Urheberrecht gilt auch für neue Medien

EU-Parlament sichert „gerechten Ausgleich“ für Privatkopien

Nach über dreijährigem harten Ringen ist die Schlacht der Lobbyisten um das europäische Urheberrecht entschieden.
Die „Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft“ passierte das Europäische Parlament in zweiter Lesung. Am 9. April wurde sie vom europäischen Ministerrat in Kraft gesetzt.

Das EU-Dokument mit dem langatmigen Titel soll die Urheberrechte im Internet-Zeitalter schützen und damit die Verträge der UN-Organisation für geistiges Eigentum (WIPO) vom Dezember 1996 umsetzen. Mit der Richtlinie werden für die EU die Regelungen für die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von geschützten Werken harmonisiert. Einbezogen sind sowohl Online-Dienste als auch Offline-Datenträger wie CD-ROM. Unten dem Begriff öffentliche Wiedergabe sind auch Abrufmedien (on demand) erfasst. Außerdem müssen die EU-Mitgliedstaaten das „Knacken“ von technischen Maßnahmen zum Schutz von Urheberrechten (zum Beispiel Verschlüsselungs- oder Anti-Kopier-Systeme) rechtlich verbieten.

Massives Lobbying

Das massive Lobbying um die EU-Richtlinie hatte bereits begonnen, bevor sie im Dezember 1997 von der Europäischen Kommission auf den Weg gebracht wurde (siehe M 4/1998). Hätten die europäischen Journalisten-, Schriftsteller- und Künstlerverbände und -gewerkschaften in Brüssel und ihren Heimatländern nicht Druck gemacht, wäre sie wohl auf Intervention von Telekom-Konzernen, Internet-Providern, Soft- und Hardwareproduzenten wieder in der Versenkung verschwunden.

Danach mischten noch viele andere mit – in manchmal ungewohnten Konstellationen: von Verbraucherschutz- und Bibliothekenverbänden auf der einen bis zu den Unterhaltungskonzernen Bertelsmann oder EMI der anderen, der Urheber-Seite, zuletzt unterstützt von Prominenz wie Sophia Loren, Andrea Bocelli, Marius Müller-Westernhagen, José Saramango, Claudia Cardinale oder den Wiener Philharmonikern.

Im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen standen vor allem die Ausnahmen vom ausschließlichen Vervielfältigungsrecht – oder andersherum: das Recht beispielsweise von CD-Käufern, ihre Silberscheiben für den privaten Gebrauch legal kopieren zu dürfen. Auch nach dem deutschen Urheberrechtsgesetz sind solche privaten Vervielfältigungen zulässig, so Fotokopien von Zeitungsartikeln oder Video-Aufzeichnungen von Fernsehfilmen. Die Rechteinhaber erhalten dafür Vergütungen aus Abgaben auf Geräte und Speichermedien. Außerdem gibt es Ausnahmen beispielsweise für Unterrichtszwecke, die wissenschaftliche Forschung, Zitate oder Pressespiegel.

Für die EU werden diese Ausnahmen durch die Richtlinie erstmals definiert und beschränkt. Herausgekommen ist nach zähem Ringen ein Katalog, der etwas umfangreicher als in Deutschland ist, aber in den wesentlichen Punkten die Rechte der Urheber in Europa stärkt.

„Gerechter Ausgleich“ für Rechteinhaber

So sind Vervielfältigung auf Papier oder „beliebigen Trägern“ nur unter der Bedingung erlaubt, „dass die Rechteinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten.“ Eine Kopie auf Diskette, CD, Videoband, DVD und anderen Trägern ist zudem nur „durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke“ (Abänderungsantrag des Europaparlaments) gestattet.

Wie diese Regelungen konkret innerhalb der EU umgesetzt werden, bleibt jedem der 15 Mitgliedsstaaten selbst überlassen. Wenn der Ministerrat der Richtlinie zustimmt, haben sie dafür 18 Monate Zeit. In Deutschland wird sich rechtlich durch die Richtlinie weniger ändern als in anderen Ländern Europas.

Ein Gesetzentwurf zur Umsetzung der WIPO-Verträge (5. Urheberrechtsänderungsgesetz) war bereits im Juli 1998 vorgelegt worden (M 10/1998: Er hatte wegen der Regelung zu elektronischen Pressespiegeln heftige Proteste der Verlegerverbände ausgelöst.) und Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin hat angekündigt, die Regelungen der EU-Richtlinie nach deren In-Kraft-Treten schnell in nationales Recht umzusetzen.

Auch deutsche Urheber profitieren

Durch die Festschreibung eines „gerechten Ausgleichs“ für die Rechteinhaber als Bedingung für die erlaubte private Vervielfältigung auf EU-Ebene, dürfte die Forderungen der deutschen Verwertungsgesellschaften nach Urheberabgaben für PCs und andere digitalen „Kopiergeräten“ (M 1-2/2001) rechtlich deutlich gefestigt werden.

Gestärkt werden durch die Richtlinie außerdem die Rechte der Urheber und Künstler gegenüber den Rundfunk- und Fernsehanstalten. Diese müssen für alle Archivstücke wie Konzertmitschnitte und Hörspiele die Rechte für die digitale Ausstrahlung oder Internetnutzung mit den Rechteinhabern aushandeln. Ein Antrag der Christdemokratischen Fraktion, das Archivmaterial von vor 1996 davon auszunehmen, fand im Europa-Parlament keine Mehrheit.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

US-Wahlkampf: Absurd, aber sehr real

Der US-Wahlkampf kommt in die heiße Phase. Journalistin und Historikerin Annika Brockschmidt beobachtet seit mehr als einem Jahrzehnt das politische System der USA. In ihren neuen Buch beschreibt sie, wie historische Entwicklungen und Machtkämpfe die republikanische Partei geprägt und radikalisiert haben. Mit M spricht Brockschmidt über die Kommunikationsstrategien der extremen Rechten in den USA und die Wahlberichterstattung.
mehr »

rbb-Intendantin blockiert Tarifeinigung

ver.di ruft die Beschäftigten des rbb ab dem 30. Oktober 2024 zu einem dreitägigen Warnstreik auf. Grund ist die Weigerung der Intendantin Ulrike Demmer, den seit dem Frühjahr ausgehandelten Beendigungsschutz-Tarifvertrag für freie Beschäftigte im Programm zu unterzeichnen und in Kraft zu setzen. Dabei hat auch der Verwaltungsrat dem Tarifvertrag schon seit Monaten zugestimmt.
mehr »

Keine Rundfunkreform ohne faire Finanzierung

Die heutige Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) in Leipzig hat sich auf ihrer Sitzung zu einer Rundfunkreform in mehreren Staatsverträgen geeinigt. Zu einer Reform oder bedarfsgerechten Erhöhung des Rundfunkbeitrages konnte keine Einigung erzielt werden. ver.di kritisiert die Verzögerung und fordert eine angemessene Finanzierung.
mehr »

Breiter Protest für Rundfunkfinanzierung

Anlässlich der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten (MPK) in Leipzig fordert ver.di die Fortführung des Reformdiskurses über die Zukunft öffentlich-rechtlicher Medienangebote und über die Strukturen der Rundfunkanstalten. Die notwendige Debatte darf die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten jedoch nicht daran hindern, ihren vom Bundesverfassungsgericht zuletzt im Jahr 2021 klargestellten Auftrag auszuführen: Sie müssen im Konsens die verfassungsmäßige Rundfunkfinanzierung freigeben.
mehr »