Transatlantischer Datenverkehr wackelt

Foto: fotolia

Sowohl der „EU US Privacy Shield“ als auch die EU-Standvertragsklauseln als Grundlage des transatlantischen Datenverkehrs stehen derzeit auf der Kippe. Die Datenströme zwischen Europa und den USA sind gewaltig. Während die Amerikaner an die europäischen Datenströme keine besonderen Anforderungen stellen, ist das bei den Europäern anders.

Alle Daten, die sich auf europäische Bürger beziehen lassen, unterliegen europäischem Recht. Und dieses untersagt europäischen Unternehmen grundsätzlich jede Auswertung, es sei denn, der Bürger hat der Datenverarbeitung zugestimmt. Wobei der Bürger nur dann zustimmen kann, wenn die Datenverarbeitung nicht zu stark in seine Grundrechte eingreift.

Datentransfers in außereuropäische Ausland sind nur legal, wenn es von den Drittstaaten die Zusicherung gibt, dass diese über ein Datenschutzniveau verfügen, das dem der Europäischen Union grundsätzlich entspricht. Weil die Papiere von Edward Snowden belegten, dass dieses Schutzniveau angesichts von Massenüberwachung in den USA nicht gegeben ist, hat der Europäische Gerichtshof die Safe-Harbor-Vereinbarung der EU-Kommission mit den USA Herbst 2015 für nichtig erklärt. Seit August 2016 gilt nun eine Nachfolgevereinbarung, der so genannte „EU US Privacy Shield“, der EU-Bürgern weitreichendere Rechtszusagen macht.

Doch nach Antritt des neuen US-Präsidenten Donald Trump wackelt auch dieses wieder: Denn die von ihm am 25. Januar unterzeichnete Executive Order zur „Verbesserung der öffentlichen Sicherheit“ nimmt Nicht-US-Bürger vom Schutz des „Privacy Act“ aus. Allerdings berührt die Order noch nicht den 2015 ausgehandelten Judicial Redress Act, der EU-Bürgern die notwendigen Rechtsmöglichkeiten gegenüber den US-Behörden an die Hand gibt. Weitere „einsame Federstriche“ würden aber genügen, um den Privacy Shield zu kippen, fürchtet der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar. Denn im Kern bestehe der Privacy Shield nur aus Erlassen und letztlich unverbindlichen Zusicherungen der US-Regierung, die jederzeit zurückgenommen werden könnten.

Bricht die Vereinbarung des Privacy Shield weg, bleiben nur noch die EU-Standardvertragsklauseln. Auf diese stützen sich im Moment alle großen US-Unternehmen wie Microsoft, Google, Facebook und Amazon. Aber auch diese werden derzeit gerichtlich überprüft. In dem Anfang Februar am High Court in Dublin eingeleiteten Verfahren zwischen Max Schrems und Facebook geht es genau um diese Klauseln, nachdem Facebook nach dem Wegfall der Safe-Harbor-Vereinbarung 2015 seine Datentransfers auf die Grundlage der Standvertragsklauseln umgestellt hat.

Auch in diesem Fall argumentiert Schrems damit, dass die Klauseln keinen Datentransfer legitimieren können, wenn der Bürger damit Überwachungsgesetzen unterworfen wird, die den europäischen Grundrechten widersprechen. So könne die irische Datenschutzbeauftragte Helen Dixon durchaus den Datentransfer wie von ihm verlangt untersagen. Die Datenschutzbeauftragte ihrerseits reichte die Entscheidung an das Gericht weiter, damit der Europäische Gerichtshof die Möglichkeit erhält, über die Zulässigkeit der Klauseln zu entscheiden. Vor Gericht führte Dixon bereits aus, dass sie nach einer Überprüfung des US-Rechts zur Ansicht gekommen ist, dass die Klauseln die EU-Bürger nicht angemessen schützen. Bereits Ende Februar sollen die Anhörungen abgeschlossen sein.

Die Chancen, dass die Standvertragsklauseln bestehen bleiben, werden im Moment als schlecht eingeschätzt. Dem Vernehmen nach arbeitet die EU-Kommission bereits an neuen Klauseln. Fraglich ist jedoch, ob einseitige juristische Formulierungen dem Umstand abhelfen können, dass das US-Geheimgericht FISA es Unternehmen untersagen kann, Betroffene über Abhörmaßnahmen zu unterrichten. In diesem Fall hätten die Betroffenen nämlich auch keinen Anlass, dagegen juristisch vorzugehen.

Insbesondere Cloud-Anbieter verunsichert eine jüngste Gerichtsentscheidung, die der US-Polizeibehörde FBI erlaubt auf Daten von Google-Kunden im Ausland zuzugreifen. Ein ähnlich gelagertes Gerichtsverfahren hatte ein Berufungsgericht in New York erst Ende Januar nach vier Jahren Rechtsstreit zugunsten Microsoft entschieden. Google will in Berufung gehen, doch bis zur endgültigen Klärung können wieder Jahre vergehen. Jährlich fordern US-Behörden rund 25.000 Mal auf, Nutzerdaten für Ermittlungsverfahren zur Verfügung zu stellen.

Für US-Unternehmen, die rechtlich auf Nummer sicher gehen wollen, bleibt angesichts dieser Gefechtslage im Moment nur die radikale Treuhänderlösung. Microsoft hat sich dazu nach langem Hin und Her entschieden, die Daten seiner deutschen Kunden in einem Rechenzentrum der Deutschen Telekom, welche als Treuhänderin fungiert, verwalten zu lassen. Nur diese Rechtskonstruktion garantiert im Moment, dass US-Behörden, die an die Daten von europäischen Bürgern wollen, einen Rechtsweg einschlagen, auf dem die Europäer die Möglichkeit haben, eigene Rechtsmittel einzulegen. Im Moment ist Microsoft allerdings das einzige Unternehmen, das so agiert. Amazon beispielsweise verweist lediglich darauf, dass es Rechenzentren in Deutschland unterhält. Das allein aber bewahrt noch nicht vor einem Durchgriff der US-Behörden.

Die Auseinandersetzung mit den USA verdecken allerdings den Blick darauf, dass nicht nur der transatlantische Datenverkehr von den europäischen Schutzregeln betroffen ist: Auch die Daten, die beispielsweise die Smart-TV-Geräte aus Korea „nach Hause“ schicken, unterliegen europäischem Datenschutzrecht. Diese Datentransfers sind nur dann legal, wenn die Drittstaaten über ein angemessenes Schutzniveau verfügen. Über Verhandlungen der EU-Kommission mit asiatischen Herstellerländern hat man aber bisher nichts vernommen.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Gemeinsame Standards für Medienfreiheit

In Brüssel wird der European Media Freedom Act (EMFA) bereits als "Beginn einer neuen Ära" zelebriert. Ziel der Verordnung ist es, die Unabhängigkeit und Vielfalt journalistischer Medien in der EU in vielfacher Hinsicht zu stärken. Doch wie er von den Mitgliedsstaaten  - vor allem dort, wo etwa die Pressefreiheit gefährdet ist wie Ungarn und der Slowakei - umgesetzt wird, zeigt sich erst im kommenden Sommer.
mehr »

Die Zukunft der Filmförderung

In der morgigen Plenarsitzung des Bundestages wird über die Zukunft der deutschen Filmwirtschaft entschieden, der vom Bundestagsausschuss für Kultur und Medien beschlossene Gesetzentwurf zum Filmfördergesetz (FFG) steht zur Abstimmung auf der Tagesordnung. ver.di begrüßt eine Reform der Filmförderung, denn in Zukunft müssen Filmproduktionen Tarif- und Urheber-Vergütungen verbindlich einhalten.
mehr »

Rundfunkreform mit vielen Fragezeichen

Bis zuletzt hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf ein Ende der Blockade einer Beitragserhöhung durch die Ministerpräsidenten der Länder gehofft. Die Verweigerungshaltung der Politik ließ ihnen am Ende keine Wahl: Am 19. November kündigten ARD und ZDF eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an, um ihren Anspruch auf die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) errechnete Empfehlung einer Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich durchzusetzen.
mehr »

Komplett-Verweigerung der Rundfunkpolitik

Nachdem die Ministerpräsident*innen am heutigen Donnerstag zur Rundfunkpolitik beraten haben, zeichnet sich ein düsteres Bild für die öffentlich-rechtlichen Medien, ihre Angebote und die dort Beschäftigten ab. Beschlossen haben die Ministerpräsident*innen eine Auftrags- und Strukturreform und einen ab 2027 geltenden neuer Mechanismus zur Festsetzung des Rundfunkbeitrags. Nicht verabschiedet wurde jedoch der fällige Rundfunkbeitragsstaatsvertrag.
mehr »