Kinder sollen Milch trinken, finden die Eltern, aber der Nachwuchs würde lieber Schokolade naschen; also wurde der Kakao erfunden. Das stimmt natürlich so nicht, lässt sich als Bild aber prima auf den TV-Konsum übertragen. Um die Zielgruppe der Kinder nicht ans Privatfernsehen zu verlieren, haben ARD und ZDF 1997 den Kinderkanal ins Leben gerufen. Zwar setzt auch der KiKA größtenteils auf Unterhaltung, aber zwischendurch gibt’s immer wieder gut gemachte und vielfach ausgezeichnete Informationssendungen. Das kommt laut einer aktuellen Umfrage auch bei den Eltern gut an.
Eltern haben konkrete Vorstellungen von gutem Kinderfernsehen. Besonders wichtig sind ihnen Wissenssendungen und Dokumentationen, wie rund 90 Prozent der befragten Väter und Mütter bestätigten. 80 Prozent der Eltern, deren Kinder sechs Jahre oder älter sind, betonen zudem die Bedeutung von Kindernachrichten. Erfundene Geschichten finden nur 40 Prozent wichtig. Dies ist das Ergebnis einer repräsentativen Befragung, die das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) durchgeführt hat. Befragt wurden gut tausend Eltern von Kindern im Alter zwischen drei und zwölf Jahren. Sie sollten angeben, wie sie die Medienangebote der vier frei empfangbaren Kindersender in Deutschland einschätzen und was ihnen am Programm wichtig ist.
Die Zahlen unterstreichen die besondere Rolle des öffentlich-rechtlichen Kinderkanals von ARD und ZDF: Wie eine ergänzende IZI-Studie zeigt, ist KiKA der einzige der vier Kindersender, der Dokumentationen und Nachrichten für Kinder anbietet. Hinzu kommt eine Vielzahl an Wissensmagazinen wie „Checker Tobi“ (BR), „Wissen macht Ah!“ (WDR) oder „Pur+“ (ZDF), von der „Sendung mit der Maus“ (WDR) ganz zu schweigen. Laut IZI-Analyse besteht das KiKA-Programm zu gut 70 Prozent aus fiktionalen Sendungen, also eingekauften Zeichentrickproduktionen und Serien wie „Schloss Einstein“ (MDR) oder „Die Pfefferkörner“ (NDR), sowie zu knapp 30 Prozent aus Dokus und Wissensmagazinen. Um es in Anlehnung an den Werbeslogan eines auch bei Teenagern beliebten Süßwarenprodukts zu formulieren: viel Kakao, aber auch jede Menge Milch.
Fundamentaler Unterschied zu Privaten
Das unterscheidet den KiKA fundamental von der kommerziellen Konkurrenz: Einziges während der Stichprobenzeit (November 2022 und März 2023) gefundenes Wissensmagazin eines Privatsenders war „Woozle Goozle“ (Super RTL). Analysiert wurden die Angebote von KiKA, Super RTL, Nickelodeon und Disney Channel. In der Forsa-Umfrage sollten die Eltern außerdem beurteilen, wie gut die Angebote der Sender für ihre Kinder geeignet seien. 75 Prozent nannten den KiKA, die anderen folgten mit großem Abstand (Disney Channel: 39 Prozent, Super RTL: 21 Prozent, Nickelodeon: 12 Prozent). Ein Grund für diese Einschätzungen könnte die Herkunft des Programms sein. 70 Prozent der Befragten halten es für wichtig, „dass die Sendungen in Deutschland produziert wurden und die hiesige Lebenswelt der Kinder widerspiegeln.“ Laut IZI-Leiterin Maya Götz wird der internationale Kinderfernsehmarkt von Produktionen aus den USA dominiert. Selbst wenn eine Sendung „von der Idee bis in die verschiedenen Medien hinein in einem anderen Land entwickelt und produziert wurde, berücksichtigt sie, sofern sie global vermarktet werden soll, die Leitkultur Nordamerikas.“ Deshalb zeigten Zeichentrickserien oft typische Merkmale wie etwa Schulspinde, die es in dieser Form in Deutschland nur selten gebe, oder die Sportart Cheerleading.
Nach den Ergebnissen der IZI-Studie – das Institut ist eine Einrichtung des Bayerischen Rundfunks – gestalten die drei kommerziellen Kindersender ihr Angebot fast ausschließlich mit fiktionalem Programm, das wiederum größtenteils aus überwiegend in den USA produzierten Zeichentrickserien bestehe; deshalb gebe es dort kaum Sendungen mit Bezug zur deutschen Lebensrealität. Sie stammen entweder vom KiKA selbst oder werden vom ZDF und den ARD-Sendern zugeliefert. Eingekaufte Sendungen machten nur rund 25 Prozent des Angebots aus.
Rolle als Sozialisiationsinstanz
Ein Programm, das die Lebenswelten von Kindern in Deutschland thematisiere, resümiert Götz, finde sich daher „fast ausschließlich beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk“. Nur der KiKA habe „ein vielfältiges Angebot, das von Geschichten über Wissenssendungen und Dokumentationen bis zu Kindernachrichten reicht.“ Diese Tatsache ist zwar bekannt, aber nun, so Götz, sei sie auch belegt: „Das Kinderfernsehen von ARD und ZDF ist von großem öffentlichen Wert.“ Das werde offenbar für selbstverständlich gehalten und daher so gut wie nie explizit genannt, doch es sei wichtig zu betonen, dass das Angebot „nicht nur die Neugier und den Geschmack der Kinder trifft, sondern auch jene Vielfalt bietet, die pädagogisch ausgesprochen wichtig ist und von den Eltern gefordert wird.“ Umso mehr vermisst die Medienwissenschaftlerin eine differenzierte Diskussion über das Kinderfernsehen und seine Rolle als zentrale Sozialisationsinstanz: „Kinder haben in unserer Gesellschaft fast keine Lobby. Entsprechend bleiben auch die Medien, die Kindern wichtig sind, für Erwachsene weitestgehend unsichtbar.“
Aus Kindersicht sieht die Rangliste der Lieblingssender laut einer Untersuchung des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest aus dem Jahr 2022 übrigens etwas anders aus. Hier liegt KiKA (29 Prozent) vor Super RTL (22 Prozent), doch dann folgen die Erwachsenenprogramme RTL (10 Prozent) und ProSieben (7 Prozent). Nur 4 Prozent der Kinder nennen Disney und Nickelodeon. Bei den Marktanteilen liegen KiKA und Super RTL mit gut 15 Prozent in etwa gleich auf.