BDZV: Warten auf die digitale „goldene Ära“

Analoges "Triell" zur Wahlnachlese beim Presse-Club-Talk in den Bolle Festsälen Berlin-Moabit Foto: Marcus Zumbansen

Mit harter Kritik an der Medienpolitik der scheidenden Bundesregierung begann der diesjährige Kongress des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger. Eine Regierung, „die zeitungslose Landstriche riskiert, nimmt den Menschen die Chance auf gesellschaftliche Teilhabe“, warnte BDZV-Präsident und Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner in seinem politischen Eingangsstatement. Zum Kongress am 28. September, der coronabedingt erneut digital stattfand, hatten sich mehr als 800 Teilnehmer*innen angemeldet.

Döpfners Kritik zielte ab auf das Scheitern der umstrittenen Bundespresseförderung, von der sich die Branche eine großzügige Unterstützung beim Vertrieb von Presseprodukten erhofft hatte. Der Plan, die Printverlage mit einem Hilfspaket von 200 Millionen Euro zu subventionieren, war vom Bundeswirtschaftsministerium nach heftigem Widerstand vor allem aus der Digitalwirtschaft gecancelt worden.

Zugleich zeigte sich Döpfner unzufrieden mit dem Stand der derzeit in Brüssel laufenden Verhandlungen über den „Digital Markets Act“ (DMA). Der von der EU-Kommission vorgestellte Entwurf bleibe deutlich hinter deutschem Recht zurück. In der geplanten Form werde die Reglung das Gegenteil ihres Ziels erreichen. „Der DMA wird so zu einem Gesetz, das ausschließlich die Plattformen schützt“, warnte Döpfner. Auf diese Weise werde Europa im digitalpolitischen Wettbewerb gegenüber US-amerikanischen und chinesischen Playern weiter ins Hintertreffen geraten.

Dreifach verstärkter Rückenwind

Nach dem Boom sozialer Medien beobachtet der BDZV-Präsident derzeit eine „Renaissance des Bedürfnisses nach verlässlichen Informationen“. Er glaube an eine „goldene Ära“ des digitalen Journalismus als Geschäftsmodell. Die Bedingungen dafür hätten sich in den letzten Jahren in gleich dreifacher Hinsicht verbessert:

Starker Schub komme vom neu geschaffenen Presseleistungsschutzrecht. Die Gespräche mit den Plattformen seien im Gange. 125 Wahrnehmungsverträge seien bereits abgeschlossen, weitere 150 befänden sich im Umlauf.

Hilfreich sei in dieser Hinsicht auch der „wachsende Druck auf die Plattformen“. Nach Beginn der Kartellamtsermittlungen gegen Facebook gelte ein Verfahren wie gegen Googles News Showcase als wahrscheinlich. Bei den US-Plattformen wachse die Einsicht, dass sie Medieninhalte nicht ohne materielle Gegenleistung nutzen können. Mit der Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) habe Deutschland „wichtige Rahmenbedingungen für einen fairen Wettbewerb mit den Plattformen“ geschaffen.

Den „stärksten Rückenwind“ verortete der BDZV-Präsident von Seiten der Medienkonsumenten. An die 60 Millionen Deutsche läsen täglich eine Zeitung oder nutzten ein digitales Angebot. Trotz Pandemie seien im Jahr 2020 die Vertriebsumsätze um mehr als vier Prozent gestiegen, die digitalen Umsätze sogar deutlich stärker. Der Verkauf von Inhalten bleibe auch künftig „die wichtigste Säule von wirtschaftlich erfolgreichem Journalismus“.

Am Rande des Kongresses zeigte sich Döpfner in seiner Rolle als Springer-Vorstandschef zu Zugeständnissen beim umstrittenen Mega-Deal seiner Unternehmenstochter Upday mit Facebook bereit. Hintergrund: Facebook hatte im vergangenen Jahr den Springer-eigenen Aggregator Upday in Deutschland beauftragt, Inhalte für Facebook News zu kuratieren. Mit diesem Deal hatte man den Zorn der Branche auf sich gezogen: Viele BDZV-Mitglieder fürchteten, Upday werde Springer-Titel wie „Bild“ und „Welt“ bevorzugen – trotz gegenteiliger Versicherungen von Springer. Um „weitere Irritationen“ im Verband zu vermeiden, so kündigte Döpfner an, werde sein Haus den Auftrag in Absprache mit Facebook abgeben. Es liege dann an Facebook, diesen Auftrag öffentlich auszuschreiben.

Mit Fundraising gegen Hedgefonds?

„Der Bedarf an Qualitätsjournalismus ist größer als jemals zuvor“, konstatierte in einem Grußwort Brad Smith, Präsident von Microsoft. Er sei notwendig als Gegengift gegen Fake News und Desinformation. Smith sieht den Journalismus bedroht, „nicht nur durch Zensur und autoritäre Staaten, sondern auch durch die Ökonomie“. Durch die Entwicklung digitaler Technologie werde der Großteil der Werbeerlöse „umgeleitet auf die Konten von Tech-Unternehmen“, ein Großteil werde „auf halbem Wege von digitalen Zwischenhändlern einbehalten“. Die Tech-Branche müsse dafür sorgen, dass ein Teil der Erträge „wieder zu den Publishern zurückfließt“, gab sich der Microsoft-Präsident unerwartet selbstkritisch. Denn: Ohne die Arbeit der Verlage würden auch die Plattformen „an Attraktivität einbüßen“.

In den USA sind seit 2004 mehr als 1800 „Nachrichtenwüsten“ entstanden, also Gemeinden ohne lokale Tageszeitung. Ein dramatischer Fall von massenhaftem Marktversagen, diagnostiziert Sarabeth Berman, Geschäftsführerin des „American Journalism Project“ (AJP) mit Sitz in Philadelphia. Jahrzehntelang finanzierten sich Lokalzeitungen zu 80 Prozent aus dem Anzeigengeschäft, zu 20 Prozent aus dem Vertrieb. Nach dem fast vollständigen Wegbrechen der Werbeerlöse sei für die meisten das Aus gekommen. Nur nationale Prestigeblätter wie die „New York Times“ und die „Washington Post“ hätten dank ihrer Größe ihr Geschäftsmodell an die Erfordernisse der digitalen Ära anpassen können. Mittlerweile stünden rund 50 Prozent der Gesamtauflage der Zeitungen unter der Kontrolle von Hedgefonds, also Investoren, „die nicht unbedingt an Qualitätsjournalismus interessiert sind, sondern an Rendite“.

AJP versucht gegenzuhalten mit einer Politik des Fundraising, also dem Einwerben von Spendengeldern zur Finanzierung lokaler Informationsmedien auf nichtkommerzieller Grundlage. Im Unterschied zu Deutschland stünden kaum Steuergelder zur Unterstützung der Lokalpresse zur Verfügung. Anders als hierzulande existiert in den USA nach Bermans Darstellung aber eine breite „philanthropische Bewegung“. Wohltätigkeit und Spendenbereitschaft würden als kulturelle Investition begriffen, ähnlich wie öffentliche Subventionen für Oper und Ballett. „Gemeinden, die über keine Lokalzeitung verfügen, sind wesentlich stärker polarisiert“, sagte Berman. Die Existenz einer funktionierenden Lokal- und Regionalkommunikation sei daher „im Interesse der Demokratie lebenswichtig“.

Teams statt einsame Wölfe

Zusätzlich zu diesen Vorträgen und Dialogen gab es noch einen „Presse-Club“ zur abgelaufenen Bundestagwahl „Deutschland hatte die Wahl – Was nun?“. Die Geschäftsführer*innen der „Badischen“, der „Cellischen“ und der „Heidenheimer Zeitung“ visionierten unter der Fragestellung „Was kommt? Was bleibt?“ über „Zeitungmachen für die nächste Generation“. Reporter Frederik Obermaier vom Ressort Investigative Recherche der „Süddeutschen Zeitung“ berichtete über seine Erfahrungen bei den Projekten „Panama Papers“ und „Ibiza-Video“. Eine seiner Haupterkenntnisse: „Die Zeit der einsamen Wölfe ist definitiv vorbei, als Team sind wir besser.“ Dass selbst ein zweiköpfiges Investigativteam in der Provinz mit guten Resultaten kritische Rechercheergebnisse liefern kann, schilderte Jörg Jung, Chefredakteur der “Böhme-Zeitung“ in Soltau.

Markus Lanz, laut „Süddeutsche“ die „schönste Grillzange Deutschlands“ verriet im Dialog mit Gregor P. Schmitz von der „Augsburger Allgemeinen“, SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sei der einzige Gesprächspartner gewesen, an dem er sich die Zähne ausgebissen habe. Selbst ihm sei es nicht gelungen, den „Scholzomat“ aus der Reserve zu locken.

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