Von Verlegers Gnaden

Angesehener Journalist in Bremerhaven erhält Schreibverbot

Einer der profiliertesten Journalisten Bremerhavens hat die Macht einflussreicher Kreise zu spüren bekommen und verliert nun einen wichtigen Teil seiner Einkünfte.
14 Jahre lang arbeitete Detlef Kolze als freier Journalist für das Bremerhavener Sonntagsjournal (SJ), ein ambitioniertes Anzeigenblatt, das ebenso wie die Nordsee-Zeitung zur örtlichen Ditzen-Gruppe gehört. Die letzten zehn Jahre bekam er sogar eine ansehnliche Pauschale.
Doch damit ist es nun schlagartig vorbei. Verlegerin Roswitha Ditzen-Blanke lässt ihn nicht mehr fürs SJ schreiben (Auflage: 110.000 Exemplare). Warum? Sie hat es ihm nicht verraten. Auf Anfrage von M wettert die 57-Jährige zunächst: „Sie meinen, dass ich verpflichtet bin, Ihnen eine Auskunft darüber zu geben?“ Dann erwähnt sie doch einen Grund: Kolzes Berichterstattung sei zwar sehr gut gewesen, aber „als Repräsentant unseres Verlages“ habe er sich wiederholt in der Öffentlichkeit nicht so präsentiert, wie der Verlag es erwarte, nämlich höflich und zuvorkommend. Ein Kollege meint: „Da sind zwei, die sich nicht mögen, aneinander gerasselt.“ Und zwar zuletzt bei einem Pressegespräch, an dem auch die Verlegerin als IHK-Vizepräsidentin teilnahm. Die beiden hatten einen kurzen Wortwechsel zu einem Randaspekt. Außerdem hatte er sich die Freiheit genommen, Ditzen-Blanke nicht in seinem Bericht zu zitieren – weil er nichts Zitierwürdiges gefunden hatte.
Nach Abdruck des Textes wurde ihm dann das Schreibverbot ausgerichtet. Kolze und andere können sich das nur so erklären: Ditzen-Blanke (laut taz „Gottes Stellverlegerin“) habe einen Vorwand gesucht, um einen Journalisten mundtot zu machen, der oft kritisch über die IHK und Bremerhavener Politiker geschrieben hat (M 8/9.2007). Kolze will jetzt einen Anwalt einschalten.

 
nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Nicaraguas bedrohte Medien

Die Diktatur des nicaraguanischen Präsidentenpaars Daniel Ortega und Rocio Murillo hat in den letzten Jahren immer mehr Journalist*innen ins Exil getrieben. Unter erschwerten Bedingungen berichten Menschen wie Lucía Pineda vom Nachrichtenkanal "100% Noticias" oder Wendy Quintero nun aus dem Ausland. Für diese Arbeit nehmen sie stellvertretend für viele andere am 26. November 2024 den Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung entgegen.
mehr »

Österreich: Gefahr für die Pressefreiheit

In Österreich ist die extrem rechte FPÖ bei den Nationalratswahlen stärkste Kraft geworden. Noch ist keine zukünftige Koalition etabliert. Luis Paulitsch erklärt im Interview, welche Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu erwarten sind, sollten die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl an der Regierung beteiligt werden. Paulitsch ist Jurist, Zeithistoriker und Medienethiker. Von 2019 bis 2024 war er Referent des Österreichischen Presserats, dem Selbstkontrollorgan der österreichischen Printmedien;  seit 2024 bei der Datum Stiftung für Journalismus und Demokratie.
mehr »

KI beinflusst Vielfalt in den Medien

Künstliche Intelligenz kann journalistische Texte in verschiedene Sprachen übersetzen und damit viel mehr Nutzer*innen ansprechen. Gleichzeitig kann sie aber auch Stereotype, die in diesen Texten enthalten sind, verfestigen. Gefahren und Chancen von KI-Anwendungen im Journalismus standen im Fokus der diesjährigen NxMedienkonferenz der Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM), die sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen.
mehr »

ARD & ZDF legen Verfassungsbeschwerde ein

Nachdem die Ministerpräsident*innen auf ihrer Jahreskonferenz Ende Oktober keinen Beschluss zur Anpassung des Rundfunkbeitrags ab 2025 fassten, haben heute ARD und ZDF Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßt die Initiative.
mehr »