Transparenzgesetz: Kür für Bund und Länder

Foto: Pixabay

Nordrhein-Westfalen macht in Sachen Transparenzgesetz kurz vor den Landtagswahlen einen Rückzieher – im ersten bundesweiten Transparenz-Ranking bleibt es damit nur im Mittelfeld. Hamburg hingegen glänzt mit seinem Transparenzgesetz auf Platz 1. Insgesamt stehen die Bundesländer aber immer noch besser da als der Bund mit seinem Informationsfreiheitsgesetz.

Kurz vor den Wahlen im Mai hat die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen (NRW) ihr ambitioniertes Vorhaben eines Transparenzgesetzes gekippt. Es hätte alle Landesbehörden und Kommunen dazu verpflichtet, aus eigener Initiative Daten und Dokumente zu veröffentlichen. Dabei hatte Rot-Grün das Vorhaben sogar 2012 im Koalitionsvertrag verankert: Das Landes-Informationsfreiheitsgesetz sollte zu einem Transparenzgesetz weiterentwickelt werden.

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) fürchtete wohl den Gegenwind aus den 396 Kommunen, die sich gegenüber den neuen Verpflichtungen „sehr skeptisch“ zeigten, wie RP-Online berichtete. Die Kosten waren das geringste Argument, da das Land diese den Kommunen hätte erstatten müssen.

Der Gesetzesentwurf soll laut WDR bereits fertig gewesen sein. Im Januar hatte er die Abstimmungsrunde in den Ressorts der Landesregierung durchlaufen. Anfang Februar sollte er in den Landtag eingebracht werden. Daraus wurde dann aber nichts, weil die SPD ihre Zustimmung plötzlich zurückzog. Gründe dafür nannte sie nicht. NRW verbleibt damit im bundesweiten Vergleich nur im Mittelmaß: In einem ersten Transparenz-Ranking des Vereins „Mehr Demokratie“ und der „Open Knowledge Foundation“ landete das Bundesland nur auf Rang 6, da es nur 45 Prozent der Anforderungen erfüllt hat. Dabei ging es um das  Informationsrecht, die Auskunftspflichten und Ausnahmeregelungen, die Antragstellung und die Gebühren sowie um die Ermächtigung des Informationsbeauftragten. Mittelmäßig schnitten auch Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen, das Saarland und Baden-Württemberg ab.

Die Hansestadt Hamburg hingegen glänzt mit ihrem Transparenzgesetz von 2012 auf Rang 1. Es konnte 69 Prozent der Anforderungen erfüllen. Eine Volksinitiative, deren Entstehung wesentlich der Kostenexplosion beim Bau der Elbphilharmonie zu verdanken war, hatte das Gesetz angeschoben. Veröffentlicht werden müssen nun unter anderem Gutachten, Senatsbeschlüsse und Verträge ab 100.000 Euro, die die Daseinsvorsorge betreffen. Minuspunkte gab es für Hamburg, weil nicht alle öffentlichen Stellen gleichermaßen zur proaktiven Veröffentlichung verdonnert wurden. Ausgerechnet die Handelskammer und die Hafenverwaltung verweigern als „mittelbare Staatsverwaltung“ die Zuarbeit, was derzeit gerichtlich geklärt wird.

Auf Platz 2 und 3 befinden sich mit Schleswig-Holstein und Bremen zwei weitere Nordlichter: Schleswig-Holstein erfüllte 66 Prozent mit seinem Informationsfreiheitsgesetz, das mit umfassenden Auskunftspflichten und gut geregelten Ausnahmen punktet. Bremen wird den Anforderungen aus ähnlichen Gründen mit 62 Prozent gerecht. Seit 2015 gibt es dort auch ein Informationsregister, in dem die Verwaltung Verträge und Gutachten veröffentlichen kann.

Dank seines erst 2016 renovierten Informationsfreiheitsgesetzes kommt Berlin mit 61 Prozent auf Platz 4. Seither müssen Behörden ihre Aktenverzeichnisse im Internet veröffentlichen. Die Weiterentwicklung zu einem Transparenzgesetz ist geplant, aber sie liegt im Moment auf Eis. Rheinland-Pfalz, das erste Flächenland mit einem Transparenzgesetz, kommt mit 56 Prozent nur auf Platz 5. Das liegt daran, dass nur die Landes-, nicht aber die Kommunalebene von der proaktiven Veröffentlichungspflicht erfasst ist.

Schlusslicht bilden die vier Bundesländer Bayern, Hessen, Niedersachsen und Sachsen, die bisher keine einschlägigen Landesgesetze verabschiedet haben. Insbesondere die bayerische Landesregierung zeichnet sich durch hartnäckigen Widerstand aus: Seit 2001 scheiterten gleich neun parlamentarische Initiativen für ein Informationsfreiheitsgesetz an der CSU. Gleichzeitig haben aber bereits siebzig bayerische Kommunen eigene Informationsfreiheitssatzungen erlassen, darunter fast alle bayerischen Großstädte.

In den anderen Bundesländern stehen die Zeichen hingegen besser: In Hessen läuft derzeit eine Evaluation zum Thema Informations- und Transparenzgesetz. In Niedersachsen wurde Anfang 2017 ein Kabinettsentwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz verabschiedet. In Sachsen erarbeitet derzeit das Innenministerium einen ersten Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz.

Der Bund schnitt im Übrigen mit 38 Prozent im Vergleich zu den Ländern mäßig schlecht ab. Zwar ist Deutschland 2016 Mitglied der 2011 gegründeten „Open Government Partnership“ geworden, doch anderswo zeigte sich die Bundesregierung widerspenstig: So stellte sie sich vor zehn Jahren gegen eine einschlägige Konvention des Europarates, die aber in diesem Jahr in Kraft treten wird. 2011 versuchte Deutschland vergeblich zu verhindern, dass das Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen das Recht auf amtliche Informationen als Grundrecht anerkennt. Im internationalen „Right To Information“-Ranking steht Deutschland mit 54 von 150 Punkten auf dem 105. Platz von insgesamt 111 Ländern.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Einschüchterungsversuche der Hohenzollern

Eine Studie der Universität Leipzig hat am Beispiel der deutschen Adelsfamilie Hohenzollern untersucht, wie kritische Berichterstattung und Forschung durch gezielte Anwaltsstrategien beeinflusst oder behindert werden sollen. Die Kommunikationswissenschaftler*innen haben dabei die Wirkung von SLAPPs (Strategic Lawsuits Against Public Participation) aus Sicht der Betroffenen nachvollzogen. Verunsicherung und Einschränkung der Arbeitsfähigkeit sind direkte Folgen bei ihnen.
mehr »

Verwaltungsräte treten aus dem Schatten

Die Verwaltungsräte der Öffentlich-rechtlichen Sender sind mächtig. Sie überwachen und kontrollieren die Geschäftsführung des Intendanten oder der Intendantin, soweit es nicht um die inhaltliche Gestaltung des Programms geht. Außerdem legen sie den Haushaltsplan und den Jahresabschluss fest, kontrollieren die Beteiligung an Unternehmen und vieles mehr. Ihre Beschlüsse fassen sie nicht öffentlich.
mehr »

Das Ringen um die ÖRR-Finanzierung

Der finanzielle Spielraum von ARD, ZDF und Deutschlandradio schrumpft. Wie erwartet, empfiehlt die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) eine Erhöhung des monatlichen Rundfunkbeitrags ab 2025 um 58 Cent auf 18,94 Euro. Die von einigen Ministerpräsidenten geäußerten Forderungen nach Beitragsstabilität sieht die KEF angesichts der inflationären Entwicklung als übererfüllt an. Ver.di warnt vor weiterem Programmabbau und noch mehr Druck auf die Rundfunkbeschäftigen.
mehr »

Meilenstein im Kampf gegen SLAPPs

Die Coalition Against SLAPPs in Europe (CASE) hat die Empfehlung des Europarats zur Bekämpfung von SLAPPs begrüßt. In einer Erklärung vom 5. April nennt sie die Empfehlung einen wichtigen Schritt zum Schutz der Pressefreiheit. Obwohl es immer noch Raum für Verbesserungen gebe, werde Journalist*innen ein sichereres Umfeld, frei von Angst und Einschüchterung garantiert. Der Europarat hatte der Empfehlung am 19. März zugestimmt, das Europaparlament bereits Ende Februar.
mehr »