Redakteure und Verlagsangestellte von G+J wehren sich
Die Belegschaft von Gruner und Jahr wehrt sich und protestiert mit „kreativen Mittagspausen“ gegen den Personalabbau in Europas größtem Verlagshaus. Rund 250 Beschäftigte gingen im November vor die Verlagstür am Hamburger Baumwall, um ihre Wut zu den geplanten „Personalsparmaßnahmen“ zum Ausdruck zu bringen. Und auch bei der letzten Runde der Tarifverhandlungen mit den Zeitschriftenverlegern in Hamburg waren sie zahlreich dabei, denn: „Das Maß ist voll!“, so Thomas Thielemann von der ver.di-Betriebsgruppe bei G+J.
Auch G+J-Betriebsrat Walter Hasselbring ist, zumindest mit den Kundgebungen, zufrieden: „Es ist das erste Mal seit den Protesten gegen die Veröffentlichung der gefälschten so genannten Hitler-Tagebücher 1983, dass G+J-Redakteure demonstriert haben.“Aber nicht nur sie, sondern auch sehr viele Verlagsangestellte haben sich an den Protesten beteiligt. Kein Wunder, denn die Angst um den eigenen, langjährigen Arbeitsplatz wird immer konkreter. Zu erschreckend sind die Zahlen, mit denen im Verlag seit 2008 Stellen abgebaut wurden: Oktober 2008 – das „Minderleisterangebot“: 140 Arbeitsplätze; November 2008 – Capital, impulse, Börse online: 80 Arbeitsplätze; September 2009 – Healthy living: 14 Arbeitsplätze; September 2009 – Dokumentation: 10 Arbeitsplätze; Oktober 2009 – Media Sales: 85 Arbeitsplätze; Oktober 2009 – Living-Gruppe: 25 Arbeitsplätze. Insgesamt: 354!
Thomas Thielemann: „Es ist ein Geschäftsmodell, bei dem teure, nach Tarif anständig bezahlte Redakteure durch billige Dienstleister ersetzt werden sollen. Drum herum Pools von Teams für Honorare, Sekretariate, Leserservice und Küche.“ Und direkt an den Vorstand gerichtet: „Mit dieser Art von Sparpolitik wird auf fahrlässige Weise die Qualität und das journalistische Image des Verlages gefährdet und beschädigt.“
„Qualtätsjournalismus“ ist aber auch das Zauberwort, mit dem G+J-Vorstandschef Bernd Buchholz seine „Umbaumaßnahmen“ immer wieder begründet, sei es bei der Jahrestagung von netzwerk recherche, den VDZ-Zeitschriftentagen in Berlin oder eben auf jeder Betriebsversammlung im Stammhaus Hamburg: „Qualitätsjournalismus“ sei für „Erhalt und Stärkung des Verlags- und Medienhauses“ notwendig, „aber nicht in den Strukturen der letzten 40 Jahre.“ Um das „Qualitätsniveau zu halten“, stehen auf der aktuellen Agenda des ehemaligen FDP-Politikers die Kernaussagen „Umbau, Ausbau, Neubau“. Und auf diesen Baustellen müssten zwei Schrauben angesetzt werden: Erstens die „Erhöhung des Copy-Preises“ und dann – natürlich, wenn auch schmerzlich – Schraube zwei: „Lohnkosten sparen“.
Buchholz: „Wir versuchen, die Titel zu erhalten, aber leider mit weniger Personal.“ Nicht jeder könne mehr in seinem „eigenen Silo“ arbeiten, sondern „unterschiedliche Redaktionsmodelle“, sprich ein kostensparender Content müsse her: „Das ist ein Umorganisationsprozess, der schmerzlich ist.“ Schmerzlich, so Buchholz auch und vor allem für die Gesellschafter: „Am Ende dieses Jahres 2009 werden wir einen Jahresfehlbetrag haben. Das heißt, die Gesellschafter kriegen nichts, sie müssen was reinlegen.“
Eine Schlussfolgerung, die Betriebsrat Thomas Thielemann nur unterstützen kann: „Eine Milliarde Euro hat Gruner und Jahr allein von 2003 bis 2008 nach Gütersloh überwiesen. Eine erhebliche Summe davon liegt auf dem Konto von Liz Mohn. Unter den Hundert reichsten Deutschen liegt Liz Mohn mit knapp drei Milliarden Euro auf Platz 32.“