vorgeben. Aber sie kritisierte, dass sie in ihrer Laufbahn auch schon einige unvorbereitete Regisseure erlebt habe und dies in Bezug auf die Verantwortung für ein Filmprojekt als Affront sähe. Jobst Oetzmann definierte derartiges Verhalten als eine Frage der Berufsehre. Auch er wünschte sich insgesamt mehr Spielraum an Dreh- und Arbeitszeit. Aber eben nicht bezogen auf die tägliche Arbeitszeit, die ihn dazu zwinge, „nach etwa 16 Stunden von den Schauspielern nur noch Totalen zu drehen“. Oetzmann verwies auch darauf, dass er, als die Nachwirkung des alten Tarifvertrags im Jahre 2005 für kurze Zeit keinen Bestand hatte, einmal eine Produktion zur gesetzlich definierten Arbeitszeit von maximal 10 Stunden pro Tag zu realisieren hatte, und: „Siehe da, es geht!“.
Matthias von Fintel von ver.di machte jedoch klar, dass es langfristig nicht ohne Tarifvertrag ginge, auch aus Sicht der Produzenten, die in der aktuellen Verhandlungsrunde ebenfalls auf eine Arbeitszeitbegrenzung drängen. Allerdings sei man hier noch unterschiedlicher Auffassung. Dies wäre das erste Mal, dass eine Höchstarbeitszeit in einen Tarifvertrag geschrieben werde – fast schon ein historischer Akt. Er ermögliche dann auch Kontrollbehörden eine leichtere Handhabe, nicht nur im Schadensfall. Kurz und gut: Es entsteht mehr Rechtsicherheit für Alle.