Attacke der Populisten

Welchen Einfluss haben Fake News?

Seit Donald Trumps Feldzug gegen kritische Medien ist der Begriff Fake News in aller Munde. Kritische Kommunikationsforscher_innen reden lieber von Junk News oder Schrott-Nachrichten, wenn es um die bewusste Verbreitung von Falschinformationen geht. Das umstrittene Netzwerkdurchsetzungsgesetz will diese Praxis eindämmen. Aber wie relevant sind Fake News zum Beispiel im ablaufenden Bundestagswahlkampf?

Deutschland vor der Bundestagswahl: Überall Fake News? Oder wird dieses Problem überdramatisiert? Fragen, auf die es am 20. September in Berlin bei einer gemeinsamen Veranstaltung der Stiftung Neue Verantwortung, des Oxford Internet Institute und von Reporter ohne Grenzen erste Antworten gab.

Wenn der angesehenen Theologin Margot Käßmann ein Satz wie „Alle Deutschen sind Nazis“ in den Mund gelegt wird, wissen durchschnittlich informierte Zeitgenossen: Hier waren Fake-News-Fabrikanten am Werk. Ein Fazit vorweg, um die Gemüter zu beruhigen: Die Bedeutung solcher Desinformationstechniken war im Bundestagswahlkampf einigermaßen überschaubar. Schon aufgrund der hierzulande noch vergleichsweise geringen Bedeutung der sozialen Medien für die Meinungsbildung. Während in Amerika acht von zehn Menschen Facebook als Informationsquelle heranzögen, seien es in Deutschland gerade mal halb so viele, rechnete Alexander Sängerlaub von der Stiftung Neue Verantwortung vor. „Und die, die sagen, das ist meine Hauptnachrichtenquelle, sind gerade mal nur sechs Prozent der Deutschen.“ Auch Twitter nutze gerade mal jeder vierzigste in Deutschland, um sich zu informieren.

Lisa-Maria Neudert vom Oxford Internet Institute untersucht die Rolle von Fake News, Manipulationen und Social Bots in Wahlkämpfen verschiedener Länder. Zuletzt publizierte ihre Forschungsgruppe eine Studie darüber, welche Informationen deutsche Wähler über Twitter austauschen. Dabei wurden vom 1. bis zum 10. September der Traffic untersucht und rund eine Million Tweets und Hashtags zu politischen Themen ausgewertet. Der automatisierte, also von Bots produzierte Anteil lag dabei bei wenig mehr als sieben Prozent. „Wir können also jetzt, was Twitter angeht, erst mal Entwarnung geben“, sagte Neudert. Vier von fünf Links, die geteilt werden, empfehlen zudem seriöse Nachrichten. Was aber im Umkehrschluss bedeutet: ein Fünftel empfiehlt Schrott-News. Bemerkenswert immerhin: 30 Prozent des gesamten untersuchten Traffic wurden von der AfD verursacht. Aber selbst bei ihr war nur ein geringer Teil Bot-produziert.

1000 Migranten randalieren auf Volksfest in Schorndorf? So lautete eine der spektakulärsten Junk News aus jüngerer Zeit.  Die bevorzugten Themen seien meist klar definiert, sagte Alexander Sängerlaub. Im Grunde drehe sich das meiste um Innere Sicherheit, Migration, Flüchtlingskrise – alles was sich dazu eigne, in den sozialen Medien Empörung zu verursachen. „Das emotionalisiert leicht, das sind so Wutthemen“, sagt Sängerlaub, „und die funktionieren natürlich immer gut. Da sind andere Themen wie zum Beispiel Pflege viel schwieriger, um da Bewegung reinzukriegen.“

Auch über die Herkunft gibt es meist kaum Zweifel. Fake News stammen „in der Regel aus dem rechtspopulistischen Raum und werden da von den jeweiligen Parteivertretern oder den Medien, die in diesem Spektrum angesiedelt sind, verbreitet“. Also Revolverblättern und Internetportalen wie Sputnik, Epoch Times, Junge Freiheit und anderen einschlägigen Publikationen aus dem AfD-Umfeld.

Und wie steht es mit der oft beschworenen „russischen Gefahr“? Während der Einfluss russischer Hacker bei den US-Präsidentschaftswahlen die amerikanische Innenpolitik immer noch in Atem hält, lässt sich Gleiches für die Bundestagswahlen nicht feststellen, sagt Propagandaforscherin Neudert. Diverse Untersuchungen hätten ergeben: Anders als noch bei den Bundespräsidentenwahlen, wo noch einige Bot-Aktivitäten auf russische Verbindungen hingewiesen hätten, passiere aktuell kaum etwas: „Keine smoking gun – gewisse Hinweise, Indizien vielleicht ja. Aber es sieht nicht so aus, als würden die Russen kommen, wenn ich das so sagen darf.“

Nach wie vor umstritten ist das so genannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz aus dem Hause von Bundesjustizminister Heiko Maas. Begründet wurde das im Juni verabschiedete Paragrafenwerk mit der Notwendigkeit, Fake News, also strafbare Falschnachrichten, aus den sozialen Netzwerken zu entfernen. Daniel Moßbrucker von Reporter ohne Grenzen sieht mehr Schaden als Nutzen. Zum einen würde ein Löschen in der rechten Szene vermutlich das Gegenteil bewirken. Wer in der Echokammer sitze, werde dadurch eher in seinem kruden Weltbild bestärkt. Er empfiehlt stattdessen Gelassenheit und Kontern mit korrekten Informationen. Zum anderen bestehe bei staatlichen Interventionen immer die „.Gefahr von Kollateralschäden“. Wenn die Politik dazu übergehe, Facebook-Einträge löschen zu lassen, so wäre das „kontraproduktiv für die Pressefreiheit“, findet Moßbrucker. Darüber hinaus sei es keine Lösung, „denn damit bekämpfen wir die Symptome eines Problems, aber nicht das Problem selbst“.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

USA: Gefährliche Berichterstattung

Zahlreiche Journalist*innen wurden während der Berichterstattung über die Demonstrationen in Los Angeles in der vergangenen Woche angegriffen, festgenommen und in ihrer Arbeit massiv behindert. Presserechtsgruppen verklagen nun die Polizei. Bei den Angriffen soll es sich um gezielte Attacken haben. Auch Reporter ohne Grenzen fordert eine Aufklärung aller dokumentierter Fälle.
mehr »

Innovatives Arbeiten im Journalismus

Flache Hierarchien, flexible Workflows und rollenbasierte Teamarbeit sind Kernelemente von agilem Arbeiten. Das Konzept stammt aus der Softwareentwicklung und hält inzwischen auch im Journalismus Einzug. Die Studie „Agiles Arbeiten im Journalismus: Einführung, Anwendung und Effekte von agilen Methoden in deutschen Medienhäusern“ untersucht, wie deutsche Medienhäuser agile Arbeitsmethoden in den redaktionellen Arbeitsalltag integrieren.
mehr »

Rundfunkfinanzierung in der Sackgasse

Bisher war Einstimmigkeit gefordert, wenn es um rundfunkpolitische Fragen ging. Die Ministerpräsident*innen der Länder sollen gemeinsam agieren, zum Schutz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Kein einfaches Unterfangen, wenn es um das Thema Rundfunkfinanzierung geht. Dass diese Praxis nun überarbeitet wird, ist Ausdruck einer Krise – wenn nicht der Demokratie, dann doch zumindest der Rundfunkpolitik der Länder.
mehr »

Nachrichtenvermeidung nimmt zu

Der „Reuters Digital News Report“ stellt fest:  Zwei Drittel der Deutschen vermeiden es inzwischen mindestens gelegentlich, sich mit aktuellen Nachrichten zu beschäftigen. Gleichzeitig wollen viele wissen, was los ist. Was da scheinbar nicht zusammenpasst, stellt sich angesichts der Nachrichteninhalte in Teilen nachvollziehbar dar - ein genauerer Blick auf den Bericht.
mehr »