Meinung
„Ich weiß jetzt schon, dass die Betroffenen jaulen und quieken werden, um das (Programmkürzungen Anm. der Red.) zu verhindern.“ Das sagt Kai Gniffke, der designierte ARD-Vorsitzende. Er gibt sich überzeugt, dass Widerspruch aus der Belegschaft nichts weiter als „Halligalli“ sei. Trotzdem werde man „das durchziehen“.
Wir empfinden Gniffkes Wortwahl als unangebracht und abstoßend. Gniffke setzt ARD-Beschäftigte mit Hunden und Schweinen gleich – und entmenschlicht sie. Er erzeugt damit ein Klima der Ausgrenzung und Verächtlichmachung. Er schadet Kolleg:innen, die in der nächsten Zeit Umstrukturierungsprozesse umsetzen und begleiten müssen. Ihre Expertise, ihr konstruktiver Widerspruch – nur „Jaulen und Quieken“?
Auf die Frage des „Spiegel, ob es demnächst weniger Unterhaltung in der ARD geben solle, antwortet Gniffke: „Wir werden ganz bestimmt kein Spartensender für Misanthropen, der sich allein auf Klimakatastrophe, Rentendesaster und Kriegsgebiete konzentriert.“
Gniffke macht auf diese Weise eine unserer wichtigsten Kernkompetenzen schlecht: Den unabhängigen Journalismus, der auf Verwerfungen, Korruption und Gefahren hinweist. Und noch dazu nimmt er sich heraus, das interessierte Publikum als menschenfeindlich abzuwerten.
Wenn ein ARD-Vorsitzender kritischen und seriösen Journalismus nicht schätzt, wie sollen es dann die Bürger tun?
Auch dies finden wir befremdlich: Gniffke erklärt im Spiegel-Interview den Kampf gegen Korruption in den Sendern als erledigt – mittels Sprücheklopferei: „Compliance? Done! Transparenz? Done! Aufsicht stärken? Done!“ Das sehen wir anders: Compliance, Transparenz und eine gestärkte Aufsicht kann man nicht erledigen. Es sind Prozesse, die dauerhaft kontrolliert und umgesetzt werden müssen.
Gerne hätten wir von Kai Gniffke mehr konkrete Informationen über die eigene Plattform, deren Inhalte oder über die Podcaststrategie gelesen. Wir sind sicher, dies hätte auch die Spiegel-Leser:innen interessiert.
Sprücheklopferei, Entgleisungen und ungeschickte Vergleiche taugen unserer Meinung nach nicht als Antworten auf Journalistenfragen zur Zukunft der ARD.
Von einem Journalisten, der Führungsaufgaben innerhalb der ARD übernehmen will, erwarten wir konstruktive Vorschläge, professionelles Auftreten und Augenhöhe gegenüber den Mitarbeiter:innen und den Nutzer:innen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.