Betriebsräte in der Filmbranche? Läuft!

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Berliner Medienszene setzt zunehmend auf Interessenvertretung

Mehr Lohn, mehr Urlaub, mehr Fortbildung, mehr Frauen- und Familienfreundlichkeit: für Beschäftigte in Unternehmen mit Betriebsrat springt von allem deutlich mehr raus. Das dachten sich auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Medienboards Berlin-Brandenburg (MBB) und von SDI Media, dem weltweit größten Unternehmen für Synchronisation und Untertitelung. Sie haben sich an ver.di gewandt, um mit Unterstützung der Gewerkschaft einen Betriebsrat zu gründen.

Interessenvertretung kommt an – auch in der Filmbranche. Eine Branche, in der Betriebsräte eigentlich chronisch unterrepräsentiert sind. Das liegt einerseits daran, dass hier überwiegend kurz befristet Beschäftigte oder Selbstständige zwischen Produktionsfirmen ohne feste Belegschaft hin und her wechseln. Andererseits gelten Gewerkschaften in der hippen Medienszene als eher unsexy, antiquiert und bürokratisch.

Anders sehen das offenbar Mitarbeiter*innen des Medienboards Berlin-Brandenburg und von SDI Media Germany. „Beschäftigte des MBB haben sich im letzten Herbst an uns gewandt mit der Bitte, sie bei der Gründung eines Betriebsrats zu unterstützen“, berichtet der zuständige ver.di-Gewerkschaftssekretär Hikmat El-Hammouri. „Innerhalb weniger Monate haben wir dann einen Organisationsgrad von 70 Prozent erreicht.“ Das heißt, 70 Prozent der etwa 40 Beschäftigten sind inzwischen ver.di-Mitglieder. Seit Dezember gibt es beim MBB nun einen Betriebsrat. Außerdem wurde eine ver.di-Betriebsgruppe gegründet, die nach der Einrichtung des Betriebsrats eine Tarifkommission gewählt hat, die wiederum aus ihren Reihen eine Verhandlungskommission bestimmt und dann die Geschäftsführung zu Tarifverhandlungen aufgefordert hat.

El-Hammouri: „Obwohl das MBB die offizielle Filmförderanstalt von Berlin und Brandenburg ist, gab es bisher weder einen Betriebsrat noch einen Tarifvertrag. Der Betrieb ist Teil des Kulturfinanzierungsbereichs der beiden Bundesländer und wird komplett aus öffentlichen Mitteln finanziert. Die Forderung der Tarifkommission ist deshalb eine klare und transparente Entgeltstruktur nach dem Tarifvertrag Öffentlicher Dienst der Länder TV-L.“ Die beiden MBB-Geschäftsführer*innen Kirsten Niehuus und Helge Jürgens haben den Tarifverhandlungen zugestimmt. Ein Sondierungsgespräch fand bereits am 10. Januar statt. Bis zur nächsten Verhandlung, so das Ergebnis der Sondierung, darf ver.di alle Beschäftigten zu ihrem konkreten Tätigkeitsprofil befragen. Das ist wichtig für eine spätere Eingruppierung nach der Entgeltordnung der Länder, sollte man sich in den Verhandlungen auf einen Tarifvertrag nach dem TV-L einigen können. Sobald die Ergebnisse vorliegen, wird weiterverhandelt.

„Trotz ganz normaler Meinungsverschiedenheiten läuft die Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung ausgesprochen gut“, lobt El-Hammouri. Ebenso wie bei SDI Media, dem zweiten Unternehmen aus dem Berlin-Brandenburger Filmbereich, das kurz vor seiner Betriebsratswahl steht. Der Betrieb, Tochter eines US-Unternehmens, das seinen Sitz in Hollywood hat, beschäftigt rund 100 Festangestellte, darunter etwa Tontechniker*innen oder Regisseur*innen. Dazu kommen noch hunderte Schauspielerinnen und Schauspieler, die auf Honorarbasis arbeiten. „Bei SDI Media haben wir einen Wahlvorstand gewählt, der die Betriebsratswahl vorbereitet“, schildert El-Hammouri. Alles sei nach Plan verlaufen, auch weil die Geschäftsführung den Prozess bisher sehr konstruktiv begleite. „Und das ist keine Selbstverständlichkeit“, weiß der Gewerkschaftssekretär aus Erfahrung. Dennoch musste die Wahl aufgrund der Corona-Krise erst einmal verschoben werden.

Betriebsratsgründung – so funktioniert‘s

Jeder Betrieb, in dem mindestens fünf Beschäftigte arbeiten, kann eine Interessenvertretung wählen. Doch wie läuft so eine Betriebsratsgründung eigentlich genau ab? „Der ver.di-Gewerkschaftssekretär lädt zunächst – mit einem Brief an den Arbeitgeber und Aushängen im Betrieb – im Namen der zuständigen Gewerkschaft ver.di zu einer Wahlversammlung ein, bei der ein sogenannter Wahlvorstand gewählt wird“, erklärt El-Hammouri. Dieses ehrenamtliche Gremium habe einzig und allein die Aufgabe, die dann folgende Betriebsratswahl einzuleiten und durchzuführen. „Nach der Konstituierung des Wahlvorstands kontaktiert dieser den Arbeitgeber und bittet um die Übergabe der Beschäftigtenlisten. Daraus bildet der Wahlvorstand dann die Wählerlisten, die 14 Tage lang im Betrieb ausgehängt werden, um allen Beschäftigten die Möglichkeit zu geben, diese auf Korrektheit zu überprüfen. Und nach Ablauf der Frist fertigt der Wahlvorstand das Wahlausschreiben für die Betriebsratswahl an“, so El-Hammouri.

Trendumkehr Mitbestimmung?

Über alle Branchen hinweg betrachtet ist die Zahl der Firmen mit Betriebsrat seit Jahren rückläufig. Im Jahr 2017 arbeiteten so wenig Menschen wie noch nie in einem mitbestimmten Betrieb. Einen erfreulichen Anstieg verzeichnete das IAB-Betriebspanel des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) dagegen für das Jahr 2018. Damals konnten mit 35 Prozent in Ostdeutschland und 42 Prozent in Westdeutschland die Vorjahreswerte der Beschäftigten mit Betriebsrat um zwei Prozentpunkte übertroffen werden. Ob es sich dabei um eine Trendwende handelt, wird sich in wenigen Monaten zeigen, wenn das IAB seinen Bericht für 2019 veröffentlicht.

 

 

 

 

 

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