Wirksame Kontrolle des Rundfunks in der Debatte
Unlängst erregte NDR-Intendant Jobst Plog einiges Aufsehen mit der Forderung nach einem „vollständigen Rückzug“ politischer Verantwortungsträger aus den Rundfunkgremien. Auch wenn Plog dies wenig später selbst präzisierte – gemeint waren vor allem Regierungsvertreter – so gehört die Klage über einen zu starken Parteien- und Staatseinfluss auf den Rundfunk zu den Standards in der medienpolitischen Debatte. Die Gewerkschaften dagegen haben sich in der Vergangenheit schwer getan mit einer eigenständigen, koordinierten Medienpolitik. Dabei ist ihr Einfluss – rein numerisch – nicht gering. Derzeit verfügen sie über knapp 100 Sitze in den Aufsichtsorganen des dualen Rundfunksystems, wie Hans-Otto Hemmer, Referent für Medienpolitik in der Grundsatzabteilung des DGB-Bundesvorstands, bilanziert.
Dieser Kreis von Gremienpolitikern war die Hauptzielgruppe für den medienpolitischen Kongress „Wie viel Macht den Räten?“ im September 2003 in Berlin und einem medienpolitischen Workshop des DFB Nord im März 2004.
Wieviel Macht den Räten?
Der vorliegende Tagungsband versammelt die auf beiden Veranstaltungen gehaltenen Referate von Gewerkschaftern, Medienrechtlern und Medienjournalisten. Erörtert werden Fragen einer wirksamen Kontrolle des Rundfunks unter besonderer Berücksichtigung der (Programm-)Interessen abhängig Beschäftigter, der wachsende Quoten-Druck auf die Sender(mitarbeiter), die zunehmende Bedeutung von Programmsponsoring. Dankenswerterweise werden dabei einige Begriffe zurecht gerückt, die im Kontext von überhitzter Gebührendebatte und Strukturreformüberlegungen in Sachen öffentlich-rechtlicher Rundfunk immer wieder sinnentstellt werden. Etwa der häufig missbrauchte Terminus „Grundversorgung“: Nur wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Grundversorgung leiste, sei es überhaupt möglich, privaten Rundfunk mit abgesenkten Anforderungen an Vielfalt und Kontrolle zuzulassen, ruft Wolfgang Schulz, Direktor des Hans-Bredow-Instituts in Erinnerung. Welche Funktion haben die Räte? Sind sie instrumentalisierte „zahnlose Tiger, als die sie Ex-Deutsche-Welle-Intendant Dieter Weirich in skeptisch-ironischer Manier charakterisiert? Oder doch eher der „inhaltliche Rechnungshof“ unserer Medienrealität, als den Manfred Helmes, Direktor der LPR Rheinland-Pfalz, die Gremien sieht? Ist nicht mancherorts die Zusammensetzung der Räte aus Mitgliedern der so genannten „gesellschaftlich relevanten Gruppen“ obsolet, wenn etwa Vertriebenenverbände Sitz und Stimme haben, Migrantenvertreter dagegen nicht?
Spannend auch die Auseinandersetzung um die Frage, ob die gesellschaftliche Wirklichkeit im TV unter dem Diktat der Quote noch vorkommen darf. VS-Vorsitzender und Medienautor Fred Breinersdorfer berichtet von der wachsenden Schwierigkeit, Zeit-Stoffe in öffentlich-rechtlichen Fiction-Programmen unterzubringen und wettert gegen die „Pilcherisierung“ der ARD. Eine These, der ARD-Programmdirektor Günter Struve vehement widerspricht.
Rundfunkaufsicht – zur gesellschaftlichen Kontrolle des Rundfunks.
Hans-Otto Hemmer (Herausgeber)
Schüren Verlag, Münster 2004,
196 Seiten
12,90 Euro
ISBN 3-89472-277-0