Entzauberte Boombranche

Fernsehwirtschaft klagt über leere Studios / Die Kirch-Pleite ist auch in Köln spürbar

Mächtige Klötze aus Stahlbeton füllen das Areal des einstigen Flugplatzes Butzweilerhof in Köln-Ossendorf. Ende der neunziger Jahre entstand hier für eine halbe Milliarde Euro das gigantische Coloneum: 19 weitere Fernsehstudios für die ohnehin gut versorgte Medienstadt am Rhein. Fünf Jahre später wirken die riesigen Hallen häufig verwaist.

Zwar war das Gelände kürzlich Schauplatz des RTL-Quotenrenners „Deutschland sucht den Superstar“. Doch der erhoffte Hollywood-Glamour kommt bestenfalls an den wenigen Abenden auf, an denen sich im Coloneum Tausende von Prominenten aus dem Showgeschäft treffen: etwa anlässlich der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises. „Es ist kein Geheimnis, dass es in Köln zu viel Studiofläche gibt“, sagt Thorsten Rossmann, Konzernsprecher von ProSieben. Deren Kapazitäten zu reduzieren, sei „aus ökonomischer Sicht die richtige Überlegung“.

In den einstigen Traumfabriken herrscht fast überall trübe Stimmung. Die Folgen der Kirch-Pleite treffen nicht nur München, sondern in abgeschwächter Form auch die anderen Zentren der deutschen Film- und Fensehwirtschaft. Studio Hamburg ist nicht ausgelastet, das Berliner Prestigeprojekt auf dem traditionsreichen UFA-Gelände in Babelsberg kommt ebenfalls nicht so recht voran. Der Kölner MediaPark, architektonisch anspruchsvoll gestaltet und in bester Innenstadtlage, ist inzwischen fast fertig und auch weitgehend vermietet – allerdings um den Preis einer Aufweichung des ursprünglichen Nutzungskonzeptes. Einen Teil des Areals hat eine Hotelkette übernommen. In nicht wenigen Büros residieren ganz normale Dienstleistungsunternehmen, die sich nur mit einiger Fantasie der Medienwirtschaft zurechnen lassen.

Für die TV-Aufzeichnungen weichen die Fernsehmacher seit längerem auf weniger teure Standorte aus. Der Musikkanal Viva ist Ende letzten Jahres mit rund 600 Mitarbeitern aus der kostspieligen Kölner City auf die andere Rheinseite abgewandert. Im Stadtteil Mülheim, wo alte Industriebrachen neu genutzt werden und die Grundstücke erheblich billiger sind, sitzt auch die Viva-Tochter Brainpool, die Produktionsfirma von Stefan Raab und Anke Engelke. In umittelbarer Nachbarschaft veranstaltet Harald Schmidt seine tägliche Late-Night-Show für SAT 1.

Das „massenhafte Industriefernsehen“, wie es der Medienberater Lutz Hachmeister abschätzig nennt, wurde schon immer an der Peripherie der Domstadt hergestellt. Im Vorort Hürth, wo einst der „Big Brother“-Container stand, betreibt allein die Magic Media Company MMC sechzehn Studios. Der niederländische Konkurrent NOB (Nederlands Omroepproduktie Bedrijf), der unter anderem Günther Jauchs Millionen-Quiz abdreht, ist mit weiteren acht Studios vertreten. Während der goldenen neunziger Jahre zogen die Investoren auf dem unwirtlichen Gelände in Hürth nahe der Kölner Stadtgrenze eine Halle nach der anderen hoch. Die Euphorie war groß, das Wachstum der privaten Fernsehwirtschaft schien kein Ende zu nehmen.

Vom Studio zur Lagerhalle?

In dieser Stimmung wollten die MMC-Gesellschafter Helmut und Bernd Breuer noch höher hinaus. Unterstützt von ihren Miteigentümern ProSiebenSat.1 Media AG, der RTL-Television GmbH und der Kölner Stadtsparkasse entstand das Prestigeprojekt Coloneum im nordwestlichen Stadtteil Ossendorf. Als das Gelände im Oktober 1999 mit vielen VIP-Gästen feierlich eröffnet wurde, begann die Branche gerade aus dem Takt zu geraten. Zwar hatten Kritiker immer wieder darauf hingewiesen, dass das Coloneum zu groß geraten und am Bedarf vorbei geplant worden sei. Doch mit den indirekten Folgen der Kirch-Krise und dem ganzen Ausmaß der derzeitigen Medienflaute hatten selbst die Skeptiker nicht gerechnet.

Trotz „Superstar“ wird nur gut ein Drittel der Kapazitäten regelmäßig genutzt, die erzielbaren Mieten sind deutlich gesunken. Die MMC überlegt sogar, einen Teil der Hallen ganz zu schließen oder als Lagerräume zweckzuentfremden. Unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten ist das Projekt in jedem Fall ein Fiasko. Denn eigentlicher Eigentümer des Coloneum-Geländes ist ein Immobilienfonds des Kölner Bankhauses Oppenheim und des Bauunternehmers Josef Esch. Gegenüber der Oppenheim-Esch-Holding verpflichtete sich die MMC zu einer garantierten Mietzahlung bis 2008. Bleibt es beim derzeitigen Verdrängungswettbewerb mit Dumpingpreisen, könnten sich nach Schätzungen von Experten Verluste von bis zu 100 Millionen Euro anhäufen – der mögliche finanzielle Ruin für die einst so zauberhaft erfolgreiche Magic Media Company.

Unter Druck geraten ist damit auch die Förderpolitik der nordrhein-westfälischen Landesregierung. Der einstige Ministerpräsident und heutige Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement hat wie kein anderer Politiker auf die Medienbranche gesetzt. Mit ihrer Hilfe wollte er die Strukturprobleme der Kohle- und Stahlindustrie ausgleichen. Zumindest im Ruhrgebiet, das Arbeitslosenzahlen weit über dem Durchschnitt aufweist, ist ihm das kaum gelungen. So verschlang der Versuch, in der Revierstadt Oberhausen ein Trickfilmzentrum mit Erlebnispark zu bauen, am Ende rund 60 Millionen Euro Fördergelder, schuf aber entgegen der Versprechungen nur 20 neue Arbeitsplätze.

Menetekel für Stagnation

In jüngerer Zeit hat die Medienpolitik der Düsseldorfer Staatskanzlei das „Prinzip Gießkanne“ bei den Subventionen aufgegeben. Sie konzentrierte sich auf die seit langem gewachsenen Strukturen in der Region Köln – und kann dabei durchaus Erfolge vorweisen. Um die größte ARD-Anstalt WDR und den größten Privatkanal RTL spannt sich ein weit gefächertes Netz von sieben anderen Fernsehsendern, hunderten von Produktionsfirmen und tausenden selbstständiger Mediendienstleister. Doch auch in der Domstadt ist die einstige Jobmaschine Medien ins Stottern geraten. Die gähnende Leere in Teilen der Fernsehstudios von Hürth oder Ossendorf sind ein Menetekel – für die Stagnation der Kommunikationswirtschaft insgesamt. Das steile Wachstum im Sog von Privatsendern und Internet-Euphorie scheint endgültig Geschichte.

 

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