Am 6. März ist dieses Jahr Equal Pay Day, denn die Gender Pay Gap liegt seit dem Jahr 2020 nach wie vor bei 18 Prozent. Legt man die Prozente, die Frauen weniger verdienen, in Tage um, entspricht dies der Zeit von Neujahr bis zum 6. März als Nullverdienst. Im Journalismus sieht es dabei nicht wesentlich besser aus: Auf 17,3 Prozent errechnete eine Studie zur „Prekarisierung im Journalismus“ von 2021 die Gender Pay Gap in diesem Beruf, wie M berichtete. Auf der Basis dieser Daten ist jetzt der „vernachlässigte geschlechterspezifische Aspekt prekärer Beschäftigung im Journalismus“ noch einmal deutlich herausgestellt worden.
„Prekarierinnen?“ haben Jana Rick und Corinna Lauerer ihre gerade erschienene Studie aus dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt “Prekarisierung im Journalismus“ überschrieben. Vergleicht man die Daten des Statistischen Bundesamts (Destatis) und die Ergebnisse einer Befragung von 2014/15, die M unter dem Titel „Je prekärer der Job, desto mehr Frauen“ vorstellte, zeigt sich, dass die Entwicklung im Journalismus aufgeholt hat: Vor zehn Jahren gab es nach dieser Studie bei den Journalistinnen ein Gender Pay Gap von rund 25 Prozent, Destatis gibt das allgemeine Gender Pay Gap 2014 mit 22 Prozent an.
Mehr Teilzeitjobs
Dabei erweist sich in der neuen Einzelstudie besonders die Tatsache, dass viel mehr Journalistinnen als Journalisten nur als Teilzeit-Angestellte arbeiten, als „hartnäckige geschlechterspezifische Ungleichheit im Journalismus“, betonen die Autorinnen. Die Zahl der Journalist*innen in Teilzeit ist in den vergangenen Jahren bei rund acht Prozent gleichgeblieben, auch wenn es nach der von der dju in ver.di unterstützten neueren Umfrage von Ende 2020 nicht mehr fünfmal so viele Frauen sind, sondern nur noch rund dreimal so viele. Wenig überraschend sind allerdings die Gründe für die Teilzeitarbeit bei Frauen: Familiäre Verpflichtungen geben 45,5 Prozent der Frauen an, aber nur 7,4 Prozent der teilzeitarbeitenden Männer. Bei den Journalisten in Teilzeit ist der erste Grund, mehr Zeit „für andere Dinge“ haben zu wollen, und der zweithäufigst genannte, keine Vollzeitstelle gefunden zu haben. Das spielte bei den Frauen nur bei rund zwei Prozent eine Rolle.
Stundenlöhne unter Mindestlohn
Fragt man Journalist*innen , warum sie freiberuflich arbeiten, ist bei beiden Geschlechtern die erste Antwort bei möglichen Mehrfachnennungen mit rund 56 Prozent ziemlich gleich: Es sei der Wunsch nach inhaltlicher und gestalterischer Freiheit. Wenn gleichzeitig aber jeweils rund 41 Prozent als Grund angeben, dass eine Festanstellung nicht zu finden gewesen sei, relativiert dies die erste Aussage und lässt vermuten, dass manche der freiberuflichen Situation möglichst positive Aspekte abgewinnen möchten. Der deutliche Unterschied zeigt sich wieder, sobald die Familie ins Spiel kommt: Über 20 Prozent der Journalistinnen geben dies als Grund für ihre Freiberuflichkeit an, bei den Journalisten sind es nur 8,6 Prozent.
Vergleicht man die auf Stundenlöhne umgerechneten Einnahmen der freiberuflichen Journalist*innen, dann wird es ganz prekär: Männer kommen auf rund 13,30 Euro, Frauen auf 11,75 Euro. Nur zum Vergleich: Der aktuelle Mindestlohn liegt bei 12,41 Euro. Wenig Wunder, dass die Branche Schwierigkeiten hat, den früher sehr interessierten qualifizierten Nachwuchs anzulocken.
Rentnerinnen in Redaktionen
Eine nicht zu unterschätzende Zahl der freiberuflichen Journalist*innen, vor allem bei Regionalzeitungen, sind Rentner*innen. 2021 hat Jana Rick diese „Journalist*innen im Unruhestand“ unter die Lupe genommen, die „bisher in der Forschung weitgehend unbeachtet“ geblieben sind. Viele von ihnen haben eine journalistische Ausbildung und lange Berufserfahrung. Neben der Leidenschaft für den Beruf sieht Rick aber auch, „dass die zunehmend prekären Verhältnisse im Journalismus es notwendig machen, dass Rentner*innen (noch) arbeiten“.
Prekäre Einkommensverhältnisse bewegen offenbar auch immer mehr Jüngere, die Branche zu verlassen und anderswo, zum Beispiel in der Öffentlichkeitsarbeit, besser und sicherer bezahlte Jobs anzunehmen, hat Rick in ihren Befragungen erfahren. Immerhin haben mehr als ein Viertel bei der Umfrage Ende 2020 angegeben, über einen Ausstieg aus dem Journalismus nachzudenken. Die Arbeitsbedingungen im Journalismus, gefährdete Stellen, niedriges Einkommen und die soziale Unsicherheit sind die maßgeblichen Gründe für den Ausstiegswillen. Bei einem Viertel der Journalistinnen kommt noch die Geschlechterungerechtigkeit im Beruf dazu.
Für Rick lässt dies das Resümee zu: Es ist nicht der Journalismus als Beruf, der die Menschen unglücklich macht, sondern die Bedingungen, unter denen sie arbeiten müssen.