WDR: Rundfunkräte debattieren über Programmauftrag

Westdeutscher Rundfunk Köln - Funkhaus Düsseldorf Foto: WDR/Bernd Maurer

Unruhe im WDR: Ein Drittel der Mitglieder des Rundfunkrates wollte auf einer Sondersitzung des Gremiums grundsätzlich über den Programmauftrag des Senders diskutieren. Befürchtet werden Qualitätsverluste bei der Umschichtung von „linear“ zu „online“, vor allem bei Kulturformaten. Zur Unterfütterung ihrer Positionen hatte die Gruppe ein Diskussionspapier mit zehn Punkten zur „Zukunft der Gestaltung des Programmauftrags im WDR“ vorgelegt. Das Echo auf diesen Vorstoß fiel allerdings gemischt aus.

Die aktuelle Umbruchsituation, in der sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk befinde, stehe im Kontext einer „Transformation der Verbreitungswege linear/online“ und zeige bereits jetzt Konsequenzen für die Gestaltung des WDR-Programms, heißt es in dem Papier. Die von der Intendanz vertretene „Online first“-Strategie bedürfe einer strategischen Nachsteuerung. Das Stammpublikum des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nehme das Programm überwiegend noch linear wahr. Daher gehe es um eine „zeitlich präzise abgestimmte Gewichtung der Verbreitungswege“. Offenbar befürchten die Räte, die digitale Transformation könne vor allem im Kulturbereich an den Bedürfnissen der älteren analog orientierten Zuschauer- und Hörer*innen vorbeigehen. Unter dem Stichwort „Kulturauftrag“ heißt es: „Auch für den Bereich der Kultur gilt das Gebot der Vielfaltssicherung.“ Ein weit ausgelegter Kulturbegriff dürfe jedoch „nicht zu Lasten der Ausstrahlung anspruchsvoller, avantgardistischer oder vermeintlich elitärer Programmanteile gehen“. Zugleich wurde mehr Transparenz bei der Neugestaltung des Programmauftrags angemahnt.

Der Vorsitzende des Kulturrats NRW, Gerhart Baum, selbst stellvertretendes Mitglied des Rundfunkrats, hatte am Tage der Sitzung (29.6.) im „Kölner Stadt-Anzeiger“ die Programmpolitik der Senderleitung kritisiert. Er beobachte Tendenzen, das Publikum durch Qualitätsminderung zu binden. Es komme nicht allein darauf an, was die Adressaten des Programms hören wollen, sondern auch darauf, was sie wissen und erfahren sollten.“  FDP-Politiker Baum, von 1978 bis 1982 Bundesinnenminister im sozialliberalen Kabinett von Helmut Schmidt, sagte, das Beharren auf den Bildungsauftrag des Senders sei „keine elitäre Arroganz“. Kultur gehöre zu den öffentlich-rechtlichen Kernaufgaben. Sie solle „nicht geschwächt, sondern gestärkt werden“. Bereits im vergangenen Jahr hatte der Kulturrat NRW sich gegen Einsparungen bei emblematischen WDR-Kultursendungen wie „Stichtag“ auf WDR 2 und dem „Zeitzeichen“ auf WDR 5 gewandt. Zugleich monierte er Pläne für Kürzungen von Eigenproduktionen bei Hörfunk-Features sowie Umformatierungen bei Literatur- und Musiksendungen.

Erst kürzlich hatte die WDR-Programmdirektion weitere Veränderungen im Hörfunk angekündigt. Demnach wird die junge Welle 1 Live künftig nicht mehr mit WDR 2 und WDR 4, sondern zum 1.1. 2022 mit Cosmo, dem gemeinsam mit Radio Bremen produzierten interkulturellen Programm unter einem Dach zusammengefasst. Bereits seit April sind auch WDR 3 und WDR 5 in einem gemeinsamen Programmbereich vereint. Welche Sparwirkungen die angestrebten Synergieeffekte haben werden, ist noch unklar.

Im Rundfunkrat traf der Vorstoß der Verfasser nach Berichten von Teilnehmer*innen auf ein geteiltes Echo. Die Gruppe verenge die Debatte auf den Bereich Kultur, versteife sich zudem überwiegend auf eine Verteidigung der Hochkultur. Zudem sei das Vorgehen redundant. „Das Papier ist eine gute Zusammenfassung all dessen, was wir im Rat in den letzten Jahren diskutiert haben“, konstatierte Ruth Lemmer, vom Fachbereich Medien ver.di NRW in den Rat entsandt, die die Vorlage nicht mitunterzeichnet hat. Einen akuten Grund für eine Sondersitzung habe es daher nicht gegeben. Die SPD-Politikerin Petra Kammerevert wandte ein, es dürfe in Anbetracht der prekären Finanzlage „beim Sparen keine sakrosankten Bereiche“ geben. Rundfunkratsvorsitzender Andreas Meyer-Lauber wertete die Debatte als hilfreich, um sich der aktuellen Situation des WDR und seines Aufsichtsgremiums rückzuversichern.

Das Diskussionspapier spiegelt auch den Wunsch der Kritiker nach mehr Transparenz und Beteiligung des Rundfunkrats wider. Unter dem Stichwort „Programmstrategie 2025“ wird der Intendant gebeten, dem Rat „ein Konzept zur künftigen Gestaltung des Programmauftrags vorzulegen und entsprechende Beschlussvorlagen einzubringen“. Es werde erwartet, „dass Überlegungen und Hinweise aus der Mitte des Rundfunkrates Eingang in den Entscheidungsprozess finden“. Die Kompetenz der Gremien müsse gestärkt, die Öffentlichkeit stärker einbezogen werden.

Unmittelbar vor der Debatte hatte Programmdirektor Jörg Schönenborn unter dem Titel „Vom linearen Programm zum Content-Netzwerk“ vor dem Rat den dritten Teil einer Reihe strategischer Ausblicke geliefert, die das Gremium von der WDR-Geschäftsleitung erbeten hatte. Bereits im März hatte Programmdirektorin Valerie Weber ihre Pläne für den Hörfunk erläutert. Intendant Tom Buhrow hatte in der Mai-Sitzung über die Strategie für den WDR bis 2025 informiert.

Ein großer Teil der Kritiker wird dem nächsten Rat, dessen Amtszeit am 1. Dezember dieses Jahres beginnt, nicht mehr angehören. Beobachter werten den Vorstoß daher als eine Art rundfunkpolitisches Vermächtnis.

 

 

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