ebay: Betriebsrätin sollte des Amtes enthoben werden
Zu den funkelnden Sternen der New Economy gehört zweifelsfrei das Internetauktionshaus ebay. Im Europarc Dreilinden, an der Stadtgrenze zu Berlin, wuchs der Mitarbeiterstamm von 80 im Jahr 2001 auf heute 680. Wer Arbeitsplätze schafft und Erfolg vorlebt, kann sich einer guten Presse eigentlich sicher sein. Doch seit einigen Monaten bekommt das polierte Image von ebay Risse.
Für das unangenehme Rauschen im Blätterwald sorgt der umstrittene Umgang mit den Mitarbeitern und der Versuch, eine stellvertretende Betriebsratsvorsitzende per Gerichtsbeschluss ihres Amtes zu entheben.
Jeder duzt jeden, vom Praktikanten bis zum Chef, flache Hierarchien, ein offner und freundlicher Umgang – mit dieser Aura umgeben sich auch heute noch gern die Firmen der New Economy. Das Internetauktionshaus ebay ist dabei keine Ausnahme. Den Mitarbeitern steht das firmeneigene Fitness-Center offen, Mittagessen und Getränke werden vom Unternehmen gestellt. Doch wo die Offenheit aufhört, bestimmt die Chefetage gern autoritär.
Zwei ebay-Beschäftigte hatten sich in einem Artikel der „taz“ im vergangenen Jahr beklagt, dass sie ständig und bei jedem Handgriff überwacht werden. Die Software „Activity Manager“ übernimmt nicht nur die Funktion einer Stechuhr, sondern protokolliert von der E-Mail bis zum Telefonat ihren Arbeitstag. Die Namen der beiden hatte die „taz“-Autorin geändert, um sie zu schützen. Und das war offenbar auch notwendig. Als einzige namentlich genannt wurde die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende – prompt bekam sie den Ärger der Führungsebene zu spüren.
Interesse an Teilzeit
Dabei war der Inhalt der Textpassage, die sich auf sie bezog, nicht einmal besonders brisant: „Die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Gael Chardac weiß auch um andere Schwierigkeiten. Laut einer Umfrage sind 25 Prozent der Beschäftigten an einem Teilzeit-Modell interessiert. Dennoch verweigert die Geschäftsleitung bislang jede Reduzierung der Arbeitszeit.“ Zu den Vorwürfen der beiden anonymisierten Beschäftigten äußerte sie sich nicht. Dennoch geriet sie in die Schusslinie ihrer Arbeitsgeber. „Die ebay-Geschäftsleitung versuchte, die Kollegin nach § 23 I Betriebsverfassungsgesetz per Gerichtsentscheid aus dem Betriebsrat zu entfernen“, sagt Meike Jäger von connexx.av, dem ver.di-Projekt für die Medienschaffenden in den Neuen Medien. Nach dem Betriebsverfassungsgesetz hat der Arbeitgeber diese Möglichkeit, wenn ein Betriebsratsmitglied „grob“ seine Pflichten verletzt, die ihm per Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung übertragen wurden.
Ein bereits anberaumter Termin wurde vom Landesarbeitsgericht ausgesetzt. Ob sich die Parteien nun außergerichtlich einigen, steht noch nicht fest. Aber auch in der ebay-Zentrale ist das Problem noch nicht gelöst. Offenbar überrascht hat die Geschäftsleitung die Resonanz zu diesem Fall in den Medien. Und wie die Presse genüsslich feststellte, sind die beiden Beschäftigten, die von der „taz“ interviewt wurden, nicht die einzigen Unzufriedenen. Verärgerte ebay-Angestellte hatten unter www.epay.tv eine Umfrage gestartet, wie wohl sich der Einzelne im Unternehmen fühlt.
Kritik an Kontrolle
Aus Angst um ihre Arbeitsplätze blieben sie anonym. Auf der Internetseite fragten sie ihre Kollegen nach deren persönlicher Einschätzung von Kontrolle / Überwachung, Zufriedenheit mit der Arbeitszeit, der Höhe des Gehalts und der Arbeitsatmosphäre. Inzwischen ist unter www.epay.tv die Auswertung der Umfrage zu lesen, 162 Beschäftigte haben sich beteiligt: 77 Prozent kritisierten die Kontrolle und Bewachung scharf, 65 Prozent glauben, dass sich manche Mitarbeiter von der starken Firmenkultur bei ebay manipulieren lassen, 62 Prozent fühlen sich durch den Activity Manager stark kontrolliert, 62 Prozent befürchten, dass die Geschäftsleitung ihre Daten als Überwachungsinstrument missbraucht, 52 Prozent sind sehr unzufrieden mit ihrer Arbeitszeit, 75 Prozent würden gern selbst bestimmen, ob und wann sie Überstunden machen. Meike Jäger von connexx.av kann diese Umfrageergebnisse aus ihrem direkten Kontakt mit ebay-Beschäftigten nur bestätigen. Sie stellt sich auf die Seite der epay-Macher: „Wir finden ihre Initiative berechtigt. Weil beispielsweise Leistungs- und Verhaltenskontrollen im Betrieb wirklich enorm sind. Und wer das konstruktiv kritisiert, sollte auf keinen Fall als Nestbeschmutzer angeprangert werden. Vielmehr bietet sich die Chance, die Arbeitsbedingungen im Sinne der Mitarbeiter und der Firmenphilosophie zu verbessern. Hierbei haben die Beschäftigten unsere volle Unterstützung.“