Vorbild Magazin Fabrika

Kritik an der Darstellung von Migranten im deutschen Fernsehen

Es ist ein Armutszeugnis für die hiesige Medienlandschaft: In Deutschland leben 16 Millionen Bürger mit Migrationshintergrund, aber im Fernsehen tauchen sie nur als Minderheit auf. Einwanderer aus der Türkei, aus den Balkanländern oder aus Russland werden gerade in Krimis oft mit Verbrechen in Verbindung gebracht. Spielt in solchen Filmen der Islam eine Rolle, dann garantiert im Zusammenhang mit Terrorismus. Diese vermittelten Klischees, kritisiert die Medienwissenschaftlerin Barbara Thomaß (Ruhr-Universität Bochum), entsprächen jedoch nicht der Normalität des Alltags, denn der zeichne sich durch „Vielfalt und Migration, multikulturelles Miteinander, gelungene Integration“ aus.

Foto: /Karikatur: harm / toonagent
Foto: /Karikatur: harm / toonagent

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt Michael Mangold, Leiter des Instituts für Medien, Bildung und Wirtschaft am Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie. Er findet zwar, dass sich die Stellung der Migranten in Filmen und Serien in den letzten Jahren etwas geändert habe, „aber in manchen Fernsehreihen treten sie noch immer sehr klischeehaft auf.“ Auch Mangold kritisiert die „sehr verkürzte und tendenziöse Darstellung“ der Einwanderer: Durch seine erzählende Form der Vermittlung sei das Fernsehen sehr eingängig, „so dass Inhalte häufig unterschwellig aufgenommen werden. Dadurch entziehen sie sich der Urteilsbildung.“ Mangold wundert sich, dass „sorgfältig recherchierte und differenziert dargestellte Lebensverhältnisse etwa von türkischen Migranten noch immer nicht Gegenstand von fiktionalen Formaten sind.“ Das deutsche Fernsehen verpasse so die Chance, „interessante und facettenreiche kulturelle Welten darzustellen.“ Barbara Thomaß fordert daher die Einrichtung eines Integrationskanals. Auf diese Weise soll „eine Senderidentität entstehen, in der die multikulturelle Zusammengehörigkeit als Basis, Auftrag und Ziel verstanden wird.“

Auch wenn es im ARD-Hörfunk mit „Funkhaus Europa“ (WDR/RB/RBB) ein Beispiel dafür gibt, dass eine Migrantenwelle funktioniert: Die Erfolgsaussichten für ein Spartenprogramm im Fernsehen werden allgemein als eher gering eingestuft. Mangold hat „gegenwärtig keine Hoffnung auf eine Realisierung eines Migrantenkanals“, zumal das ZDF gerade erst seinen Kulturkanal eingestellt habe und die Entwicklung des Jugendkanals auch nicht recht vorankomme. Abgesehen davon hält er die weitere Ausgliederung von gesellschaftspolitisch zentralen Themen in Spartenkanäle für „generell keine gute Entwicklung, da das Hauptprogramm dann vollends der inhaltsentleerten Unterhaltung anheim fällt. Man hätte dann eine weitere Legitimation für eine Ausgliederung in spezielle Sparten, die die Zuschauer in ihrer Breite nicht mehr erreichen.“ Die Entscheidung über einen „Migrantenkanal“ liegt in Händen der Medienpolitik. Aber nicht nur deshalb hält man sich bei ARD und ZDF mit Kommentaren in dieser Frage zurück. Sie sollen schon den Jugendkanal aus „Bordmitteln“ finanzieren; ein weiteres Programm würde die Sender buchstäblich über Gebühr belasten. ZDF-Sprecher Alexander Stock weist daher „nur ganz allgemein“ darauf hin, „dass die Zeiten für neue Angebote derzeit eher schwierig sind.“
Mangold ist aufgrund schlechter Erfahrungen mit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen ohnehin einen ganz anderen Weg gegangen. Er hat vor acht Jahren die „Bundesinitiative Integration und Fernsehen“ ins Leben gerufen (www.bundesinitiative.org). Auf dieser Basis sind bereits mehrere Medienprojekte entstanden. Jüngste Produktion ist das deutsch-türkische Fernseh- und Internetmagazin „Fabrika“. Es wird vom kommerziellen Kanal D ausgestrahlt, einem der größten türkischen Fernsehsender. Das Programm erreicht via Satellit praktisch alle türkischstämmigen Haushalte in Deutschland. Sämtliche Sendungen können auch im Internet aufgerufen werden (www.fabrika-tv.net). Die Finanzierung erfolgt durch öffentliche Mittel. Das Geld bleibt im Land; Kanal D stellt den Sendeplatz gratis zur Verfügung. Das Magazin richtet sich an die türkischsprachige Bevölkerung in Deutschland und bietet Beiträge aus den Bereichen Bildung, Arbeit, Soziales und Kultur. Die monothematischen Ausgaben beschäftigten sich bislang mit Themen wie Hochzeit, Umgangsformen im Alltag oder Bildung. Moderatorin ist die Deutschtürkin Müjde Karaca-Togmus, die gemeinsam mit Michael Mangold (ZKM) auch für die Produktion verantwortlich ist. Die Sendung ist zweisprachig; sprechen die Gäste türkisch, werden ihre Ausführungen untertitelt. Im Internet gibt es zu bestimmten Schlüsselbegriffen zusätzliche Erläuterungen.
Das Magazin wäre selbstredend ein Kandidat für einen Integrationskanal. Mangold sähe das Magazin aber lieber in einem der Hauptprogramme: „Verantwortungsvolles und einem gesellschaftspolitischen Anspruch verpflichtetes Fernsehen muss in der Lage sein, auch integrationsrelevante Themen aufzunehmen, und zwar nicht nur nach Mitternacht. Dafür sind öffentliche Sender ihrem Auftrag nach verpflichtet, das unterscheidet sie schließlich essenziell von den kommerziellen Sendern.“

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Von Erbsensuppe und neuen Geschichten

„Vielfalt schützen, Freiheit sichern – 40 Jahre duale Medienordnung im föderalen Deutschland“. Dies war das Thema des Symposiums, das am 23.  April in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stattfand. Ausrichter war die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM).  Teilnehmer waren Verantwortliche aus Medienpolitik und -wissenschaft, Rundfunkregulierung und Medienunternehmen.
mehr »

Unabhängige Medien in Gefahr

Beim ver.di-Medientag Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen diskutierten am 20. April rund 50 Teilnehmende im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig die aktuelle Entwicklungen in der Medienlandschaft, die Diversität in den Medien und Angriffe auf Medienschaffende. Das alles auch vor dem Hintergrund, dass bei den kommenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg die AfD laut Umfragen stark profitiert. 
mehr »

ARD-Krimis werden barrierefrei

Untertitelung, Audiodeskription, Gebärdensprache – das sind die so genannten barrierefreien Angebote, die gehörlosen oder extrem schwerhörige Fernsehzuschauer*innen gemacht werden. Die ARD sendet fast alle neu produzierten Folgen ihrer Krimireihen „Tatort“ und „Polizeiruf 110“ auch mit Gebärdensprache. Beide Reihen seien „die ersten und aktuell die einzigen regelmäßigen fiktionalen Angebote mit Gebärdensprache in der deutschen Fernsehlandschaft“, erklärte die ARD.
mehr »

Schlaffe Tarifangebote bei der ARD

Programmeinschnitte, Sparmaßnahmen und minimale Tarifangebote der ARD. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di kritisiert die Haltung der Sender und kündigt Proteste an. Im Rahmen der Tarifverhandlungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk habe es zwar erste Angebote vom Bayerischen Rundfunk (BR) und vom Norddeutschen Rundfunk (NDR) gegeben. Die Angebote blieben aber laut ver.di weit hinter den berechtigten Forderungen der Mitglieder zurück. Sie liegen auch weit unter den Tarifabschlüssen anderer Branchen oder dem öffentlichen Dienst.
mehr »