Zeitungsverlage mit Sparbüchse unterm Arm auf Investitionskurs
Seit Jahren hören wir aus den Zeitungsverlagen eigentlich nur noch eins – das Klagelied: Wir müssen sparen, die Kosten sind zu hoch, die Einnahmen zu gering. Gerade diejenigen, die die betriebswirtschaftlichen Zahlen am besten kennen, investieren aber in diese vermeintlich Not leidende Branche wie noch nie. Wie passt das zusammen?
Wenn die Not so groß ist, kann man eigentlich nur eines erwarten: Die Flucht des Kapitals aus der Branche und allenfalls Investitionen von außerhalb. Aber nicht die Branchenfremden investieren. Die großen Deals der Branche werden intern abgewickelt, zwischen den Verlagen.
- Die Stuttgarter SWMH-Gruppe kauft für über 600 Mio. Euro die Mehrheit an der Gruppe um die Süddeutsche Zeitung.
- DuMont in Köln zahlt gut 150 Mio. für Berliner Zeitung und Kurier sowie die Hamburger Morgenpost.
- Madsack übernimmt Anteile von Springer an Regionalzeitungen für über 300 Mio. Euro.
Allein diese drei Transaktionen machen zusammen über 1 Mrd. Euro aus und auch einzeln liegen sie auf einem Niveau, das man bis dahin im deutschen Zeitungsmarkt kaum kannte.
Warum wird nicht in andere Branchen investiert, wenn es den Zeitungsverlagen so schlecht geht? Die Antwort ist einfach: Die Renditeerwartungen sind besser als für die meisten anderen Branchen. Es handelt sich vielfach nur um eine gefühlte Krise. Dieses Gefühl kommt auf, wenn heutige Gewinnmargen an jenen der 90er Jahre gespiegelt werden. Damals erreichten Regionalzeitungen traumhafte Renditen von über 20, einige gar von 30 Prozent. Dieser Erfolg hat verwöhnt, hat die Maßstäbe so ins Irreale verschoben, dass heute geklagt wird.
Die 90er Jahre sind vorbei. Und wenn nicht alles täuscht, wird die Branche das damalige Gewinn-Niveau nicht wieder erreichen. Ist das schlimm? Aus meiner Sicht nicht. Es findet ein Anpassungsprozess an Normalitäten in anderen Branchen statt. Die Rahmenbedingungen für Zeitungsverlage sind gleichwohl nach wie vor günstiger als bei den meisten anderen:
- Von der Globalisierung, die in vielen Branchen den Konkurrenzdruck erhöht hat, sind die Zeitungsverlage nicht betroffen. Gerade in Deutschland ist das Zeitungsgeschäft regional und lokal strukturiert. Da gibt es keinen Platz für Billiganbieter – sagen wir – aus Asien.
- Überwiegend fehlt es auch an inländischen Konkurrenten. Über zwei Drittel der Kreise und kreisfreien Städte sind inzwischen monopolisiert. Das Monopol ist das Paradies für Unternehmer. Fernab vom Wettbewerb lassen sich Leistung und Qualität und – noch wichtiger – der Preis bestimmen. Das hat sich gerade in den letzten Jahren gezeigt: Trotz rückläufiger Auflagen stiegen die Vertriebserlöse, weil Abo- und Einzelpreise schlicht erhöht wurden.
Die zyklisch steigenden und fallenden Papierpreise haben schon manche Finanzplanung durcheinander gewirbelt. Und Dellen in der Werbekonjunktur schlagen durch. Das gilt auch für die derzeitige Werbekrise. Anders als bei der letzten Krise 2001 sind die Verlage aber heute besser aufgestellt. Viele von ihnen hatten in den fetten 90er Jahren Speck angesetzt. Daher waren manche Kostenstreichungen – zugestanden – ohne qualitative Einbußen möglich. Heute ist das anders: Wer heute noch weitere Einschnitte beim Personal vornimmt, schneidet in aller Regel in den Muskel. Und das hat Folgen, die man mancher Zeitung inzwischen ansieht.
Aber die Zeitungsverlage haben auch ein strukturelles Problem: Fast alle Titel verlieren Auflage und zwar anhaltend seit nunmehr rund 15 Jahren. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Die älteren Jahrgänge sind nach wie vor treue Leser und Käufer. Die jüngeren aber nicht mehr. Die Zeitung überzeugt sie nicht, vermag sie nicht an das Medium zu binden. Das Internet spielt dafür eine maßgebliche Rolle.
Eines wird aber sicherlich nicht gelingen: Überzeugungsarbeit für Zeitungen zu leisten, wenn man den Umfang verringert und die Redaktionen ausdünnt. Genau das geschieht aber zurzeit vielerorts in den Zeitungsverlagen. Beim WAZ-Konzern in Essen, einem Krösus der Branche, soll mehr als ein Drittel der Redaktionsstellen in NRW gestrichen werden.
Medien haben Verfassungsrang. Sie sind unverzichtbar für unsere Demokratie, für unsere Gesellschaft. Dies gilt gerade auch für die Tageszeitung, weil sie mit ihrem Lokaljournalismus Leistungen erbringt, die kein anderes Medium ersetzen kann. Lokalfernsehen ist kaum finanzierbar, das Radio, auch das Lokalradio, ist überwiegend ein Unterhaltungsmedium. Und auch das Internet ist jedenfalls noch nicht in der Lage, die Zeitung zu ersetzen. Dafür fehlen die Geschäftsmodelle. Journalistische Angebote im Internet – auch jene von Zeitungsverlagen – sind weit überwiegend defizitär, müssen quersubventioniert werden durch alte Medien, eben auch durch die Zeitung.
Der Stellenwert der Tageszeitung im Gesamtsystem Journalismus ist dabei herausgehoben. Es ist ja eine Mär, dass der Rundfunk wegen seines Aktualitätsvorsprungs der Trendsetter sei. Abgesehen vom Terminjournalismus werden Themen in großer Zahl von der Tagespresse vorgegeben. Sie ist das Leitmedium. Kein anderes Medium verfügt über eine derart kleinteilige Redaktionsstruktur wie die Tagespresse. Und deren journalistische Leistungen nutzt die gesamte Medienindustrie. Wer diese Struktur beschädigt, beschädigt entsprechend nicht nur die jeweils direkt betroffene Zeitung.
Aber ich befürchte, dass Lokalberichterstattung von Zeitungen künftig eine andere Qualität haben wird als in der Vergangenheit. Davon könnte eine weiter nachlassende Nachfrage ausgehen, also letztlich ein Teufelskreis: Mangelnde Investition begründet nachlassenden Absatz, der geringere Einnahmen bedingt und zu weiteren Kürzungen führt.
Ein Ausbruch aus diesem Teufelskreis wird ohne fremde Hilfe nicht gelingen. Als Helfer kommt allein die Gesellschaft in Frage. Die Medienpolitik muss zunächst den Stellenwert der Tagespresse bestimmen und dabei insbesondere den Stellenwert des Lokaljournalismus klären. Kommt die Politik zu dem Ergebnis, dass auch aus ihrer Sicht die journalistischen Leistungen der Tagespresse für unsere Gesellschaft unverzichtbar sind, ist die Frage des Wie von Fördermaßnahmen zu klären. Die Möglichkeiten dazu sind vielfältig.
Aus der Politik vernehme ich aber nur Sonntagsreden zu diesem Thema. Stattdessen wird jetzt einmal wieder von einer Deregulierung des Kartellrechts geredet. Wüsste man es nicht, so könnte man allein schon an diesen Aussagen ablesen, wir stecken in einem Wahljahr.
Horst Röper
Medienforscher Horst Röper leitet das FORMATT- Institut in Dortmund und arbeitet seit Jahrzehnten in der Journalistenausbildung.