Das Start-Up

Faktencheck: Was bisher über das Junge Angebot von ARD und ZDF bekannt ist

Noch etwa vier Monate, dann soll das Junge Angebot von ARD und ZDF an den Start gehen. Einen Namen hat es noch nicht. Und mit welchen Inhalten es die junge Zielgruppe zwischen 14 und 29 Jahren erreichen will, steht irgendwie auch noch nicht so richtig fest. Auf der Media Convention in Berlin hat der ehemalige stellvertretende Programmverantwortliche bei ARTE und jetzige Programmchef des Jungen Angebots, Florian Hager, über den aktuellen Stand berichtet. Einen Einblick in den Entstehungsprozess des „öffentlich-rechtlichen Start-Ups” gibt der vom Team um Hager bestückte Blog, auf dem sich Interessierte auch an der Namenssuche beteiligen können.

Florian Hager, Programmchef des Jungen Angebots von ARD und ZDF Foto: SWR/Monika Maier
Florian Hager, Programmchef des Jungen Angebots von ARD und ZDF
Foto: SWR/Monika Maier

Fest steht: Das Gemeinschaftsprojekt von ARD und ZDF wird nur im Netz verfügbar sein. Mit dem 19. Rundfunkänderungsstaatsvertrag haben die Ministerpräsidenten der Länder im Herbst 2015 beschlossen, dass es keinen linearen Jugendkanal, wie bis dato geplant, sondern ein nicht-lineares, rein webbasiertes Angebot geben soll. Eine gute Entscheidung, so äußert sich Helge Haas, Programmleiter für Junge Angebote bei Radio Bremen, auf dem Blog www.jungesangebotvonard­und­zdf.de. Denn die Erfahrung bei Radio Bremen habe gezeigt, dass Bewegtbildangebote im Netz deutlich besser auffindbar seien als auf den linearen Spartenkanälen. Hagers Team ist derzeit von Facebook über Snapchat bis zu YouTube und der Video-Plattform Twitch mit allen relevanten Playern, also Drittplattformen, im Gespräch. Dabei wird es für jede Plattform originäre Inhalte geben statt ein und desselben Inhalts, der für die verschiedenen Plattformen unterschiedlich aufbereitet wird. Der heterogenen Zielgruppe hat man mit einer Einteilung in vier nach dem Alter gestaffelte Untergruppen Rechnung getragen. Dementsprechend werden die Plattformen unterschiedlich gewichtet und die Inhalte thematisch zielgruppenspezifisch angelegt. 14–16-Jährige nutzen eben mehr Snapchat und dafür wenig Facebook. Und 14–19-Jährige erreicht man mit YouTube-Stars, während sich die 20–29-Jährigen auf YouTube eher von Informationen und Reportagen angesprochen fühlen. Schwierig ist sie allemal, diese Gruppe der 20–29-Jährigen. Erreichen will man sie vorrangig mit Webserien. Durch den Rundfunkänderungsstaatsvertrag wurde den Anstalten zudem erstmals erlaubt, online fiktionale Kauf­produkte zu verbreiten, also ausländische Spielfilme und vor allem Serien.

Neben der Verbreitung über Drittplattformen werden die Inhalte allerdings auch noch in einem eigenen Player im Web sowie in einer App verfügbar sein, über die sich die User_innen ihre Inhalte filtern und personalisieren können. Zielgerät ist das mobile End­gerät. Das Design der App, das zurzeit noch von einer Hand voll Freelancer_innen entwickelt wird, soll später auf die Gesamtmarke übertragen werden. Bevor es zur Entstehung dieser Gesamtmarke und auch eines Namens kommt, konzentrieren sie sich im Mainzer Start-Up jedoch zunächst auf die Entwicklung der ­Inhalte. Erst der Content, dann die Marke. Das ist die Devise. Wie dieser Content aussehen wird, darüber ist bisher noch wenig bekannt. Der YouTuber Rayk Anders wird sein Format „Armes Deutschland” künftig für das Junge Angebot weiterführen. Produziert wird es von RocketBeans TV, die möglicherweise auch die Produktion weiterer Formate übernehmen werden. Grundsätzliches Ziel ist es jedoch, mit den YouTubern und anderen Kreativen, die man für das Projekt
gewinnen kann, eigene Formate zu entwickeln statt deren etablierte Formate einfach zu übernehmen. Die Anmutung des übrigen (Nicht-YouTube-) Contents steht noch relativ in den Sternen. Sicher ist nur, dass die Inhalte mit der Zielgruppe entwickelt werden sollen. Dafür beschreitet Hagers Team auch schon mal ungewöhnliche Wege. In der Mainzer Zentrale haben sie Anfang April einen Hackathon veranstaltet, dessen Ergebnisse, sowie übrigens auch alle anderen Software-Entwicklungen des Jungen Angebots, als Open Source auf https://github.com/JungesAngebot zur Verfügung stehen. Und sie holen sich ihre Zielgruppe manchmal direkt von der Straße ins Büro, um sie zu ihrem Mediennutzungsverhalten zu befragen und ihr Feedback zu den neuesten Produkten einzuholen.

Wenn das nicht unkonventionell ist! Doch einen ­unkonventionellen Weg wollte man ja schließlich gehen, mit dem neuen Jungen Angebot von ARD und ZDF, mit dem sich die Öffentlich-Rechtlichen vom
linearen Fernsehen verabschieden und mit Netflix und Co. zumindest mithalten wollen. Und auch fehlende Transparenz und Partizipation des Publikums wird man den Machern des Jungen Angebots nur schwerlich vorwerfen können, wie und wann auch immer das öffentlich-rechtliche Experiment schließlich an den Start geht. Denn noch fehlt die Ratifi­zierung des Vertrages durch alle Landtage. Wie viel Zeit für Kreativität bleibt da eigentlich noch, bis zum 1. Oktober 2016?

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