Aus für Netzeitung

DuMont Schauberg: Mit Entlassungen Onlinepläne konterkariert

Das Aus für die Netzeitung kam kurz vor ihrem zehnten Geburtstag. Am 5. November entschied der Vorstand des Kölner Verlagshauses DuMont Schauberg, die Online-Zeitung zum Jahresende einzustellen. Damit verlieren 14 fest angestellte Mitarbeiter ihren Job. Der Schritt sei „aus wirtschaftlichen Gründen“ erfolgt, ließ der Verlag mitteilen. Es sei geplant, die Netzeitung künftig als „automatisiertes Nachrichtenportal“ zu nutzen.


Die Netzeitung sei in den letzten Jahren „hin und her geschubst worden wie ein Stiefkind“, sagt Renate Gensch, Konzernbetriebsratsvorsitzende der BV Deutsche Zeitungsholding, zu der neben der Netzeitung auch die Berliner Zeitung und das Boulevardblatt Berliner Kurier gehören. Den vollmundigen Ankündigungen der Kölner Verlagsgruppe, gerade im Bereich Online kräftig aufzurüsten, seien bislang keine Taten gefolgt.
Erst im Frühjahr hatte DuMont Schauberg die Netzeitung von der krisengeschüttelten Mecom-Gruppe um David Montgomery übernommen. Unter den neuen Besitzern, so hofften die verbliebenen Beschäftigten, werde wieder an das ursprüngliche Konzept eines anspruchsvollen Nachrichtenportals angeknüpft. Eine Fehleinschätzung, wie sich jetzt herausstellte. Noch am Tag, als das Aus für die Netzeitung verkündet wurde, hatte Uwe Vorkötter, der Chefredakteur der Berliner Zeitung, in einem epd-Interview von dem geplanten Ausbau der Online-Aktivitäten gesprochen. Für die Netzeitung-Redaktion klingt das wie blanker Hohn. „Es hätte nahe gelegen, das Know How der jetzt gefeuerten Kollegen für eine Verbesserung des Online-Auftritts der Berliner Zeitung zu nutzen“, sagt Netzeitung-Betriebsratsvorsitzender Matthias Breitinger. Stattdessen erhielten die Redaktionsmitglieder betriebsbedingte Kündigungen. Eine nicht nachvollziehbare Entscheidung, urteilte auch verdi-Tarifsekretär Matthias von Fintel. Die „hochfliegenden Onlinepläne“ von DuMont würden „durch den Rausschmiss ganzer Onlineredaktionen konterkariert“. Am 17. November protestierten 120 Mitarbeiter des Berliner Verlags (Bild) gegen die Maßnahmen DuMonts, die für einige der Betroffenen mit schweren sozialen Härten verbunden sind.
Als die Netzeitung vor fast zehn Jahren von den norwegischen Internetpionieren Nettavisen gegründet wurde, galt sie als erste ausschließlich im Internet publizierte Tageszeitung Deutschlands. Kurzzeitig stieg der mächtige Bertelsmann-Konzern ein, ehe im Jahr 2003 Chefredakteur Michael Maier die Regie übernahm. Er baute das Unternehmen zu einem angesehenen Nachrichtenportal aus. Analog zu einer klassischen Tageszeitung bildete die Netzeitung alle Ressorts ab: von Politik und Wirtschaft über Sport, Kultur und Wissenschaft. Die Rubrik „Altpapier“, eine launig und kenntnisreich kommentierte tägliche Auswertung der Medienseiten überregionaler Blätter verdiente sich sogar eine Nominierung für den Grimme-Preis. Während die Online-Auftritte von Spiegel oder Stern immer mehr ins Boulevardeske abdrifteten, überzeugte die Netzeitung mit seriösem Qualitätsjournalismus.
Der Abstieg der Netzeitung begann spätestens im Jahr 2007, als die britische Mecom-Gruppe um David Montgomery die Holding übernahm. Unter den Mecom-Heuschrecken und dem sparwütigen Geschäftsführer Josef Depenbrock geriet die Netzeitung flugs aufs Abstellgleis. Unter Mecom-Regie waren bereits bis Ende 2008 sämtliche Ressortleiter sowie alle 20 Freien entlassen, frei werdende Stellen nicht wieder besetzt, das Autorenbudget auf Null reduziert worden. Mit einer Rumpfredaktion konnte die Netzeitung gegen die starke Online-Konkurrenz großer Print-Portale nicht mehr bestehen. Das Personal, um eigenständige Geschichten zu recherchieren, existierte nicht mehr. Am Ende siegte offenbar kühles betriebswirtschaftliches Kalkül der neuen Herren aus Köln.

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