Deutsche Welle auf dem Weg zu einem ganz Großen unter den Auslandssendern
Die Deutsche Welle will künftig im Reigen der globalen Informationsanbieter stärker mitspielen. Der neue Intendant Peter Limbourg strebt darum eine Konzentration auf Angebote in englischer Sprache als „journalistisches Flaggschiff” an. Die Neupositionierung dürfte nicht ohne Risiken für die Beschäftigen abgehen.
Intendant Limbourg hat ehrgeizige Ziele. In den kommenden vier Jahren soll die Deutsche Welle (DW) zu einem der ganz großen Player unter den Auslandssendern aufsteigen. Das strategische Konzept und die erforderlichen Maßnahmen hat die Geschäftsleitung Mitte Januar beschlossen. „Sie schaffen den Rahmen, in dem wir unsere Vorstellungen von kreativem und modernem Journalismus verwirklichen und uns als globaler Informationsanbieter aus Deutschland positionieren können”, so Limbourg. Einem Bericht der Berliner Zeitung, in dem von einem drohenden „Kahlschlag” bei der Welle die Rede war, widersprach der Intendant. „Wir betreiben keinen Kahlschlag, sondern haben ein verantwortungsvolles, intelligentes Konzept entwickelt”. Es ermögliche, im Kontext der Ziele die „hervorragende Regional- und Sprachkompetenz der DW zu erhalten”.
Was Führungspositionen in der Welle angeht, schuf Limbourg früh Fakten. Wenige Wochen nach Amtsantritt Anfang
Oktober 2013 löste er die beiden bisherigen Programmdirektoren ab. Christian Gramsch, bisher in Bonn verantwortlich für Multiregionales, soll künftig die DW-Akademie leiten. Christoph Lanz, bisher verantwortlich für DW-TV, musste ganz gehen. An die Stelle der beiden trat Gerda Meuer, die bisherige Leiterin der DW-Akademie. Kurz danach traf es auch die beiden Chefredakteurinnen, Dagmar Engel in Berlin und Ute Schaeffer in Bonn. Ihre Jobs übernahm der frühere Leiter des DW-Hauptstadtbüros. Dorthin wechselt nun die frühere DW-TV-Chefredakteurin Engel mit gleichem Dienstrang. Die Botschaft ist klar: Es geht Limbourg um Verschlankung, um die Abschaffung von Doppelstrukturen an beiden Standorten. Die Standortfrage selbst stellt sich offenbar nicht, auch wenn Ex-Intendant Erik Bettermann die Doppelpräsenz in Berlin und Bonn zuletzt in einem Tagesspiegel-Gespräch als „nicht förderlich” bezeichnet hatte.
Kooperationen intensivieren.
Als wichtigste Zielgruppen für die DW definiert der neue Intendant „globale Entscheider und Teilnehmer an der politischen Meinungsbildung”. Damit einher geht die Konzentration auf englischsprachige Angebote bei gleichzeitiger Ausdünnung von Produktionen in deutscher Sprache. Mit letzteren leiste die DW laut Pressemitteilung eine „Grundversorgung für alle, die im Ausland leben und die deutsche Sprache sprechen, also auch für die Deutschen und Deutschstämmigen”. Der für diese Grundversorgung erforderliche Aufwand soll jedoch reduziert, die Kooperation mit ARD, ZDF und Deutschlandradio gleichzeitig intensiviert werden.
Von den ersten Sparbeschlüssen sind vor allem die Magazine betroffen. Geprüft wurde, inwiefern sie „zur Profilbildung der DW beitragen und welches Reichweiten-Potenzial sie besitzen”. Verzichtet werden soll künftig auf „PopXport”, „Agenda”, „World Stories”, „Germany Today”, „Inside Germany”, „People & Politics”, „Kino” und „Talking Germany”. Betroffen sind alle Ausgaben dieser Sendungen im linearen Fernsehen” – dort sendet die DW auf Deutsch, Englisch, Spanisch und Arabisch. Ein inhaltliches Facelifting erhalten das Wirtschaftsmagazin „Made in Germany” und das Talk-Format „Quadriga”. Die restlichen rund 20 Fernsehformate bleiben erhalten. Zur Stärkung der TV-Aktivitäten werden darüber hinaus die „Einführung interaktiver Formate und eine profilbildende Talkshow angestrebt”.
Analog zum BBC-Modell sollen Nachrichten und Hintergrundberichterstattung zusammen gelegt werden. „Die DW ist
im Kern ein Informationssender, kein Unterhaltungssender”, bekräftigte Limbourg unlängst in politik und kultur, der Zeitung des Deutschen Kulturrates. Daher solle vor allem die Nachrichtenkompetenz gebündelt und ausgebaut sowie das journalistische Profil geschärft werden, „dialogisch und interaktiv”. Mithilfe dieser Strategie soll die bis 2017 „auf allen Plattformen” von derzeit gut 100 auf 150 Millionen regelmäßige Nutzer steigen.
Als globaler Informationsanbieter sieht sich die DW nicht nur im Wettbewerb mit BBC World und CNN. Längst tummeln sich zwei Dutzend englischsprachige Player weltweit – von Al Jazeera über Russia Today bis zu France 24. Für Limbourg eine echte Herausforderung auch im ideologischen Meinungsstreit: „Wenn Russen, Chinesen und Iraner für ihr Gesellschaftsmodell werben, dann steht es auch einem Land wie Deutschland gut an, für sein eigenes Modell zu werben: für Freiheitsrechte, für sozialen Ausgleich, für Minderheitenschutz”, vertraute er politik und kultur an. Dabei setzt er im Fernsehen auf regionalisierte Inhalte. Regionale Schwerpunkte in Asien sind Afghanistan, China und Iran, inhaltlich wird ein TV-Wirtschaftsmagazin für den Kontinent entwickelt. Die Radioproduktion wird auf Afrika beschränkt.
Von den Plänen der Intendanz sind die beiden Standorte unterschiedlich stark betroffen. In Bonn sollen die einzelnen Redaktionen zu einer Europa-Redaktion vereinigt werden. Vor allem Zeitverträgler und freie Mitarbeiter dürften sich berechtigte Sorgen um ihre Zukunft machen. Aber auch ganze Sprachen sollen bis Ende 2014 wegfallen – etwa die Angebote auf Bengalisch und Portugiesisch für Afrika. Wie viele Mitarbeiter davon betroffen sind, sei aufgrund der Beschäftigtenstruktur noch nicht genau zu ermitteln, sagt Gesamtpersonalratsvorsitzende Ayse Tekin. „Wir haben sehr viele Kolleginnen und Kollegen mit befristeten Verträgen, viele freie Mitarbeiter, aber nur eine Handvoll Feste”. Immerhin existiere ein „guter Rationalisierungsschutzvertrag, der dort greifen wird”. Die Portugiesisch-Redaktion werde vielleicht im Angebot für Brasilien eine Chance auf Weiterbeschäftigung bekommen. Ebenso könnte ein Teil der Bengali-Mitarbeiter zur Stärkung des englischsprachigen TV- und Online-Angebots für Asien eingesetzt werden.
kündigungen vermeiden. Die Einstellung der acht Magazine dürften vor allem die Berliner Beschäftigten zu spüren bekommen. Details sind noch unklar. Das gelte vor allem für die Frage, „in welcher Größenordnung möglicherweise ein Abbau von Personal zu erwarten ist”, so die Pressemitteilung der DW. Dies hänge letztlich von der Höhe des Bundeszuschusses an die Welle ab. Andererseits: Im Englischen Programm werde es sogar zu einem „Personalaufwuchs” kommen, ließ die DW in schönstem Bürokratendeutsch verlauten.
Mit der Zusicherung Limbourgs, die Geschäftsleitung werde „alles unternehmen, so viele Beschäftigte wie möglich zu halten”, mögen sich die Gewerkschaften nicht zufrieden geben. In einer Stellungnahme „Keine Reform auf Kosten der Beschäftigten” forderte der stellvertretende ver.di-Vorsitzender Frank Werneke den Intendanten auf, „betriebsbedingte Kündigungen klar auszuschließen und die betroffenen Abteilungen in die Programmentscheidungen einzubeziehen”. Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, deren Aufgabe durch die Reform verloren ginge, könne durch einen internen Stellenpool sowie interne Schulungen und Weiterbildungen ein „neues Einsatzgebiet” verschafft werden. Nach dem Verständnis von ver.di müsse das gleichermaßen für Mitarbeiter von Redaktionen, Technik und Verwaltung gelten.
Mit Unbehagen wird innerhalb und außerhalb des Senders die unzureichende Einbindung der Sendergremien in die Reformpläne der Intendanz registriert. Die Umsetzung dieser Pläne werde „spätestens beginnen, wenn der Rundfunkrat die Aufgabenplanung formal verabschiedet hat”, heißt es lapidar in der Pressemitteilung des Senders. Formal verabschieden? „Der Rundfunkrat ist kein Abnickergremium”, kommentiert Wolfgang Uellenberg, Leiter der ver.di-Abteilung Politische Planung und Mitglied im DW-Rundfunkrat, „viele Räte wünschen mehr Diskussion und Beteiligung”. Denn: „Immerhin verabschiedet der Rundfunkrat die Aufgabenplanung und muss daher die Weichen stellen, auch wenn der Intendant jetzt weitgehend Fakten schafft.” Limbourgs Vorpreschen wird durch ein medienpolitisches Vakuum begünstigt: Die Konstituierung des neuen Rundfunkrats war erst für den 14. März vorgesehen.
Das in Grundzügen von der Intendanz vorgelegte Konzept gilt als Grundlage für die Aufgabenplanung 2014 – 2017, deren Entwurf in Kürze der Bundesregierung und dem Bundestag vorgelegt werden soll. Entscheidend für die Perspektiven der DW wird einmal mehr die Höhe der bewilligten Bundesmittel sein. Derzeit liegen sie bei rund 270 Millionen Euro. Hier hofft die Intendanz offenbar auf Zugeständnisse des Bundes. Im Gespräch mit dem Mediendienst dwdl.de klagte Limbourg unlängst, die DW sei „in den letzten Jahren radikal runter gespart worden”. Bei normalem Wachstum seit 1998 würde sie inzwischen bei einem Etat von 400 MillionenEuro liegen, tatsächlich habe sie „inflationsbereinigt 40 Prozent verloren”. Zwar erwarte er nicht, dass diese Lücke jetzt geschlossen werde, aber er rechne schon mit Unterstützung „bei wichtigen Projekten”. An diesem Punkt kann auch die Mediengewerkschaft mitgehen. ver.di-Vize Frank Werneke: „Wenn die Politik zu dem Schluss kommt, dass hier ein internationaler Nachrichtenkonkurrent zu BBC World entstehen soll, dann muss sie auch für die entsprechende Finanzausstattung sorgen.”