Machtinteressen vor medienpolitischer Kompetenz im neuen RBB-Rundfunkrat
Am Anfang des neuen Senders stand der Demokratieabbau. Gegen den fast einjährigen Widerstand der Belegschaftsvertreter und Gewerkschaften verabschiedeten im November die Länderparlamente von Berlin und Brandenburg den Fusionsstaatsvertrag zur Errichtung des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB). Bis zuletzt ignorierten die Parlamentarier die Proteste gegen das ohne Not und stichhaltige Begründung in das Gesetz eingeführte Bundespersonalvertretungsrecht.
Die verabschiedete Regelung erleichtert die Möglichkeit betriebsbedingter Kündigungen und schränkt die Mitbestimmung bei ordentlichen sowie fristlosen Kündigungen ein. Ein Instrumentarium, das der Geschäftsführung des neuen Senders beim Aufbau einer „schlanken“ Anstalt reichlich Gestaltungsspielraum einräumt. Auch unter anderen Gesichtspunkten lässt das beschlossene Paragrafenwerk für den Start des Fusionssenders Schlimmes befürchten. Das wurde bereits bei der Konstituierung des RBB-Rundfunkrates kurz vor Weihnachten deutlich. Sieben der 30 Sitze dieses Gremiums werden von Vertretern der Parteien besetzt. Für Berlin sind dies SPD-Fraktionschef Michael Müller, die Hauptausschussvorsitzende Hella Dunger-Löper (SPD), CDU-Fraktionschef Frank Steffel sowie für die PDS Bärbel Grygier. Brandenburg entsendet den parlamentarischen SPD-Fraktionsgeschäftsführer Wolfgang Klein, den medienpolitischen Sprecher der CDU Burkhard Schöps sowie PDS-Fraktionschef Lothar Bisky. Diese Auswahl belegt – abgesehen von ein oder zwei Ausnahmen: Es geht weniger um medienpolitische Kompetenz als um Machtinteressen. Grüne und FDP müssen draußen bleiben.
Auch die gewerkschaftliche Präsenz fällt mehr als dürftig aus: Der DGB stellt einen Sitz und ist damit genauso stark wie der Deutsche Beamtenbund. Noch grotesker: Der verdi-Landesbezirk Berlin-Brandenburg musste sich mit den Landesverbänden des DJV auf einen Sitz einigen. Größenordnung und Engagement für die Mitbestimmungsinteressen der Belegschaften von ORB und SFB hätten normalerweise in der RBB-Gründungsphase den Ausschlag für verdi geben müssen. Doch der DJV stellte sich in sechswöchigen Verhandlungen stur. Beim Losentscheid am Tage der Konstituierung hatte dann der gerade mal 3 000 Mitglieder starke Standesverband die glücklichere Hand und verdi das Nachsehen. Immerhin: Erstmals sind im neuen Rat auch Vertreter der brandenburgischen Sorben-Verbände sowie der Migranten Berlins und Brandenburgs repräsentiert.
Die Amtszeit des Rundfunkrats beträgt vier Jahre. Bis zum Inkrafttreten der Gesamtrechtsnachfolge des RBB für die fusionierenden Anstalten ORB und SFB arbeiten deren Gremien weiter. Der RBB-Rundfunkrat setzt sich zudem aus jeweils 15 Vertretern der beiden beteiligten Länder zusammen. Zum Vorsitzenden des Aufsichtsgremiums wählte der Rat den bisherigen Vorsitzenden des ORB-Rundfunkrates und Superintendenten der Evangelischen Kirche in Potsdam Bertram Althausen.
Problematische Intendanten-Wahl
Er sprach sich für einen „starken, kreativen und unabhängigen“ Rundfunkrat aus. Stellvertretende Vorsitzende wurde die ehemalige Berliner PDS-Bundestagsabgeordnete Bärbel Grygier. Beide wurden zunächst für zwei Jahre in ihre Ämter gewählt. Wie „stark, kreativ und unabhängig“ der RBB sein wird, könnte sich schon bei der frühestens im Februar erwarteten Wahl des Intendanten zeigen. Der Wahlmodus gibt wenig Anlass zu Hoffnung auf eine strikt professionelle Entscheidung. Verlangt wird eine Zweidrittelmehrheit des Gremiums. Damit sind parteipolitischen Kuhhändeln Tür und Tor sperrangelweit geöffnet. In einem offenen Brief appellierten der ORB-Redakteursrat und der SFB-Redakteursausschuss an die Mitglieder des Rundfunkrates, „Personalentscheidungen für die RBB-Spitze im Interesse der Zuschauer, der Hörer und der Mitarbeiter – unabhängig von parteipolitischen Erwägungen“ vorzunehmen. „Die seitens der Politik immer wieder betonte Staatsferne dürfe nicht konterkariert werden durch Personalentscheidungen in der Führungsspitze, die lediglich den Berlin-Brandenburger Polit-Proporz widerspiegelten“, heißt es in einer Pressemitteilung des DGB-Landesbezirks Berlin-Brandenburg.
Wenig begeistert klangen auf der konstituierenden RBB-Ratssitzung auch die Beinahe-Abschiedsworte der scheidenden Geschäftsführer. „Dies ist keine Liebesheirat, sondern eine Vernunftehe“, sagte ORB-Intendant Hansjürgen Rosenbauer. Vernunftehen hätten aber „große Vorteile“. Man könne lange darüber sprechen, wie der Ehevertrag aussehe und sei „nicht sofort tief enttäuscht, wenn der eine andere Vorstellungen hat als die andere“. SFB-Intendant Horst Schättle erwiderte, es handle sich bei der Fusion nicht nur um eine Vernunftehe, sondern „um eine Hochzeit von zwei quicklebendigen Partnern“. Die neue Anstalt, so versicherte er, werde ohne betriebsbedingte Kündigungen auskommen und sich in einem „ausgewogenen Verhältnis von festen und freien Mitarbeitern“ finden müssen.