Lineares Fernsehen ist out. Streaming ist in. Diesem Ruf der Digitalisierung folgt auch die ARD und baut gemeinsam mit dem ZDF die Mediathek aus. Auf der Berliner re:publica stellte der ARD Sendeverband seine Pläne für einen kostenlosen Streamingdienst dem Fachpublikum vor. Wie schon im Februar angekündigt hat die ARD ordentlich investiert. Zuschauer*innen können sich schon jetzt ein Bild von den neuen Video-on-Demand- Angeboten im Internet machen.
Immer weniger Menschen schalten noch um 20 Uhr ihren Fernseher zu den Abendnachrichten ein. Das bedeutet nicht, dass die Tagesschau weniger gesehen wird. Aber auch die Inhalte der öffentlich-rechtlichen Sender werden zunehmend on demand abgerufen und auf der Webseite angeklickt. Laut ARD nutzen täglich rund 2,1 Millionen Menschen die Mediathek.
Wenn es nach den Entwickler*innen geht, dürften es bald sogar noch mehr werden. Auf der Digitalmesse re:publica gaben sie im „ARD Perspective Lab“ Einblicke in den Stand ihres Streaming-Projekts. Vor allem die Zielgruppe zwischen 19 und 49 Jahren soll für die Mediathek gewonnen werden, also Menschen, die bereits Erfahrungen in Sozialen Medien und mit anderen kommerziellen Straemingdiensten haben. „Eroberungszielgruppen“ nennt man sie bei der ARD.
Bedienung deutlich komfortabler
Technisch sei man auf dem richtigen Weg. Immer neue Features würden ausgespielt, die Suchfunktion sei erheblich verbessert worden, freuten sie die Produktentwickler auf der Messe. Die Bedienung der Mediathek solle aber insgesamt noch deutlich komfortabler werden, hatte die ARD-Programmdirektorin Christine Strobl bereits im Februar versprochen. Schon bald werde es möglich sein, dass Nutzer*innen die Mediathek ihren Vorlieben entsprechend personalisieren können. Die Mediathek solle auch auf regionale Vorlieben der Nutzenden eingehen. Zumindest der Login und das Anlegen eines persönlichen Kontos funktionierte bis zur re:publica auch schon.
Dazu kommen jetzt noch neue, intelligente Empfehlungsfunktionalitäten auf Basis von Künstlicher Intelligenz, die gemeinsam mit dem ZDF entwickelt wurden und Analytik, um Zuschauer*innen gezielt anzusprechen. ZDF und ARD arbeiten seit rund anderthalb Jahren gemeinsam an einer technologischen Partnerschaft. Die soll es ermöglichen, sich auch mit europäischen Partnern zu vernetzen. In den vergangenen Monaten wurden bereits Inhalte von phoenix, ARTE und 3sat in beide Mediatheken integriert.
Große Gefühle für das digitale Zeitalter
Inhaltlich setzt die ARD bei ihren neuen Produkten für die Mediathek auf große Gefühle, „radikale Relevanz“ und markante Persönlichkeiten. Auch bereits bestehende YouTube-Formate wie zum Beispiel das Y-Kollektiv sollen künftig in der Mediathek zu sehen sein. Aber auch der Tatort und die klassischen Politmagazine können weiterhin online gesehen werden.
Damit von all dem möglichst viele Menschen etwas mitbekommen, erweitern die Öffentlich-Rechtlichen ihre Werbemaßnahmen, insbesondere in den sozialen Medien. Die ARD setzt dabei insbesondere auf Konversion: Von den beliebten Formaten auf Instagram oder YouTube sollen die Zuschauer*innen künftig direkt in die eigene Mediathek geholt werden.
Budget wandert vom Linearen ins Digitale
Die Modernisierung zeigt sich auch in der finanziellen Ausstattung der Transformation. „Für den digitalen Umbau der ARD wurden bereits mehr als 150 Millionen Euro pro Jahr aus dem linearen Programm ins Digitale geschoben“, erklärte die ARD im Februar. Um den Auftrag auch im Digitalen noch besser erfüllen zu können, schichte die ARD weitere 250 Millionen Euro im Zeitraum 2025 bis 2028 um, mit denen Inhalte für Streaming-Fans entwickelt werden sollen: „Das sind im Schnitt mehr als 200 Mio. Euro pro Jahr.“
Welche Zukunft das lineare Fernsehen und seine Zuschauer*innen in der ARD dennoch hat, ist unklar. Sie werden auch immer weniger. Laut der ARD-Onlinestudie aus dem vergangenen Jahr verbringen Nutzer*innen ab 14 Jahren durchschnittlich 160 Minuten am Tag mit Medieninhalten im Web, davon im Schnitt 76 Minuten täglich auf Onlinedienste wie Netflix, Amazon Prime oder YouTube und in Mediatheken. Ein Zuwachs von zwölf Minuten zum Vorjahr. Wenig überraschend verbringen jüngere Menschen mehr Zeit im Internet als Ältere. Und gerade die möchte der öffentlich-rechtliche Rundfunk erreichen.