Die Geschäfte des Herrn B. in D.

Silvio Berlusconi beherrscht nicht nur in Italien zahlreiche Medien, sein Arm reicht auch nach Deutschland

Wenn ihm neben seinen sechs Fernsehsendern auch noch die RTL-Gruppe gehören würde, dann könnte Leo Kirch in Deutschland so viel vom Markt beherrschen wie Silvio Berlusconi in Italien. Wenn er dann außerdem noch Bundeskanzler wäre -mit dem Chef der NPD als Vizekanzler und den „Republikanern“ als drittem Koalitionspartner – dann kämen wir den „italienische Verhältnissen“ recht nahe. Aber auch ohne das ist Italien so weit nicht entfernt, denn der dortige künftige Regierungschef ist auch hier zu Lande in den Medien aktiv.

Berlusconis Aufstieg vom Bauunternehmer zum Medienherrscher hat 1974 mit einem regionalen Fernsehsender angefangen. 1982 hat er – illegal – mit der landesweiten Ausstrahlung von Fernsehprogrammen begonnen, 1984 kontrollierte er zwei weitere Stationen. Heute deckt er 43,4 Prozent der Einschaltquoten ab, seine Firma Mediaset besitzt PR-Agenturen, Verlage, Zeitungen, Filmgesellschaften, Versicherungen, Fußballklubs u.a.m.

Arm in Arm mit Leo Kirch

Berlusconis internationaler Geschäftspartner sitzt in Unterföhring und heißt Leo Kirch – Herrscher über die mächtigste deutsche Fernsehgruppe, Eigner von 40 Prozent des Springer-Verlags, des größten Film- und Fernsehverleih Europas und zahlloser anderer Medienbetriebe. Die beiden verbindet nicht nur ihre politische Gesinnung (Kirch ist aktives CSU-Mitglied), sie gehören auch beide zu den zwanzig reichsten Personen der Erde und haben undurchsichtige Medienimperien aufgebaut, die sie patriarchalisch beherrschen. Sie kennen sich seit Jahren persönlich und haben schon manches Ding gedreht.

Die erste geschäftliche Verbindung geht auf das Jahr 1992 zurück. Kirch hatte sich beim Springer-Konzern eingekauft und so Einfluss auf den Fernsehsender Tele 5, der seinem eigenen Sender Pro Sieben Konkurrenz machte, erhalten. Zusammen mit Berlusconi und dem schweizerischen Ringier-Konzern übernahm er Tele 5 und wandelte ihn ins Deutsche Sportfernsehen (DSF) um. Heute gehört er Kirch allein.

1994 war Berlusconi zum ersten Mal Ministerpräsident geworden, allerdings nur für sieben Monate. Ein Jahr später stand sein Konzern Mediaset vor dem Bankrott. Rasche Hilfe kam von Freund Leo: Der kaufte 20 Prozent der Anteile. Inzwischen hat er seine Beteiligung wieder auf 1,3 Prozent zurückgefahren.

Eine ähnliche Lage – nur umgekehrt – bestand im März 1999. Kirch stand wegen riesiger Verluste im Abonnentenfernsehen vor der Zahlungsunfähigkeit. Diesmal kaufte Berlusconi Anteile an Kirchs Medienholding und verschaffte ihm eine Finanzspritze von 750 Millionen Mark. Seither sind die Imperien Kirchs und Berlusconis wechselseitig verflochten: Der Italiener hält 2,8 Prozent an Kirch Media, deren Eigner besitzt 1,3 Prozent an Mediaset. Außerdem werden sie durch zwei internationale Finanziers zusammengeklammert: Der saudische Investor Al Waleed und die US-Investmentbank Lehmann Bros. sind jeweils an den beiden Mediengruppen beteiligt (siehe Grafik).

Europaweite Verflechtung

Die Verbindungen werden ausgebaut. Mitte letzten Jahres haben Kirch und Berlusconi zusammen mit einer britischen und einer französischen Gruppe die Internetfirma @lliance gegründet. Das Unternehmen befasst sich vor allem mit interaktivem Fernsehen im europäischen Maßstab. Kurz vorher, im April 2000, hatten Berlusconi und Kirch ein schon 1998 angekündigtes Projekt vorgestellt: das European TV Network (mittlerweile Epsilon Mediagroup).

Mit diesem Gemeinschaftsunternehmen stellen Berlusconi und Kirch ihre Zusammenarbeit auf eine neue Stufe. Sie haben darin Produktionsfirmen, Senderbeteiligungen und den Vertrieb von Rechten gebündelt. Ziel ist es, auf europäischer Ebene als führender Anbieter aufzutreten.

Bislang haben Berlusconi und Kirch die meisten ihrer nationalen Sender unter eigener Regie gehalten; lediglich Sat 1 ist über eine komplizierte Verschachtelung mit der Epsilon-Group verbunden. Außerdem gehört der spanische Sender Telecinco, den beide schon seit längerem gemeinsam betreiben, zu der neuen Holding. Kirch besitzt ein Optionsrecht, Teile an Berlusconis Fernsehsendern zu kaufen, und Berlusconi hat über seine Beteiligung an der Kirch Media Einfluss auf Kirchs deutsche Sender. Es wäre nicht schwer, weitere Programme der Epsilon-Group zu unterstellen.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass der künftige italienische Ministerpräsident Einfluss auf einen großen deutschen Fernsehsender (Sat 1) und auf den zweitgrößten deutschen Medienkonzern besitzt. Die Politik der italienischen Regierung wird direkte Durchschlagskraft auf den hiesigen Medienmarkt bekommen. Ein Umstand, der wahrlich einer regierungsamtliche Stellungnahme wert wäre, zumal es eben nicht irgendeine Regierung sein wird, sondern eine aus Reaktionären, Rassisten und Faschisten. Dass die offiziellen deutschen Reaktionen auf das italienische Wahlergebnis derart lau sind, ist deshalb – gelinde gesagt – befremdlich.

Aber vielleicht ist das auch alles kein Problem. Nach Ansicht der sächsischen CDU-Landtagsfraktion ist Silvio Berlusconi „ein Gewinn für Italien und Europa“, und vielleicht kann er sich auf dem nächsten CSU-Parteitag mit seinem Freund Leo Kirch treffen. Dorthin hat ihn Edmund Stoiber nämlich als Ehrengast eingeladen.

Übrigens bestehen auch anderweitig wenig Berührungsängste mit Herr Berlusconi: Die Bertelsmann-Gruppe beispielsweise betreibt seit November 1988 gemeinsam mit seinem Verlag Mondadori einen italienischen Buchklub.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Quartalsbericht liegt vor

Einen detaillierten Blick auf das Mediengeschehen gibt der neue Quartalsbericht. Er speist sich aus den Auswertung von Internetseiten, Zeitungen, Fachzeitschriften, Informationsdiensten, Verbands- und Unternehmenspublikationen. Im Frühjahr nun hat das Internet erstmals das Fernsehen als wichtigste Quelle für „News“ abgelöst. Die gedruckten Auflagen der Pressemedien gehen weiter zurück, die Digitalumsätze legen zu. Fest steht außerdem, Zeitungen erhalten keine Zustellförderung. 
mehr »

Renaissance einer Redaktion in Guatemala

Am 15. Mai 2023 stellte Guatemalas investigative Tageszeitung „elPeriódico“ ihr Erscheinen ein. Rund ein Jahr später sind die Köpfe hinter dem linken Leitmedium mit dem Online-Portal „eP Investiga“ wieder da. Die beiden Buchstaben eP erinnern an den alten Titel des Blattes, das sich dem Kampf gegen die Korruption verschrieben hatte. Offiziell gibt es keine Verbindung zur Familie Zamora und dem nach wie vor in Haft sitzenden Zeitungsgründer José Rubén Zamora. Allerdings tritt das investigative Portal für sein journalistisches Credo ein. 
mehr »

Reformstaatsvertrag: Zweifel am Zeitplan

Der Medienrechtler Dieter Dörr bezweifelt, dass es den Bundesländern gelingt, sich gemäß ihrer Planungen bis Ende Oktober auf einen Reformstaatsvertrag zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu verständigen. Er halte „diesen Zeitplan, um es vorsichtig auszudrücken, für ausgesprochen optimistisch“, sagte Dörr auf M-Anfrage. Nach dem bisherigen Fahrplan sollte der Reformstaatsvertrag dann bei der Ministerpräsidentenkonferenz im Dezember 2024 unterzeichnet werden.
mehr »

Reform oder Abrissbirne im Hörfunk

Die Hängepartie um Finanzierung und Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) geht weiter. Nach wie vor sträuben sich ein halbes Dutzend Ministerpräsidenten, der Empfehlung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) für eine Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro zu folgen. Bis Oktober wollen die Länder einen Reformstaatsvertrag vorlegen, um künftig über Sparmaßnahmen Beitragsstabilität zu erreichen. Einzelne ARD-Sender streichen bereits jetzt schon ihre Hörfunkprogramme zusammen.
mehr »