„Hätt‘ ich dich heut‘ erwartet, hätt‘ ich Kuchen da!“ Am 8. Januar 2023 wird Ernie garantiert backen: Auf den Tag genau 50 Jahre ist es dann her, dass die „Sesamstraße“ zum ersten Mal im deutschen Fernsehen zu sehen war. Seitdem sind ganze Generationen von Vorschulkindern mit Oskar aus der Mülltonne, Bär Samson und Schnecke Finchen aufgewachsen. Das Erste und der Kika zeigen anlässlich des Jubiläums am 8. Januar Sondersendungen, das Museum für Kunst & Gewerbe (MK&G) Hamburg lädt zum Aktionstag.
Nach Start der „Sesame Street“ in den USA am 10. November 1969 war Deutschland zwar das erste Land außerhalb der Vereinigten Staaten, in dem Kinder die Figuren aus Jim Hensons Puppenschmiede zu Gesicht bekamen, recht war das jedoch längst nicht jedem: Die Lebensumstände in Amerika und Deutschland ließen sich nicht miteinander vergleichen, beklagten Kritiker, die Sendung sei ein „Werbe-, Drill- und Überredungsprogramm“, schimpfte der Bayerische Lehrerverband. Der Bayerische Rundfunk versuchte, den Ankauf der Serie zu verhindern und zeigte sie zunächst nicht in seinem dritten Programm. Heute läuft die Reihe weltweit in mehr als 140 Ländern.
Die Sendung basierte auf einem für damalige Verhältnisse neuartigen Konzept: Medienforschende hatten herausgefunden, dass Kinder Melodien aus Werbespots besser behielten als die eigentlichen Programminhalte, weshalb die „Sesame Street“ Bildung mithilfe unterhaltsamer Elemente vermitteln sollte. Vor allem Kinder aus bildungsfernen Schichten, speziell aus ethnischen Minderheiten, die viel Zeit allein vor dem Fernseher verbringen, sollten gefördert werden. Hierzu entstand 1968 als Produktionsunternehmen der gemeinnützige Children’s Television Workshop (CTW), heute Sesame Workshop. Viele afroamerikanische Schauspieler wirkten in der Sendung mit, so etwa Bob und Susanne mit Spielszenen vor einem New Yorker Haus.
In Deutschland kamen zunächst die US-Szenen zur Ausstrahlung. Später setzte der Norddeutsche Rundfunk (NDR), der die hiesige Version verantwortet, auf eine eigene Rahmenhandlung. Er ließ Bär Samson mitsamt Schnuffeltuch in die „Sesamstraße“ einziehen, außerdem die rosafarbene Tiffy, einen hilfsbereiten, aber zuweilen etwas altklugen Vogel. Zu ihnen gesellten sich Schauspieler wie Liselotte Pulver, Henning Venske, Uwe Friedrichsen, Ute Willing oder Manfred Krug. Die Bundesregierung hatte den Import der Sendung mit drei Millionen Mark unterstützt – die „Sesamstraße“ sollte helfen, die damals festgestellte „Bildungskatastrophe“ abzuwenden.
Noch immer lautet der deutsche Titelsong „Wieso, weshalb, warum – wer nicht fragt, bleibt dumm“, aktuell singt ihn Lena Meyer-Landrut. Der Satz sei bis heute eine der zentralen Botschaften der „Sesamstraße“, erklärt NDR-Programmdirektor Frank Beckmann. Schon die jüngsten Zuschauerinnen und Zuschauer sollen ermuntert werden, neugierig zu sein. Die Puppen dienten als Vorbilder, so beschreibt es Beckmann: „Sie sind wissbegierig, sie machen Quatsch, sie machen Fehler, sie lernen und sie dürfen sein, wie Kinder (und Erwachsene) nun mal sind: frech wie Ernie, aufgeregt wie Elmo, neugierig wie Abby oder auch mal schlechtgelaunt wie Oskar aus der Mülltonne.“
Für Astrid Plenk, Programmgeschäftsführerin des Kika, steht fest: Die „Sesamstraße“ führe „zu Orientierung, zu Begeisterung am Wissen, zur verbindenden Kraft von Humor“. Und zu „Einsicht, Verstehen und Freundschaft“ sowie „direkt in die Herzen der Menschen“.
Entstanden sind in 50 Jahren knapp 3.000 deutsche Folgen, wobei das Konzept der „Sesamstraße“ stetig weiterentwickelt wurde. Tiffy sowie der später hinzugekommene, eingebildete Herr von Bödefeld sind längst im Ruhestand, neue Helden wie das Duo Wolle und Pferd haben Einzug gehalten, letztere sogar mit eigener Spin-off-Reihe „Eine Möhre für Zwei“.
Protagonist aktueller „Sesamstraße“-Folgen ist das kleine, rote Monster Elmo, gespielt von Martin Reinl, der mittlerweile auch den schusseligen, blauen Grobi verkörpert. „Eigenschaften wie Elmos Fröhlichkeit und Neugier oder Grobis nicht enden wollender Optimismus und seine Hilfsbereitschaft strahlen direkt auf einen ab, so dass ich nach Drehschluss gerne einfach in der Rolle bleibe“, erklärt Reinl. An Elmos Seite oft zu sehen ist Schauspielerin Julia Stinshoff.
Im Fernsehen wird der Geburtstag am 8. Januar natürlich ausgiebig gefeiert. Es beginnt um 7.20 im Ersten mit einem „Tagesthemen“-Special mit Caren Miosga. Im Kommentar der Sendung könnten Kekse eine Rolle spielen: Kommentator ist das Krümelmonster.