Nun ist es amtlich. Großfusion innerhalb des Bertelsmann-Konzerns: Zum 1. Januar 2022 übernimmt RTL Deutschland die Verlagsgruppe Gruner + Jahr. Ziel ist die Bildung eines „neuen nationalen crossmedialen Medien-Champions“. Mit diesem Zusammenschluss will der Konzern den US-Tech-Giganten künftig besser Paroli bieten. Was die Entscheidung für die Belegschaften bedeutet, ist vorerst noch unabsehbar.
Angekündigt hatte sich diese Entwicklung schon seit längerem. Anfang Februar gab Bertelsmann-Vorstandschef Thomas Rabe bekannt, RTL und G+J wollten künftig „noch enger zusammenarbeiten“. Damals war spekuliert worden, der traditionsreiche G+J-Verlag werde möglicherweise komplett von RTL geschluckt, der Firmenname faktisch gelöscht. Ganz so drastisch fällt die jetzige Lösung nicht aus. Die neue G+J Deutschland GmbH mit rund 1.700 Beschäftigten verbleibt in Hamburg. Allerdings werden die Redaktionen von „Stern“, „Geo“ und „Brigitte“ künftig von RTL in Köln geführt.
Kein anderes deutsches Medienunternehmen könne ein solches „gattungsübergreifendes Wachstumsbündnis“ schaffen, schwärmt Rabe. „RTL Deutschland und G+J sind ein Content-Powerhouse mit der Inhalte-Kompetenz von unter anderem 1.500 Journalistinnen und Journalisten“. Es gehe darum, starke Inhalte und Marken in einer Hand crossmedial zusammenzuführen. Von diesem Medienverbund erwartet der Bertelsmann-Boss „jährlich Synergien in Höhe von rund 100 Millionen Euro – größtenteils wachstumsbedingt“.
Schnäppchenpreise für Print-Marken
Bereits seit 2017 arbeiten RTL Deutschland und G+J in der Vermarktung („Ad Alliance“), seit 2018 in der „Content Alliance“ zusammen. Letztere steuert sämtliche deutschen Inhalte-Geschäfte der Gütersloher. Beteiligt sind die Mediengruppe RTL, RTL Radio Deutschland, die TV-Produktionsfirma UFA, die Verlagsgruppe Random Hours, G+J sowie das Musikunternehmen BMG. Daneben gibt es noch die Audio Alliance, in der alle Podcasts und Audio-Angebote der Partner produziert werden. Sinn solcher Bündnisse ist hauptsächlich, jeden Inhalt über möglichst viele Plattformen zu verbreiten und zu vermarkten.
Die noch zu gründende neue G+J Deutschland GmbH umfasst das gesamte Magazingeschäft sowie die Marken. Diese werden von RTL zum – wie es in Branchenkreisen heißt – „Schnäppchenpreis“ von 230 Millionen Euro übernommen. Von der Fusion ausgenommen sind – mangels fehlender Synergiepotentiale – unter anderem die DDV-Mediengruppe mit der „Sächsischen Zeitung“ sowie die Beteiligung am Hamburger Spiegel-Verlag.
Als „erste redaktionelle Konzeptideen“ des neuen Gemeinschaftsunternehmens nennt Bertelsmann den crossmedialen Ausbau der Marken „Stern“ und „Gala“ rund um die „Themenfelder Gesellschaft, Politik, Investigatives und People“ sowie eine „deutliche Erweiterung“ der journalistischen Digitalangebote von RTL, Stern und n-tv. Mit „Stern Investigativ“ wird ein neues TV-Format angekündigt.
Zentralisierung mit Aderlass
Wie sich die Redaktionen der beiden Fusionspartner künftig aufstellen, ist einstweilen unklar. Speziell die Belegschaft von Gruner + Jahr ist in dieser Hinsicht leidgeprüft. Noch haben die Kolleg*innen vom „Stern“ die Eingliederung ihres Politik- und Wirtschaftsressort in einem gemeinsamen Hauptstadtbüro unter Leitung von „Capital“-Chefredakteur Horst von Buttlar nicht verdaut. Die Zentralisierung in Berlin Anfang des Jahres kostete mindestens 15 Jobs beim Flaggschiff „Stern“. Dieses Outsourcing von Politik provozierte den Abgang einiger journalistischer Leistungsträger, darunter auch der renommierte Investigativreporter Hans-Martin Tillack. Redaktionsbeirat und Betriebsrat hatten seinerzeit vehement gegen diese Maßnahme protestiert.
Um die Führung der neuen Mediengruppe kämpfen laut „Manager Magazin“ Stephan Schäfer, CEO bei G+J und Geschäftsführer Inhalte & Marken bei RTL, sowie der amtierende RTL-Chef Bernd Reichart. Eine Doppelspitze der beiden erscheine demnach eher unwahrscheinlich: „Man mag sich nicht.“ Die seit 2013 amtierende G+J-Vorstandschefin Julia Jäkel war Anfang des Jahres nach Durchsickern der Fusionspläne „auf eigenen Wunsch“ zurückgetreten. Offenbar verspürte sie wenig Neigung, am weiteren Abwicklungsprozess bei G+J mitzuwirken.
Prophylaktisch forderte dju-Bundesgeschäftsführerin Monique Hofmann schon mal die Verantwortlichen bei Bertelsmann auf, „sich unmissverständlich öffentlich für eine Beschäftigungssicherung auszusprechen sowie Tarifbindung und Betriebsvereinbarungen zu bewahren und im Sinne der Mitarbeiter*innen zu stärken“. Die offenbar „rein zahlengetriebene Konzernentscheidung“ dürfe nicht dazu führen, „dass neben herausragenden Zeitschriften- und Medienmarken auch die Beschäftigten auf der Strecke bleiben“.
Unter Medienprofils löste die Verschmelzung der beiden Medienhäuser überwiegend kritische Reaktionen aus. „Gruner + Jahr war einmal der publizistische Marktführer in Europa“, bedauerte Manfred Bissinger, ehemaliger Vize-Chefredakteur des „Stern“, in der „Süddeutschen Zeitung“. Dass dieser Verlag nun „in den Untiefen von RTL“ verschwinde, sei eine „Riesenschande und ein herber Rückschlag für die freie Publizistik in Deutschland“. In die gleiche Kerbe hieb auch Ralf-Dieter Brunowsky, vor 2002 zehn Jahre lang Chefredakteur von „Capital“: „Die beschönigenden Worte des Bertelsmann-Chefs Thomas Rabe über Synergieeffekte und Wachstumschancen können nicht verdecken, dass die Seele eines stolzen Verlagshauses endgültig zerstört wird.“ Mit journalistischer Qualität habe das „nichts zu tun“.