Wochenzeitung Freitag mit „überraschenden Neuigkeiten“
Ein ungewohntes Bild bot sich den Lesern der Wochenzeitung Freitag zuletzt im Internet: Die Startseite ihres Blatts wurde von einer transparenten Werbeanzeige für Schweizer Armeeuhren überblendet. „Freuen Sie sich auf den neuen Freitag“, war neben dem Zeitmesser zu lesen, „am Kiosk und im Internet“. Passend zum beworbenen Produkt lief ein Countdown zum Relaunch.
Am 5. Februar war es soweit: Der überarbeitete Freitag erschien erstmals mit „bewährten Elementen“ und „überraschenden Neuigkeiten“, wie Jakob Augstein, der neue Herausgeber und Sohn des Spiegel-Gründers Rudolf Augstein, ankündigte. Der 41-jährige arbeitet rund neun Monate nach dem Kauf der Wochenzeitung mit einer komplett neuen Leitung. Als Chefredakteur wurde Philip Grassmann von der Süddeutschen Zeitung geholt, sein Vertreter ist Jörn Kabisch, der bislang für die Grünen-nahe tageszeitung tätig war. Mit Detlev Hustedt setzt der neue Eigner auf einen Verlagskaufmann aus dem Hause Springer. Schon die Personalien lassen vermuten, dass die „überraschenden Neuigkeiten“ überwiegen.
Im Negativen hatten einige Leser eben das prognostiziert, als der Kauf – zu einem unbekannten Preis – Ende April vergangenen Jahres publik wurde. Mehrere Leserbriefe zeugten damals von den Sorgen der meist linksintellektuellen Leserschaft vor einem politischen Wandel der Zeitung, die 1990 aus dem DDR-Kulturblatt Sonntag und der kommunistischen westdeutschen Volkszeitung entstanden war.
Der in dieser Geschichte begründete Untertitel „Ost-West-Zeitung“ wird nun, knapp zwei Jahrzehnte nach dem Ende der DDR, gestrichen. „Zu Recht“, wie der neue Besitzer Augstein meint. Sein neuer Freitag wird stattdessen als „Meinungsmedium“ firmieren. Wirkt sich das auf die bisher linke Ausrichtung des Freitag aus? „Eine Zeitung ist keine politische Partei. Keine Kirche“, antwortet der neue Eigner. Ideologie passe nicht zum Journalismus – „und Ideologie ist, wenn man immer schon vorher weiß, dass man selbst Recht hat und die anderen alle Unrecht“. Das Wochenblatt solle künftig hingegen ein „politisches Medium“ sein, das eine „gesellschaftliche und publizistische Haltung (vertritt), die Orientierung bietet“.
Auch nach der Neugestaltung sollen im Freitag Themen Platz finden, die in anderen Medien zu kurz kommen. Dazu zählt die neue Führung „gesellschaftliche Gerechtigkeit“ sowie „Machtstrukturen in der Wirtschaft und in der Politik“. Die Internetgemeinschaft soll stärker als von anderen Medien in das Produkt eingebunden werden. Neben der von gut einem Dutzend auf 20 Mitarbeiter aufgestockten Redaktion erhofft sich Chefredakteur Grassmann auch von Bloggern einen Input: „Sie können bei uns ihre Texte veröffentlichen, sie können miteinander debattieren.“ Die Druckauflage des Freitag, bislang mit einer verkauften Auflage von 14.000 Exemplaren, wird zum Relaunch auf 60.000 erhöht. Die Leser finden auf den 28 Seiten künftig, farblich abgesetzt, auch Texte aus dem britischen Guardian. Der neue Freitag erscheint künftig immer donnerstags.