Thomas Ganske will seine Unternehmen durch Schließungen und Entlassungen sanieren
Der „Rheinische Merkur“ vermeldete Mitte März: Auch die dritte Auflage des „Römischen Messbuches“ schreibe nicht die Kelchkommunion als allgemeine Praxis vor. Diese von der Redaktion für berichtenswert gehaltene Neuigkeit erhielten auch die „Woche“-Abonnenten ins Haus geliefert, die nach der jähen Einstellung ihres Blattes plötzlich als Ersatz das christlich ausgerichtete Blatt mit dem Untertitel „Christ und Welt“ aus Düsseldorf in ihren Briefkästen fanden.
Ob Kurt Breme, Geschäftsführer der „Woche“, die Notiz über die Kelchkommunion auch als Beispiel des „Qualitätsjournalismus der ersten Sorte“ sieht, von dem er in einem Brief an die bisherigen Abonnenten der „Woche“ spricht und mit dem er ihnen die Zusendung des „Merkurs“ als vorteilhaft erscheinen lassen will? Und Breme weiß mehr Gutes über die neue Alternative: „Vieles sieht man beim ‚Rheinischen Merkur‘ ebenso, wie das die Journalisten der ‚Woche‘ gesehen haben: die Freude an erstklassigem Journalismus, den pointierten, aber diskursiven Zugang auf die Themen der Woche, die Offenheit für andere Ideen und Meinungen, die präzise und kompakte Aufarbeitung; das freundliche, moderne Layout.“ Dieses Preislied für die bisherige Konkurrenz kann Erstaunen hervorrufen, zählen doch zu den Herausgeberinnen der Wochenzeitung aus Düsseldorf die christliche Fundamentalistin Christa Meves, der gescheiterte stramm-rechte sächsische CDU-Politiker Steffen Heitmann und der „Mut“-willige ehemalige Intimus des Kanzlers Kohl, Wolfgang Bergsdorf (Autor der hart rechten Zeitschrift „Mut“). Dagegen war Manfred Bissinger, der Herausgeber der Wochenzeitung aus Hamburg bekanntlich ein überaus engagierter Herold der rot-grünen Bundesregierung. Doch sein Freund Gerhard Schröder hatte schon im Gründungsjahr der „Woche“ deutlich gemacht, was er von Zeitungen wie Büchern hält. Ausgerechnet ihn zitiert in ihrer allerletzten Ausgabe die „Woche“ mit einem Ausspruch aus dem Jahr 1993: „Ich habe nie gerne gelesen. Das, was ich brauche, hole ich mir lieber aus Gesprächen.“ Daneben heute ein Artikel von Günter Grass, mit dem sich die Zeitung, wie aus früheren Wahlkämpfen gewohnt, als publizistisches Sturmgeschütz für die rot-grüne Sache zurückmeldet.
Bei aufsteigender Linie ging es bergab
Und wenn es auch Mitte Januar in einem Editorial noch geheißen hatte: „die Linie ist aufsteigend“ – da im Quartalsvergleich die verkaufte Auflage der „Woche“ weitaus stärker gestiegen war (+ 3,8 Prozent) als die von „Zeit“ (0,5) und „Rheinischem Merkur“ (0,4) – es ging bergab. Ende Januar verließ schon Chefredakteur Hans-Ulrich Jörges endgültig das Blatt, nachdem er im November zuvor gekündigt hatte – angeblich, raunt die Branche, weil er mit der rot-grünen Ausrichtung des Blattes nicht einverstanden war – was Manfred Bissinger entschieden dementiert – und weil Jörges sich außerdem weigerte, Abstriche bei den Personalkosten zu machen. Das wenigstens bestätigt Bissinger freimütig.
Bald auch meldete brieflich WAZ-Geschäftsführer Schumann Interesse an einer Beteiligung an der „Woche“ an – so Originalton Bissinger. Schumann habe mit Hilfe der „Woche“ den großen Teil der Leserschaft – angeblich ein Drittel – zufrieden stellen wollen, der mit Inhalten und Präsentation in vielen WAZ-Blättern unzufrieden war. In anschließenden Gesprächen fanden WAZ- wie „Woche“-Leute konkrete Lösungen bis hin zu einem zweiten Druckort und einem preiswerten Marketingkonzept unter Zuhilfenahme der WAZ. Doch da die Kontakte zu früh öffentlich geworden seien, so Bissinger weiter zur M, sei es zum Eklat gekommen: Anfang März habe sich „der bedeutende Rechercheur“ Hans Leyendecker (von der „Süddeutschen Zeitung“) – so die Häme Bissingers – vom Geschäftsführer der WAZ-Gruppe „in den Block diktieren“ lassen, dass die Versuche des „Woche“-Verlegers Thomas Ganske gescheitert seien, das Blatt an die WAZ zu verkaufen.
Als Reaktion auf die gescheiterten Gespräche mit der WAZ hätten – so Bissinger weiter – Anzeigenkunden neue Sicherheiten verlangt. Nun ja, nebenbei: Zuletzt ließ sich die Zahl der Anzeigenkunden an den Fingern einer Hand abzählen. Doch die Reaktion Thomas Ganskes – für den Bissinger nur Lob findet – war die Einstellung des Erscheinens der „Woche“ ohne jede Vorankündigung. Obwohl schon zum Teil produziert, durfte keine weitere Ausgabe erscheinen, da es „keine Aussichten auf eine positive Geschäftsentwicklung“ gab. Das allerdings galt seit 472 Wochen: Schwarze Zahlen schrieb das Blatt nie. Ganske steckte schätzungsweise insgesamt 40 Millionen Euro in die „Woche“, im vergangenen Jahr 4,6 Millionen Euro, also im Durchschnitt fast 88.500 Euro je Ausgabe. Eine solche Ausgabe spürt vielleicht auch ein Ganske, der einer verschwenderischen Liebhaberei wie dem Sammeln von Ferrari-Luxusautos frönt.
Richtig knauserig allerdings wurde der auch öffentlich zum „Homme de lettre“ geadelte „Verleger aus Leidenschaft“ (Bissinger) bei den Zahlen für den Sozialplan: Nur knapp über 600.000 Euro wollte sich Ganske (bei Redaktionsschluss dieses Heftes) für gut 100 Beschäftigte abzwacken lassen. Laut Bissinger geht in den Betrag auch der Kaufpreis für die Abonnentenkartei ein – wovon dem Betriebsrat nichts bekannt war _, die der „Rheinische Merkur“ deshalb erhalten habe, weil sein Angebot doppelt so hoch wie das des „Spiegels“ und der „Zeit“ gewesen sei. – Zuletzt hatte die „Woche“ noch gut 50.000 Dauerbezieher; mehr als die gleiche Zahl von Exemplaren ging in sogenannte Sonderverkäufe wie an Fluglinien und Hotelketten, so dass der Verlag an den Kiosken wöchentlich gerade zwischen 20.000 und 30.000 Ausgaben absetzen konnte.
Mit der „Woche“ scheiterte ein „journalistisches Projekt“, keine Marketing-Idee, betont Manfred Bissinger. Viel habe das Blatt angeschoben, so schon früh Diskussionen über die Fortpflanzungsmedizin. Auch habe es Bekenntnisse abgelegt, zu Politikern wie Roman Herzog und Gerhard Schröder, und habe dabei doch immer plural argumentieren wollen. Aber diese Art von Journalismus habe keine Chance, wie Qualitätsjournalismus es überhaupt schwer habe. Die Bilanz des gelernten Buchhalters: Nach dem Scheitern der „Woche“ hält er die Neugründung einer Zeitung in Deutschland nicht mehr für möglich. Seine persönliche Zukunft sei noch unklar. Doch über das Angebot einer wöchentlichen Kolumne im „Rheinischen Merkur“ habe er nur „herzhaft gelacht“.
Bissingers langjähriger Verleger Ganske bringt vor, im Unterschied zu großen Verlagen habe er nicht länger die Verluste der „Woche“ tragen können. Doch da macht sich Ganske kleiner als er ist. Nach der jüngsten Aufstellung der Fachzeitschrift „Horizont“ über die 100 größten deutschen Medienunternehmen rangiert die Ganske-Gruppe mit einem Umsatz von 300 Millionen Euro im Jahr 2000 (Steigerung gegenüber dem Vorjahr: 11,1 Prozent) auf Platz 32.
Weitere Kündigungen
Zur Gruppe gehören nicht nur der Jahreszeiten-Verlag (Branchenjargon: Jalag) mit zwölf Zeitschriften wie „Feinschmecker“, „Für Sie“, „Merian“, „Petra“, „Vital“ und „Zuhause Wohnen“ (wo sonst?) sowie Kundenmagazinen, unter anderem für BMW und Siemens. Sondern zum Ganske-Herrschaftsbereich zählen auch die Stadtmagazine unter dem Label „Prinz“, ferner die Verlage Hoffmann und Campe, Gräfe und Unzer, Guinness (zu 70 Prozent), eine Beteiligung am Deutschen Taschenbuch-Verlag (dtv) sowie Europas größter Lesezirkel „Leserkreis Daheim“, ferner das Unternehmen iPublish sowie „diverse Handels- und sonstige Unternehmen“ wie die Berliner Versandbuchhandlung Frölich & Kaufmann bis hin zum Hotel Hohenhaus in Herleshausen.
Die Jalag-Nachrichten von Mitte März waren allerdings beunruhigend: Hatte der Verlag schon zuvor befristete Verträge beim „Feinschmecker“ nicht verlängert, so stellte er jetzt 55 Kündigungen in Aussicht – genau so viele, um der Pflicht zum Sozialplan zu entgehen. Auch die Hoffnungen des Jalag-Betriebsrat, das nach Einstellung der „Woche“ die bisherigen Subventionsgelder „zur Sicherung unserer Arbeitsplätze“ fließen würden, sind inzwischen zerstoben. Statt dessen will der Jalag-Betriebsrat Sozialplanverhandlungen durchsetzen, da nach seiner Auffassung mit vorhergehenden Aufhebungsverträgen der Verleger doch dazu verpflichtet sei.
Übrigens: Schon im vergangenen Jahr hatte die Ganske-Gruppe das Medienhaus Prinz in Mannheim geschlossen; Mehr als 70 Beschäftigte verloren ihren Arbeitsplatz.