Bald bei Springer „Digital only“

Axel-Springer-Hochhaus in Berlin Foto: Christian von Polentz

Umbau der Redaktionen und Verschiebung von Personal und Kosten

Der Axel Springer Verlag forciert den Umbau zum rein digitalen Konzern. Auf dem Weg dahin soll es deutliche Einsparungen und einen Stellenabbau geben. Dies kündigte der Vorstand am 28.Februar gegenüber der Belegschaft an. „Unser Ziel ist‚ Digital only‘“, so Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner. Hauptbetroffene dürften die Mitarbeiter*innen der bisherigen Flaggschiffe „Bild“ und „Welt“ werden. ver.di kritisiert die Pläne als „abgehobene Unternehmensstrategie, die Renditeerwartungen in den Aufsichtsräten bedient“.

Noch vor wenigen Monaten hörte es sich weitaus weniger bedrohlich an. Anfang November 2022 sagte Döpfner in einem Podcast an die Springer-Belegschaft, Print solle für „Bild“ und „Welt“ auch „in der näheren Zukunft eine sehr wichtige Rolle spielen“. Allerdings gebe es Bereiche, „die man nicht länger analog, sondern nur digital weiterführen will, das gilt aber nicht für die ganzen Markenfamilien“.

Doch schon Mitte Januar fiel die Analyse deutlicher aus. In einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) bekannte sich der Springer-Boss unumwunden zur „Digital only“-Strategie. „Mein Ziel ist es, die digitale Transformation zu vollenden und aus Axel Springer ein reines Digitalunternehmen zu machen“, so Döpfner. Es sei „völlig klar, dass es eines Tages keine gedruckte „Bild“-Zeitung, keine gedruckte „Welt“ und überhaupt keine gedruckte Zeitung mehr im Hause Axel Springer geben wird“. Außer vielleicht „Sondereditionen“. Einen konkreten Zeitplan nannte er dabei nicht.

Freiwilliges Ausscheiden forciert

In den nächsten drei Jahren, so heißt es jetzt, soll das Ergebnis der „blauen“ (Welt) und „roten“ (Bild) Gruppe um „rund 100 Millionen Euro“ verbessert werden, „durch Umsatzsteigerungen und Kosteneinsparungen“. Das bedeute auch „Umbau der Redaktionen und Verschiebung von Personal und Kosten“. Bisherige „Zentralfunktionen, bestehend aus Finanzen, Controlling, Personal und Recht“ sollen „deutlich schlanker aufgestellt werden“. Präzisere Angaben vermied Döpfner erneut. Allerdings bemühe man sich, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Auch stehe man mit dem Konzernbetriebsrat in Verhandlungen über ein „Freiwilligenprogramm“, mit dem die Mitarbeiter*innen zum Ausscheiden bewegt werden sollen.

Trotz Inflation, Energiekrise und Ukraine-Krieg hatte Springer 2022 seine wirtschaftlichen Ziele übertroffen. Der Umsatz lag bei rund 3,9 Milliarden Euro, der Gewinn betrug etwa eine Dreiviertelmilliarde. Schon jetzt ist Springer der führende digitale Medienkonzern in Europa. So stammen 85 Prozent des Umsatzes und mehr als 95 Prozent des Gewinns bereits aus dem Digitalgeschäft.

ver.di kritisierte die Springer-Pläne als rein renditeorientierte, abgehobene Unternehmensstrategie, die immer weniger verlegerische Züge trage. Nach Bertelsmann kündige mit Axel Springer erneut ein Großverlag an, „ohne wirtschaftliche Not“ und mit im Branchenvergleich „übersteigerten Gewinnerwartungen, sich gegen journalistische Vielfalt im eigenen Verlag zu entscheiden“, monierte ver.di Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz. Ein so ertragreicher Konzern wie Axel Springer könne „aus den laufenden Gewinnen in Journalismus investieren und die journalistischen Kolleginnen und Kollegen weiterhin beschäftigen“ so Schmitz.

In einem Offenen Brief an Döpfner hatte auch der „Welt“-Betriebsrat schon Ende 2022 Döpfners Andeutungen einer „Digital-only“-Zukunft kritisiert. Vage Aussagen über die „Trennung von Mitarbeitern“ und „Personalumschichtungen“, würden zu permanenter Verunsicherung führen.

Axel-Springer-Neubau in Berlin (Zimmerstraße) Foto: Petra Dreßler

Die Debatte geschieht vor dem Hintergrund einer sich verschärfenden strukturellen Branchenkrise. Das Printgeschäft ist – beschleunigt durch den Einbruch des Anzeigenverkaufs, steigender Papierpreise, sinkender Kaufkraft durch die allgemeine Inflation – weiterhin im Niedergang begriffen. Dies bekommen speziell auch die beiden verbliebenen nationalen Printmarken Springers zu spüren. Allein Bild brach zuletzt im Vergleich zum vierten Quartal 2021 erneut massiv ein. Mit knapp 834.000 Abos und Einzelverkäufen lag das Boulevardblatt 14,1 Prozent unter der Vorjahreszahl. Besonders dramatisch verringerte sich der Einzelverkauf: Noch vor gut drei Jahren bei anderthalb Millionen Auflage, findet die einstige Cash Cow des Verlags jetzt bei gerade mal 736.000 tägliche Käufer*innen.

Auch die Welt-Gruppe schwächelt. Zuletzt fiel die Auflage der „Welt“ (Abo und Einzelverkauf innerhalb eines Jahres um 6,6 Prozent auf jetzt noch dürftige 38.000 Exemplare. Die Verkäufe der „Welt am Sonntag“ sackten gar um 9,6 Prozent erstmals knapp unter 200.000. Schon geht in der Branche das Gerücht, dass die „Welt“ sehr bald ihre werktäglich gedruckte Ausgabe einstellt. „Bild am Sonntag“ brach um 11,9 Prozent auf jetzt 527.000 Exemplare ein und wurde erstmals von der „Zeit“ als führende Wochen-zeitung abgelöst. Passend dazu meldete die „Süddeutsche Zeitung“ kürzlich, dass bis Mitte des Jahres der Zustellservice von BamS und WamS beendet werden soll.

Ernüchterung ist auch im Hinblick auf den einstigen Hoffnungsträger „Bild TV“ eingekehrt. Der TV-Kanal war im Sommer 2021 gestartet, seine Zuschauerquoten blieben aber weit hinter den Erwartungen zurück. Dabei sollte der Ausbau von „Bild“ zur Fernsehmarke auch dem schwächelnden Printprodukt neuen Sauerstoff zuführen. „Bild TV“ sollte, so das ehrgeizige Ziel, nichts Geringeres als ARD und ZDF Paroli bieten. Man wolle Welt, Politik und Alltag der Menschen „nicht so steril und weichgespült wie teilweise bei den Öffentlich-Rechtlichen“ zeigen, hatte der inzwischen längst geschasste damalige Bild-Chef Julian Reichelt getönt.

Kein Verlegerfernsehen

Der Plan scheiterte jedoch auf der ganzen Linie. Mangels Publikumsresonanz wurde die überwiegend krawallige Live-Berichterstattung zum Jahresende fast völlig eingestellt. Betroffen waren rund 80 überwiegend befristet eingestellte Mitarbeiter*innen. Derzeit werden hauptsächlich Dokumentationen und Reportagen von WeltN24 versendet.

„Dieses hochambitionierte Nachrichtensenderkonzept war im Rückblick nicht die richtige Idee“, räumte Vorstandschef Döpfner im Januar gegenüber dpa ein. Damit zerplatzt wieder einmal der alte Traum des Konzerngründers Axel Cäsar vom Verlegerfernsehen. Getreu der Döpfnerschen Devise, wonach „jedes Geschäft für sich genommen wirtschaftlich gesund ist und bleibt“.

Die mangelnde Perspektive von Print und die Pleite des TV-Projekts könnten die forcierte Hinwendung Springers zur Digitalisierung und zum Auslandsgeschäft vorantreiben. Aktuell beschäftigt der Konzern weltweit rund 18.000 Mitarbeiter*innen. Unter anderem betreibt er digitale Immobiliengeschäfte sowie die digitale Jobbörse Stepstone. Journalistisch sind nach Verlagsangaben etwa 3.400 Beschäftigte tätig, davon ein wachsender Teil in den USA. Nach Branchenmeldungen erwägt Springer, Stepstone an der Börse zu platzieren, um seine Wachstumspläne zu finanzieren. Seit 2019 ist der US-Finanzinvestor KKR mit 35,6 Prozent größter Springer-Aktionär.

Bleibt die Frage, für wie viel Publizistik im Konzern künftig noch Platz bleibt. Im digitalen Zeitalter und wegen der wachsenden Bedeutung von künstlicher Intelligenz, so versichert Döpfner, werde der Journalismus „noch stärker als bisher“ im Zentrum stehen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Sparpläne wirken solche Bekenntnisse wie Nebelkerzen.

 

 

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