Alle gegen Bild

Erfolgreiche Kampagne gegen bundesweite Gratisausgabe

Sebastian Schulze ist Mitinitiator der Proteste gegen die geplante Gratisausgabe von Bild. Die Homepage www.alle-gegen-bild.de brachte nach dem Kampagnenstart Mitte April viel Zulauf. Kurz vor dem 100. Geburtstag des Bild-Gründers Axel Cäsar Springer verzeichnete der Aufruf bereits weit mehr als 200.000 Zugriffe.

Foto: Axel Springer AG
Foto: Axel Springer AG

Alle gegen Bild statt Bild für Alle. Was soll diese Aktion?

Sebastian Schulze: Die Aktion soll klarmachen, dass die Kritik an der Bild Zeitung, ihrer Methoden und dem Verlag und seiner Profitinteressen seit 1968 nicht verschwunden, sondern nur verstummt ist. Sie lebt wieder auf, weil der Verlag vor hat, die Republik mit Zeitungen zu überschwemmen, die eigentlich kein Journalismus sind. Wir wollen am Beispiel der Bild und anderer Medien des Springer Verlags – es gibt ja auch welche, die sich einen etwas seriöseren Anschein geben wie etwa die Welt – die Methoden des Verlags überprüfen, seine reaktionären Inhalte einer grundsätzlichen Kritik unterziehen.

Worauf hauptsächlich richtet sich Ihre inhaltliche Kritik?

Wir wenden uns entschieden gegen den darin enthaltenen Rassismus, gegen den Sexismus, den die Zeitung vertritt, gegen den Chauvinismus einerseits im sozialen Bereich, das heißt also die Diskriminierung und Hetze gegen Arbeitsuchende, Arbeitslose und Hartz-IV-Empfänger. Daneben auch gegen den Sozialchauvinismus, der sich gegen andere Völker richtet. Die „Berichterstattung“ der Bild Zeitung im Fall Griechenland zeigt ja, wie da Ressentiments geschürt werden gegen andere Bevölkerungen, gegen die Verlierer der internationalen Finanzkrise.

Bild verliert seit Jahrzehnten permanent an Auflage. Offenbar lassen sich die Bürger immer weniger gern für dumm verkaufen, oder?

Das ist richtig. Der Rückgang der Auflage belegt, dass der Einfluss von Bild sinkt. Witzigerweise zeigt es sich auch an politischen Projekten, die die Bild krampfhaft durchdrücken wollte. Bestes Beispiel: Die Propagandaaktion zum Erhalt des Tempelhofer Flughafens. Die Menschen haben beim Volksbegehren anders entschieden, die Kampagne von Bild ging ins Leere. Dennoch: Der Versuch, die Menschen mit Bild-Exemplaren zuzuschütten, mag so eine Art Aufbäumen angesichts niedriger Verkaufszahlen sein. Man darf aber auch nicht vergessen, dass Springer mit Verlagsbeteiligungen international immer weiter aufrüstet. Auch im Online-Bereich legt Springer derzeit massiv zu. Da verhält sich der Verlag durchaus innovativer als andere Verlage.

Bild versucht in jüngster Zeit, sich von seinem Schmuddelimage zu lösen. Das Pin-up von Seite 1 ist verschwunden, und immerhin hat die Zeitung das korruptionsverdächtige Verhalten von Ex-Bundespräsident Wulff entlarvt. Wird da ein Saulus zum Paulus?

Ich glaube nicht so recht daran, dass sich Bild reifer und geläutert von ihrer Vergangenheit löst. Diese Einschätzung von Seiten anderer Medien entspricht nicht der Realität, dafür fehlen Belege. Ob Bild dafür gesorgt hat, dass Wulff zurücktreten musste, lass ich mal dahingestellt. Auf der anderen Seite: Wo ist das Emanzipatorische an der Zeitung? Dass sie das Pin-up-Girl von der Titelseite haben verschwinden lassen, wurde als großer Gestus der Gleichberechtigung marketingmäßig in die Öffentlichkeit posaunt. Dabei ist es nur in die Heftmitte verschoben worden. Diese angebliche Wende zu mehr Seriosität nehme ich dem Blatt nicht ab. Bild verfolgt weiterhin die gleichen Ziele mit den gleichen Methoden. Sie ist vielleicht nicht mehr ganz so plump, aber hat sich nicht grundsätzlich verändert.

Ist Bild ein Symptom oder sind die anderen Boulevardzeitungen besser?

Bild folgt den Gesetzen des Marktes und dem Gebot der Profitmaximierung am konsequentesten. „Der Zweck heiligt die Mittel“ – nach diesem Motto wird bei der Bild wahrscheinlich am ausgeprägtesten verfahren. Es gibt Boulevardblätter, die nicht den Anspruch erheben, politischer Akteur zu sein. Das ist der Unterschied zu Bild. Sie ist eine bekennende Boulevardzeitung, die sich selbst als Subjekt des politischen Lebens versteht und als solches agiert.

Sehen Sie sich in der Tradition der Alt-68er oder von Wallraff?

Das ist vielleicht ein Anspruch, dem wir nicht gerecht werden können. Andererseits steht die Bild wieder mehr in der Tradition der Hetz- und Rufmordkampagnen, die sie früher gefahren hat. Ich erinnere mich an die Sachen gegen linke Studierende oder gegen homosexuelle Frauen. Sowas scheint sich jetzt am Beispiel Griechenland zu wiederholen. Insofern folgt eher die Bild einer Tradition. Andererseits: Ich würde mich nicht dagegen wehren, wenn man uns in dieser kritischen Traditionslinie sieht. Denn es gibt diesen schönen Satz: „Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers.“

 

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