Frankfurter Rundschau verliert Druckerei – Miniredaktion bleibt eventuell
Selbst wenn die Frankfurter Rundschau (FR) irgendwie erhalten bleibt, „wird es für die Belegschaft in Verlag und Druckerei sehr blutig werden“, prophezeite Marcel Bathis, FR-Betriebsratsvorsitzender, am 16. Januar bei einer Protestkundgebung in Frankfurt/Main. Die Sorge war berechtigt. Am 30. Januar informierte der Insolvenzverwalter die Belegschaft: Zwei Interessenten gibt es, dennoch werden rund 420 der 450 Beschäftigten des insolventen Druck- und Verlagshauses Frankfurt am Main (DuV) voraussichtlich ihren Arbeitsplatz verlieren.
Das türkische Medienunternehmen „Estetik Yayincilik“ ist sowohl an der FR als auch an der Druckerei interessiert. Ein Kaufangebot liegt aber laut Insolvenzverwalter Frank Schmitt nur formlos und unverbindlich vor, die Preisvorstellungen seien wesentlich zu niedrig, die Zahlungsmodalitäten nicht akzeptabel. „Der Gläubigerausschuss hält es nicht für tragfähig“, erklärte Schmitt gegenüber faz.net am 30. Januar.
Bei dem anderen Interessenten handelt es sich um die Frankfurter Allgemeine Zeitungs GmbH. Sie wolle die „Rundschau“ in gewohntem Umfang mit etwa 30 Redakteuren weiterführen. „Es soll eine vollwertige Zeitung sein, kein Lokalblatt“, wird Schmitt in faz.net zitiert. Der geplante Kauf wurde bereits beim Bundeskartellamt angemeldet. Erhielte die FAZ GmbH den Zuschlag, würde die FR künftig bei der Frankfurter Societäts-Druckerei gedruckt werden. Dies wäre das Aus für die FR-Druckerei. Der Betriebsübergang würde dann laut Insolvenzverwalter zum 1. März erfolgen. Die Beschäftigten der Redaktion, die nicht übernommen würden, könnten zu diesem Zeitpunkt in eine Transfergesellschaft wechseln. In der Druckerei in Neu-Isenburg würde noch bis Ende März das Handelsblatt gedruckt, die FR bis Ende April, danach könnten auch die dortigen Beschäftigten in die Transfergesellschaft übergehen.
Alteigentümer des insolventen DuV sind mit 50 Prozent die Mediengruppe DuMont Schauberg (MDS) und zu 40 Prozent die SPD-Medienholding ddvg. Der Rest gehört der Karl-Gerold-Stiftung. FR-Betriebsrat und ver.di hatten mit der ddvg und MDS verhandelt und konnten letztendlich die Transfergesellschaft durchsetzen. Diese soll laut faz.net von den beiden Rundschau-Gesellschaftern mit rund sechs Millionen Euro finanziert werden. Der Betriebsratsvorsitzende Marcel Bathis zeigte sich enttäuscht: Anstatt die vermutlich bald auf der Straße stehenden Kollegen für zwölf Monate in einer Transfergesellschaft aufzufangen, hätten die bisherigen Eigentümer nur für sechs Monate Hilfe zu gesagt.
Das Insolvenzverfahren sollte ursprünglich am 1. Februar eröffnet werden. Der Gläubigerausschuss hat zugestimmt, das Unternehmen vorerst darüber hinaus fortzuführen, um die Verkaufsgespräche zu einem Abschluss zu bringen.
Der gescheiterte Verkaufsprozess für die Druckerei sei „bitter“, sagte der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. „Seit Jahrzehnten hat die Mannschaft des Neu-Isenburger Druckzentrums hervorragende Qualität produziert. Es ist unfassbar, dass es damit nun in den nächsten drei Monaten vorbei sein soll“, sagte Frank Werneke. Die Belegschaft reagiere zu recht mit Wut und Enttäuschung auf die entsprechende Information durch den Insolvenzverwalter: „Da hätte mehr getan werden müssen, um die berufliche Zukunft der Kolleginnen und Kollegen zu sichern“, betonte Werneke.
ver.di bezeichnete es als „desaströsen Fehler“, das Druck- und Verlagshaus der FR in die vorläufige Insolvenz zu bringen. Das habe die soliden Kundenbeziehungen für die im Kern gesunde Druckerei zerrüttet. Der Investorenprozess sei dadurch in den letzten drei Monaten stark belastet gewesen. Anfang des Jahres hatte die Axel Springer AG die Druckaufträge für Bild, Welt und Weltkompakt gekündigt. Das erschwerte die Suche nach einem Investor weiter.
Glaubwürdigkeit
Auch der zu befürchtende Kahlschlag in der FR-Redaktion sei ein Debakel für das Traditionshaus, das als eine der ersten Nachkriegszeitungen die publizistische Landschaft der Bundesrepublik wesentlich mit geprägt habe: „Wenn die Geschäftsführung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) als glaubwürdiger Investor in Erscheinung treten will, muss sie die FR als eigenständigen Titel mit einer starken Meinung erhalten“, forderte Werneke. Er warnte davor, den Zeitungstitel nur aus Mitnahmeeffekten auf den Anzeigenmärkten zu übernehmen.
Besonders hart wirke sich die Insolvenz auf die Beschäftigten aus, die beim Arbeitsplatzverlust auf die spärlichen Abfindungen nach Insolvenzrecht zurück geworfen seien. Werneke kündigte an, die Forderung nach zusätzlichen Abfindungsleistungen weiterhin an die FR-Gesellschafter zu richten. „Um glaubwürdig zu bleiben, wenn sie Arbeitnehmerrechte und soziale Verantwortung von anderen einfordert, sollte die SPD zuerst in ihrem eigenen Unternehmen für das Schicksal der Kolleginnen und Kollegen in die Verantwortung gehen“, unterstrich Werneke. In den vergangenen Tagen habe es mit den Gesellschaftern Verhandlungen über Abfindungen gegeben. „Die Beschäftigten haben in mehreren Sanierungstarifverträgen wiederholt auf Gehaltsbestandteile verzichtet, damit der FR immer wieder Luft verschafft und im Insolvenzverfahren ihre Beiträge in der Investorensuche geleistet.